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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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Diskursen, zwis<strong>ch</strong>en idealen und realen zu unters<strong>ch</strong>eiden. Der Unters<strong>ch</strong>ied läßt si<strong>ch</strong><br />

in den folgenden Definitionen ausdrücken:<br />

D Di :<br />

D Dr :<br />

Ein idealer praktis<strong>ch</strong>er Diskurs ist ein Diskurs, bei dem<br />

»unter den Bedingungen unbegrenzter Zeit, unbegrenzter<br />

Teilnehmers<strong>ch</strong>aft und vollkommener Zwanglosigkeit<br />

im Wege <strong>der</strong> Herstellung vollkommener spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>begriffli<strong>ch</strong>er<br />

Klarheit, vollkommener empiris<strong>ch</strong>er Informiertheit,<br />

vollkommener Fähigkeit und Bereits<strong>ch</strong>aft zum<br />

Rollentaus<strong>ch</strong> und vollkommener Vorurteilsfreiheit die<br />

Antwort auf eine praktis<strong>ch</strong>e Frage gesu<strong>ch</strong>t wird.« 460<br />

Ein realer praktis<strong>ch</strong>er Diskurs ist ein Diskurs, bei dem<br />

unter Bedingungen, die so weit, wie es na<strong>ch</strong> den Umständen<br />

angemessen ist, denen des idealen Diskurses<br />

angenähert sind, mindestens aber den Verzi<strong>ch</strong>t aller Beteiligten<br />

auf die absi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Ausübung von Zwang<br />

dur<strong>ch</strong> Gewalt und Drohung beinhalten, die Antwort auf<br />

eine praktis<strong>ch</strong>e Frage gesu<strong>ch</strong>t wird.<br />

bb) Der innere Diskurs<br />

In D Di sind die idealen Rahmenbedingungen einer Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> den besten Gründen,<br />

die Diskursregeln 461 , vollständig verwirkli<strong>ch</strong>t 462 . Der ideale Diskurs ist dadur<strong>ch</strong><br />

zwangsläufig ein reines Gedankenexperiment, das in <strong>der</strong> Realität s<strong>ch</strong>on wegen <strong>der</strong><br />

zeitli<strong>ch</strong>en Unbegrenztheit ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong>führbar ist. Selbst <strong>der</strong> innere Diskurs, wie er<br />

(monologis<strong>ch</strong>) im Kopf einer Person real geführt wird, kann das Ideal nur annäherungsweise<br />

verwirkli<strong>ch</strong>en 463 . Die Vorgehensweise entpri<strong>ch</strong>t in etwa <strong>der</strong>jenigen eines<br />

unparteiis<strong>ch</strong>en Ri<strong>ch</strong>ters, <strong>der</strong> versu<strong>ch</strong>t, si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>einan<strong>der</strong> in die Lage aller Beteiligten<br />

zu versetzen und für jede <strong>der</strong> Perspektiven Argumente zu finden 464 . Ein sol<strong>ch</strong>er innerer<br />

Diskurs des Ri<strong>ch</strong>ters ist mit erhebli<strong>ch</strong>en Unsi<strong>ch</strong>erheiten befra<strong>ch</strong>tet, gerade<br />

wenn es um die Antizipierung <strong>der</strong> wi<strong>der</strong>streitenden Argumente idealer Diskursteilnehmer<br />

geht. Es liegt darum nahe, die von <strong>der</strong> geri<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Ents<strong>ch</strong>eidung Betroffe-<br />

460 R. Alexy, Probleme <strong>der</strong> Diskurstheorie (1989), S. 113; <strong>der</strong>s., Theorie <strong>der</strong> juristis<strong>ch</strong>en Argumentation<br />

(1991), S. 412; ähli<strong>ch</strong> <strong>der</strong>s., Idee und Struktur eines vernünftigen Re<strong>ch</strong>tssystems (1991), S. 35.<br />

461 Dazu unten S. 222 ff. (Diskursregeln).<br />

462 Zum folgenden siehe R. Alexy, Probleme <strong>der</strong> Diskurstheorie (1989), S. 109 ff., 114 ff.<br />

463 Vgl. R. Alexy, Theorie <strong>der</strong> juristis<strong>ch</strong>en Argumentation (1978), S. 224 mit Fn. 11: »Innere Diskurse<br />

sind Überlegungen einer Person, in denen die mögli<strong>ch</strong>en Gegenargumente geda<strong>ch</strong>ter Opponenten<br />

erwogen werden.« Der (reale) innere Diskurs ist vom (virtuellen) hypothetis<strong>ch</strong>en Diskurs zu<br />

unters<strong>ch</strong>eiden. Vgl. zu letzterem unten S. 312 ff. (unmittelbare Begründung von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen<br />

als 'diskursiv notwendig').<br />

464 Zu weitgehend U. Neumann, Zur Interpretation des forensis<strong>ch</strong>en Diskurses (1996), S. 417 f., <strong>der</strong><br />

den 'forensis<strong>ch</strong>en Disput', so wie er heute geführt wird, insgesamt als monologis<strong>ch</strong> ansehen will<br />

und die Prozeßparteien auf die Rolle von Informationsquellen reduziert, »s<strong>ch</strong>limmstenfalls die<br />

von Störfaktoren, die das Ziel <strong>der</strong> Erarbeitung <strong>der</strong> 'ri<strong>ch</strong>tigen' Ents<strong>ch</strong>eidung gefährden.«<br />

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