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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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gen ni<strong>ch</strong>t auss<strong>ch</strong>ließen, geraten aber zwangsläufig in die Unbestimmbarkeit, wenn<br />

sie sie zulassen 101 .<br />

III. Zur Kritik an D.P. Gauthiers Moral dur<strong>ch</strong> Vereinbarung<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Darstellung von Gauthiers <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie ist bereits deutli<strong>ch</strong><br />

geworden, daß die Lockes<strong>ch</strong>e Provisio als ein moralis<strong>ch</strong>es Element eingesetzt wird,<br />

das mit den Grundlagen <strong>der</strong> Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien ni<strong>ch</strong>t vereinbar ist 102 . Gauthier<br />

versu<strong>ch</strong>t eine rationalistis<strong>ch</strong>e Begründung für etwas, das es innerhalb des Rationalitätsrahmens<br />

<strong>der</strong> individuellen Nutzenmaximierung gerade ni<strong>ch</strong>t geben kann: den<br />

normativen S<strong>ch</strong>utz gegen Drohung und Gewalt 103 . Die Begründung von Moral läßt<br />

si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t (moralfrei) auf eine rationalistis<strong>ch</strong>e Vereinbarung unter egoistis<strong>ch</strong>en Nutzenmaximierern<br />

zurückführen. Die Gegenüberstellung von Gauthiers Modell mit<br />

Drohspieltheorien, wie sie von Braithwaite und Bu<strong>ch</strong>anan vertreten werden, hat gezeigt,<br />

daß au<strong>ch</strong> mit einem transzendentalen Argument die moralfreie Begründung<br />

von Moralität ni<strong>ch</strong>t gelingen kann: Die Gewaltfreiheit ist ni<strong>ch</strong>t eine denknotwendige<br />

Voraussetzung für rationalistis<strong>ch</strong>e Vereinbarungen, son<strong>der</strong>n steht im Gegenteil einem<br />

freien S<strong>ch</strong>lagabtaus<strong>ch</strong> <strong>der</strong> unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Verhandlungsvorteile entgegen.<br />

Insoweit hat Hobbes mit seinem gewaltgeneigten Naturzustand ein konsequentes und<br />

na<strong>ch</strong> wie vor zutreffendes Bild für die Interaktion zwis<strong>ch</strong>en egoistis<strong>ch</strong>en Nutzenmaximierern<br />

gezei<strong>ch</strong>net, das au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> neohobbesianis<strong>ch</strong>e Ents<strong>ch</strong>eidungstheorien<br />

ni<strong>ch</strong>t überwunden werden kann. Gauthiers Projekt einer Begründung von Moral<br />

dur<strong>ch</strong> Vereinbarung ist in diesem Punkt ges<strong>ch</strong>eitert.<br />

IV. Zur Kritik an O. Höffes transzendentalem Taus<strong>ch</strong><br />

Das faszinierende Programm <strong>der</strong> Theorie Höffes besteht darin, politis<strong>ch</strong>e <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />

insgesamt auf ein einziges, relativ unbestrittenes Prinzip zurückzuführen – das<br />

<strong>der</strong> Taus<strong>ch</strong>gere<strong>ch</strong>tigkeit. Der Taus<strong>ch</strong> ist deshalb im hobbesianis<strong>ch</strong>en Sinne gere<strong>ch</strong>t,<br />

weil er für beide Seiten vorteilhaft ist. Um zu taus<strong>ch</strong>en muß man si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zu einer<br />

beson<strong>der</strong>en 'Taus<strong>ch</strong>moral' bekennen, son<strong>der</strong>n kann einfa<strong>ch</strong> den Gesetzen <strong>der</strong> Klugheit<br />

folgen und den individuellen Vorteil su<strong>ch</strong>en. Allerdings kann Höffes Herleitung<br />

politis<strong>ch</strong>er <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> allein aus klugem Taus<strong>ch</strong>verhalten in mindestens drei<br />

Punkten ni<strong>ch</strong>t überzeugen 104 .<br />

101 Ähnli<strong>ch</strong> P. Koller, Neue <strong>Theorien</strong> des Sozialkontrakts (1987), S. 225: Bu<strong>ch</strong>anans Theorie sei unbestimmt<br />

im gesamten Spektrum zwis<strong>ch</strong>en Sklaverei und Wohlfahrtsstaatli<strong>ch</strong>keit.<br />

102 Vgl. oben S. 191 (Moralis<strong>ch</strong>er Gehalt <strong>der</strong> Theorie Gauthiers).<br />

103 Zur Unmögli<strong>ch</strong>keit des normativen S<strong>ch</strong>utzes gegen Drohung soeben S. 279 (Kritik des neohobbesianis<strong>ch</strong>en<br />

Nutzenkalküls).<br />

104 Weitere Kritikpunkte, auf die hier ni<strong>ch</strong>t näher eingegangen werden kann, finden si<strong>ch</strong> bei P. Koller,<br />

Otfried Höffes Begründung <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te und des Staates (1997), S. 301 ff. – Ein Re<strong>ch</strong>tsbegriff,<br />

<strong>der</strong> öffentli<strong>ch</strong>e und monopolisierte Zwangsgewalt voraussetze, sei zu stark, weil ethnologis<strong>ch</strong>e<br />

Verglei<strong>ch</strong>e zeigten, daß re<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Ordnung au<strong>ch</strong> in ni<strong>ch</strong>tzentralsierten 'segmentären Gesells<strong>ch</strong>aften'<br />

mögli<strong>ch</strong> sei. Der Staatsbegriff sei hingegen zu weit, als daß er den neuzeitli<strong>ch</strong>en Sinn<br />

erfassen könnte.<br />

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