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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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net also die Situation, in <strong>der</strong> P und T ständig gegeneinan<strong>der</strong> anspielen (Drohspielbedingung).<br />

Nun ist aber Pianist P empfindli<strong>ch</strong>er gegenüber dem glei<strong>ch</strong>zeitigen<br />

Spielen. Die gegenseitige Drohung belastet P folgli<strong>ch</strong> stärker als T. Entspre<strong>ch</strong>end<br />

hat P einen größeren Nutzen von je<strong>der</strong> wie au<strong>ch</strong> immer gearteten Kooperation. Relativ<br />

zum dur<strong>ch</strong> Drohung gekennzei<strong>ch</strong>neten Ni<strong>ch</strong>teinigungspunkt muß eine Glei<strong>ch</strong>verteilung<br />

<strong>der</strong> Nutzengewinne also in einer Unglei<strong>ch</strong>verteilung <strong>der</strong> Spielzeiten resultieren.<br />

Ohne daß es hier auf eine genaue Beispielre<strong>ch</strong>nung ankäme 226 , wäre P soviel<br />

weniger Spielzeit als T einzuräumen, daß beide den glei<strong>ch</strong>en Nutzengewinn aus <strong>der</strong><br />

Gesamtkooperation ziehen. Gere<strong>ch</strong>t ist dana<strong>ch</strong> das Ergebnis, das deshalb Ausdruck<br />

einer rationalen Ents<strong>ch</strong>eidung ist, weil es den relativ zu einer Grundposition gegenseitiger<br />

S<strong>ch</strong>ädigungsdrohung (Drohspielbedingung) entstehenden Nutzengewinn<br />

glei<strong>ch</strong>mäßig auf die Parteien verteilt.<br />

2. Theorie <strong>der</strong> öffentli<strong>ch</strong>en Wahl (J.M. Bu<strong>ch</strong>anan)<br />

a) Das Ideal einer geordneten Anar<strong>ch</strong>ie<br />

Bu<strong>ch</strong>anan gilt als einer <strong>der</strong> ersten Theoretiker, <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>e Ents<strong>ch</strong>eidungsfindung<br />

na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> neueren ökonomis<strong>ch</strong>en Theorie modelliert hat 227 . Die von ihm gemeinsam<br />

mit Tullock begründete Theorie <strong>der</strong> öffentli<strong>ch</strong>en Wahl (public <strong>ch</strong>oice theory 228 ) fragt dana<strong>ch</strong>,<br />

wel<strong>ch</strong>e politis<strong>ch</strong>e Ordnung entstehen müßte, wenn die Beteiligten in einer Art<br />

Marktordnung <strong>der</strong> Sozialmodelle auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> ihrem Eigeninteresse folgten 229 . Als<br />

Antwort präsentiert Bu<strong>ch</strong>anan eine Sozialvertragstheorie, in <strong>der</strong> ein Szenario maximaler<br />

Drohung zur Grundlage gema<strong>ch</strong>t wird 230 . Die stark am Effizienzdenken orientierte<br />

<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie kann im Spektrum <strong>der</strong> Sozialvertragstheorien als ökonomis<strong>ch</strong>e<br />

Konzeption bezei<strong>ch</strong>net werden. Sie geht davon aus, daß <strong>der</strong> ideale Sozialzustand<br />

in einer 'geordneten Anar<strong>ch</strong>ie' bestünde 231 . In <strong>der</strong> ungeordneten Anar<strong>ch</strong>ie als einem<br />

Zustand unbes<strong>ch</strong>ränkter Handlungsfreiheiten ergibt si<strong>ch</strong> die natürli<strong>ch</strong>e Güterverteilung<br />

daraus, daß si<strong>ch</strong> Grenznutzen und Grenzkosten für zusätzli<strong>ch</strong>en Aufwand die<br />

Waage halten. Diese natürli<strong>ch</strong>e Verteilung ist aber wegen <strong>der</strong> hohen Verteidigungskosten<br />

auf einem niedrigen Niveau angesiedelt. Denn im Naturzustand fehle es an<br />

226 Dazu R.B. Braithwaite, Theory of Games as a Tool for the Moral Philosopher (1955), S. 26 ff.<br />

227 Diese beson<strong>der</strong>e Bedeutung zeigt si<strong>ch</strong> darin, daß Bu<strong>ch</strong>anan im Jahre 1986 mit dem Nobelpreis für<br />

Ökonomie ausgezei<strong>ch</strong>net wurden; vgl. Königli<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>wedis<strong>ch</strong>e Akademie <strong>der</strong> Wissens<strong>ch</strong>aften,<br />

Bank of Sweden Prize in Economic Sciences in Memory of Alfred Nobel, 1995, Pressemitteilung<br />

vom 16. Oktober 1986: James McGill Bu<strong>ch</strong>anan (Virginia, USA) »for his development of the contractual<br />

and constitutional bases for the theory of economic and political decision-making.«<br />

228 J.M. Bu<strong>ch</strong>anan/G. Tullock, The Calculus of Consent (1962); G.J. Stigler, The Citizen and the State<br />

(1975); J.M. Bu<strong>ch</strong>anan, Limits of Liberty (1975). Die Theorie wird heute überwiegend dur<strong>ch</strong> Beiträge<br />

in <strong>der</strong> Zeits<strong>ch</strong>rift 'Public Choice' vorangetrieben.<br />

229 Vgl. B. Ackerman, We The People (1991), S. 308 ff. (311) – Charakterisierung und Kritik <strong>der</strong> public<br />

<strong>ch</strong>oice theory; C. Kir<strong>ch</strong>ner, Ökonomis<strong>ch</strong>e Theorie des Re<strong>ch</strong>ts (1997), S. 23 ff. – public <strong>ch</strong>oice als »Ökonomis<strong>ch</strong>e<br />

Theorie <strong>der</strong> Verfassung«.<br />

230 J.M. Bu<strong>ch</strong>anan, Limits of Liberty (1975), S. 60 ff.<br />

231 Zum Idealzustand einer 'geordneten Anar<strong>ch</strong>ie' und seiner Unmögli<strong>ch</strong>keit siehe J.M. Bu<strong>ch</strong>anan,<br />

Limits of Liberty (1975), S. 189.<br />

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