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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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nitaristis<strong>ch</strong>e Ideale Vorrang genießen müßten, weil nur sie ein erfülltes Leben in <strong>der</strong><br />

Gemeins<strong>ch</strong>aft ermögli<strong>ch</strong>ten, das letztli<strong>ch</strong> im Interesse aller liege 42 . Ein sol<strong>ch</strong>es Argument<br />

führt aber aus <strong>der</strong> materialen Konzeption des Guten, wie sie für die aristotelis<strong>ch</strong>e<br />

Tradition typis<strong>ch</strong> ist, hinaus. Denn das Argument re<strong>ch</strong>tfertigt die Konzeption<br />

des Guten dur<strong>ch</strong> einen Verweis auf Interessen. Das wie<strong>der</strong>um ist <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong> für<br />

<strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> hobbesianis<strong>ch</strong>en Tradition. Somit läßt si<strong>ch</strong> festhalten: Das substantielle<br />

Bekenntnis zu einer Konzeption des Guten, das für die <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> aristotelis<strong>ch</strong>en<br />

Tradition <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong> ist, s<strong>ch</strong>ließt eine rationale Begründung aus. Wird eine Begründung<br />

<strong>der</strong> für ri<strong>ch</strong>tig gehaltenen Werte versu<strong>ch</strong>t, so muß sie, um au<strong>ch</strong> jenseits<br />

des Bekenntnisses einer homogenen Gruppe gültig und in diesem Sinne rational zu<br />

sein, auf Kriterien außerhalb <strong>der</strong> Konzeption des Guten verweisen und verliert dadur<strong>ch</strong><br />

ihren aristotelis<strong>ch</strong>en Charakter. Daß jenseits <strong>der</strong> aristotelis<strong>ch</strong>en <strong>Theorien</strong> Begründungspotentiale<br />

in prozeduralen <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien ers<strong>ch</strong>lossen werden<br />

können, wird si<strong>ch</strong> im letzten Teil <strong>der</strong> Untersu<strong>ch</strong>ung erweisen 43 .<br />

II.<br />

Zur Kritik des Kommunitarismus<br />

Abgesehen davon, daß <strong>der</strong> Kommunitarismus zumindest teilweise auf eine Begründung<br />

seiner <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>skonzeption verzi<strong>ch</strong>tet 44 , birgt er die Gefahr <strong>der</strong> Intoleranz<br />

gegenüber Außenseitern. Indem ein partikularistis<strong>ch</strong>er und kontextualistis<strong>ch</strong>er Traditionalismus<br />

gepflegt wird, abstrahiert <strong>der</strong> Kommunitarismus von Beson<strong>der</strong>heiten<br />

des Individuums. Wer si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Tradition einfügt, kann so einen besseren S<strong>ch</strong>utz als<br />

diejenigen genießen, die si<strong>ch</strong> den Gemeins<strong>ch</strong>aftswerten weniger verbunden fühlen.<br />

Dem halten die Kommunitaristen entgegen, daß aus ihrer Si<strong>ch</strong>t eine Ignoranz gegenüber<br />

Traditionen, wie sie de facto dur<strong>ch</strong> den liberalen Individualismus bewirkt<br />

werde, glei<strong>ch</strong>falls eine Form <strong>der</strong> Intoleranz darstelle. Das ist die These von <strong>der</strong> unauswei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Wertbezogenheit politis<strong>ch</strong>er Ordnung, na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> jede Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />

notwendig wertbezogen ist und damit an<strong>der</strong>e Werte verdrängt. Au<strong>ch</strong> prozedurale<br />

<strong>Theorien</strong>, die verbindende Werte einer Traditionsgemeins<strong>ch</strong>aft ausblendeten, träfen<br />

allein mit dieser Festlegung eine substantielle Ents<strong>ch</strong>eidung über das gute Leben 45 .<br />

Dem kann mit Cohen erstens entgegnet werden, daß prozedurale <strong>Theorien</strong> nur eine<br />

vorgängige Bes<strong>ch</strong>ränkung <strong>der</strong> Ordnungsmodelle auf wertkonforme Lösungen ablehnen,<br />

ni<strong>ch</strong>t aber die Berücksi<strong>ch</strong>tigung tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> vorhandener o<strong>der</strong> potentiell nützli<strong>ch</strong>er<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aftsbildung dur<strong>ch</strong> Werte 46 . Denn au<strong>ch</strong> bei einer wertneutralen Ents<strong>ch</strong>eidung<br />

über Fragen des ri<strong>ch</strong>tigen Handelns in <strong>der</strong> Gemeins<strong>ch</strong>aft (d.h. über Ge-<br />

42 Dazu oben S. 157 ff. (Kommunitarismus, insbeson<strong>der</strong>e Sandel).<br />

43 Dazu unten S. 309 ff. (Grundzüge einer Diskurstheorie <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>).<br />

44 Dazu oben S. 167 (Ergebnis zu den <strong>Theorien</strong> <strong>der</strong> aristotelis<strong>ch</strong>en Grundposition).<br />

45 Dieser Einwand wird im anglo-amerikanis<strong>ch</strong>en als objection of sectarianism bezei<strong>ch</strong>net; siehe J. Cohen,<br />

Deliberation and Democratic Legitimacy (1989), S. 27.<br />

46 J. Cohen, Deliberation and Democratic Legitimacy (1989), S. 27: »A political conception is objectionably<br />

sectarian only if its justification depends on a particular view of the human good, and not<br />

simply because its stability is contingent on widespread agreement on the value of certain activities<br />

and aspirations. For this reason the democratic conception is not sectarian.«<br />

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