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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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weitgehende Übereinstimmung dahingehend besteht, die Demokratie als 'ri<strong>ch</strong>tige'<br />

Regierungsform anzusehen 201 . Eine Begründung bleibt vielmehr s<strong>ch</strong>on deshalb erfor<strong>der</strong>li<strong>ch</strong>,<br />

weil die gegenwärtige Einigkeit in <strong>der</strong> Zukunft wie<strong>der</strong> in Frage gestellt<br />

werden könnte 202 . Außerdem gibt es na<strong>ch</strong> wie vor kommunistis<strong>ch</strong>e, autoritäre und<br />

religiös-fundamentalistis<strong>ch</strong>e Staaten, denen gegenüber Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te und Demokratie<br />

<strong>der</strong> Begründung bedürfen. Daß die festgestellte Begründungslücke hier<br />

S<strong>ch</strong>wierigkeiten aufwirft, soll im folgenden kurz illustriert werden.<br />

c) Zur Illustration <strong>der</strong> Begründungslücke: Können China, Singapur und <strong>der</strong> Iran<br />

na<strong>ch</strong> Habermas Begründung gere<strong>ch</strong>t sein?<br />

Die beson<strong>der</strong>e Begründungsbedürftigkeit des Übergangs vom Diskursprinzip zu realen<br />

Re<strong>ch</strong>ten wird deutli<strong>ch</strong>, wenn man die Theorie von Habermas mit den <strong>der</strong>zeitigen<br />

Sozialordnungen in China, Singapur und im Iran konfrontiert. S<strong>ch</strong>on das erste <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprinzip<br />

und Grundre<strong>ch</strong>t, na<strong>ch</strong> dem das umfassendste System glei<strong>ch</strong>er<br />

subjektiver Handlungsfreiheiten gefor<strong>der</strong>t ist, wird in diesen Ordnungen ni<strong>ch</strong>t erfüllt.<br />

Sie sind deshalb na<strong>ch</strong> Habermas (wie übrigens au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Rawls 203 und Alexy 204<br />

sowie na<strong>ch</strong> den meisten <strong>Theorien</strong> universeller Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te 205 ) im Ergebnis illegitim<br />

und ungere<strong>ch</strong>t. Denkt man si<strong>ch</strong> jeweils einen Regierungsvertreter dieser Staaten<br />

als habermass<strong>ch</strong>en Diskurstheoretiker, so wird deutli<strong>ch</strong>, wel<strong>ch</strong>e Auswirkungen die<br />

Begründungslücke in Habermas Theorie auf <strong>der</strong>en Leistungsfähigkeit hat. Bei diesen<br />

Beispielen kann dahingestellt bleiben, ob die Charakterisierung <strong>der</strong> Staaten empiris<strong>ch</strong><br />

wahr ist. Es soll ledigli<strong>ch</strong> illustriert werden, inwieweit real mögli<strong>ch</strong>e und über<br />

längere Zeiträume stabile Sozialordnungen, die ni<strong>ch</strong>t dem Typus westli<strong>ch</strong>er Demoglei<strong>ch</strong><br />

stellt si<strong>ch</strong> die Frage, ob den diskursiv zu begründenden einzelnen Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>ten ni<strong>ch</strong>t<br />

ein in die Diskursethik strukturell eingebautes Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>t zugrunde liegt, das seinerseits<br />

eben ni<strong>ch</strong>t Inhalt praktis<strong>ch</strong>er Diskurse, son<strong>der</strong>n Voraussetzung für ihr Zustandekommen und ihren<br />

Vollzug ist, mithin zu den Präsuppositionen und Prozeduren des Diskurses gehört. Es ist dies<br />

das Re<strong>ch</strong>t, an Diskursen teilzunehmen. [Es] läßt si<strong>ch</strong> diskursethis<strong>ch</strong> als das fundamentale Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>t<br />

begreifen.« Arens beruft si<strong>ch</strong> zur Begründung allein auf die Diskursregel <strong>der</strong> universellen<br />

Teilnahme und übersieht dabei, daß die Regeln des Diskurses ni<strong>ch</strong>t ohne weitere Begründung<br />

als reale Regeln im Handeln anzusehen sind. An<strong>der</strong>nfalls wären no<strong>ch</strong> eine ganze Reihe<br />

an<strong>der</strong>er Re<strong>ch</strong>te unmittelbar begründet: die Glei<strong>ch</strong>heit, die (Herrs<strong>ch</strong>afts-)Freiheit, Meinungsäußerungsfreiheit<br />

u.v.m. Entspre<strong>ch</strong>enden Bedenken begegnen Ausführungen bei E. Weiß, Diskurstheoretis<strong>ch</strong>e<br />

Aspekte zur Demokratietheorie (1998), S. 80 f., sowie das apodiktis<strong>ch</strong>e Ergebnis bei<br />

R. Hoffmann, Verfahrensgere<strong>ch</strong>tigkeit (1992), S. 248: »Der Diskurs wird somit zur zentralen For<strong>der</strong>ung<br />

prozeduraler <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>.«<br />

201 In Ri<strong>ch</strong>tung einer Abwertung <strong>der</strong> Begründungsbedürftigkeit hingegen A. Cortina, Diskursethik<br />

und partizipatoris<strong>ch</strong>e Demokratie (1993), S. 239: »Das wi<strong>ch</strong>tigste Problem hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Demokratie<br />

ist also heute ni<strong>ch</strong>t mehr das ihrer ethis<strong>ch</strong>en Begründung. Es besteht vielmehr darin, eine<br />

Antwort auf folgende Frage zu finden: Was ist o<strong>der</strong> was bedeutet Demokratie heute, und wel<strong>ch</strong>e Modelle<br />

<strong>der</strong> Demokratie sind moralis<strong>ch</strong> erstrebenswert und te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>führbar.« (Hervorhebung bei<br />

Cortina).<br />

202 Dazu unten S. 318 (universeller Geltungsanspru<strong>ch</strong> und Begründungsbedürftigkeit).<br />

203 Vgl. die Rawlss<strong>ch</strong>en <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sprinzipien oben S. 203 (N 1 , N 2 ) und S. 209 (N 1 ', N 2 ').<br />

204 Vgl. dessen Herleitung <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te oben S. 250 ff.<br />

205 Vgl. unten S. 318 ff. (universeller Geltungsberei<strong>ch</strong> von Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>tsnormen).<br />

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