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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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gleitung fand eine umfangrei<strong>ch</strong>e empiris<strong>ch</strong>e Verfassungsverglei<strong>ch</strong>ung statt (Diskursideal<br />

<strong>der</strong> vollkommenen Informiertheit). Zusätzli<strong>ch</strong> wurde die Verfassunggebung<br />

erstmalig dur<strong>ch</strong> einen öffentli<strong>ch</strong>en Mitwirkungsprozeß begleitet (Diskursideale <strong>der</strong><br />

unbegrenzten Teilnehmers<strong>ch</strong>aft und vollkommenen Zwanglosigkeit). Es wurde also<br />

alles getan, was na<strong>ch</strong> den Umständen angemessen war, um eine weitgehende Annäherungen<br />

an einen Diskurs unter idealen Bedingungen zu errei<strong>ch</strong>en. Im Ergebnis<br />

sind die Normen <strong>der</strong> resultierenden Verfassung – notwendige, wie die Abs<strong>ch</strong>affung<br />

des Apartheidsregimes, ebenso wie optionale, etwa die eigentumsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Bestimmungen,<br />

die Konkretisierung <strong>der</strong> Freiheitsre<strong>ch</strong>te und die demokratis<strong>ch</strong>en Institutionen<br />

– gere<strong>ch</strong>t, weil sie si<strong>ch</strong> erstens dank <strong>der</strong> Verfahrensweise im <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>srahmen<br />

<strong>der</strong> vorpositiven Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>ts- und Demokratiegebote halten (unvollkommene<br />

prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>) und sie zweitens innerhalb dieses Rahmens<br />

dur<strong>ch</strong> ein na<strong>ch</strong> den Umständen als fair begründetes Verfahren (den realen Verfassungsdiskurs)<br />

unter den mögli<strong>ch</strong>en Gestaltungsformen ausgewählt wurden (quasireine<br />

prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>).<br />

Der praktis<strong>ch</strong>e Wert <strong>der</strong> Diskurstheorie als Theorie <strong>der</strong> Verfassunggebung zeigt<br />

si<strong>ch</strong> dort, wo sie als Grundlage für Kritik herangezogen werden kann. Bezogen auf<br />

China wurde bereits darauf hingewiesen, daß eine weitgehende Eins<strong>ch</strong>ränkung von<br />

Privateigentum im Rahmen <strong>der</strong> unmittelbaren Begründung von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen<br />

no<strong>ch</strong> keinen Grund bietet, die Sozialordnung insoweit als ungere<strong>ch</strong>t zu qualifizieren.<br />

Bei <strong>der</strong> mittelbaren Begründung von <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen ergeben si<strong>ch</strong> nunmehr<br />

weitergehende Ansätze für Kritik. Die Eigentumsregelungen einer Verfassungsordnung<br />

sind genau dann gere<strong>ch</strong>t, wenn es mögli<strong>ch</strong> ist, daß sie Ergebnis eines<br />

realen Verfassungsdiskurses sein könnten. Wenn dagegen gezeigt werden kann, daß<br />

<strong>der</strong> konkrete Verfassunggebungsprozeß ni<strong>ch</strong>t in einem realen Diskurs bestand, weil<br />

er si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t so weit, wie na<strong>ch</strong> den Umständen angemessen, an <strong>der</strong> regulativen Idee<br />

eines Diskurses unter idealen Bedingungen orientiert hat 158 , und wenn außerdem Indizien<br />

dafür vorliegen, daß die sozialistis<strong>ch</strong>e Eigentumsordnung unter den Bedingungen<br />

eines realen Diskurses keine Bestätigung hätte finden können, dann sind<br />

dies gültige Gründe gegen die <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> <strong>der</strong> real existierenden Verfassungsordnung<br />

Chinas 159 .<br />

c) Die Verfassungsän<strong>der</strong>ung als realer Diskurs<br />

Versteht man die Verfassungsän<strong>der</strong>ung als realen Diskurs, so bleibt au<strong>ch</strong> sie inhaltli<strong>ch</strong><br />

auf alle <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>snormen festgelegt, die unmittelbar als diskurstheoretis<strong>ch</strong><br />

und diskursiv notwendig begründet werden können (Grundre<strong>ch</strong>te auf Glei<strong>ch</strong>heit,<br />

optimierte Freiheiten und Demokratie) 160 . Prozedural betra<strong>ch</strong>tet ist die Tätigkeit des<br />

verfassungsän<strong>der</strong>nden Gesetzgebers (glei<strong>ch</strong> <strong>der</strong> des Verfassunggebers) ein Verfahren,<br />

in dem unvollkommene und quasi-reine prozedurale <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> verwirkli<strong>ch</strong>t<br />

werden. Au<strong>ch</strong> beim Verfassungsän<strong>der</strong>ungsverfahren müssen alle Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

158 Dazu oben S. 218 (D Dr ).<br />

159 Vgl. die frühe Legitimitätskritik im vorrevolutionären Frankrei<strong>ch</strong>: E.J. Sieyes, Was ist <strong>der</strong> Dritte<br />

Stand? (1789), Kapitel II (Illegitimität mangels Beteiligung des 'Dritten Standes') und V (Verfassunggebungsre<strong>ch</strong>t<br />

<strong>der</strong> 'Nation'; Nationalversammlung als Repräsentationsorgan).<br />

160 Dazu oben S. 328 ff. (diskursiv notwendige Freiheiten).<br />

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