Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch
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wenn ihre Prämissen wi<strong>der</strong>legt werden könnten 20 . Ein relativer Ri<strong>ch</strong>tigkeitsanspru<strong>ch</strong><br />
kann indes genügen, solange si<strong>ch</strong>ergestellt ist, daß die Prämissen s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong><br />
genug gewählt sind, um eine Begründung jetzt und in absehbarer Zukunft zu tragen.<br />
S<strong>ch</strong>on eine 'Jetztbegründung' <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> für die allgemeinste Lebensform<br />
(und Spra<strong>ch</strong>konvention 21 ) <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>en, wie sie in <strong>der</strong> Gegenwart gepflegt wird,<br />
kann eine befriedigende Antwort auf die Frage na<strong>ch</strong> dem ri<strong>ch</strong>tigen Handeln und<br />
dem ri<strong>ch</strong>tigen Re<strong>ch</strong>t geben. Wer außerdem no<strong>ch</strong> Letztbegründung bieten will, versu<strong>ch</strong>t<br />
mehr zu leisten, als von einer <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie erwartet werden muß 22 .<br />
Im Ergebnis geht <strong>der</strong> gere<strong>ch</strong>tigkeitsskeptis<strong>ch</strong>e Einwand des Mün<strong>ch</strong>hausen-Trilemmas<br />
also ins Leere. Er kann zwar einer Letztbegründung entgegengehalten werden.<br />
Do<strong>ch</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien sind auf sol<strong>ch</strong>e Letztbegründung ni<strong>ch</strong>t angewiesen.<br />
Ein Abbru<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Begründung ist keinesfalls immer unakzeptabel 23 . Bereits mit<br />
<strong>der</strong> Rückführung auf s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e Prämissen ist ein erhebli<strong>ch</strong>er Gewinn an Rationalität<br />
verbunden – jedenfalls vergli<strong>ch</strong>en mit einem völligen Begründungsverzi<strong>ch</strong>t (<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sskeptizismus).<br />
S<strong>ch</strong>on wenn gezeigt wird, daß eine normative Aussage mehr<br />
o<strong>der</strong> weniger gut begründet sein kann 24 , ist <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sskeptizismus <strong>der</strong><br />
nietzs<strong>ch</strong>eanis<strong>ch</strong>en Grundposition wi<strong>der</strong>legt.<br />
20 Vgl. K.R. Popper, Logik <strong>der</strong> Fors<strong>ch</strong>ung (1989), S. 26 – Falsifizierbarkeit als Kriterium <strong>der</strong> Wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>keit.<br />
Man kann es geradezu als Merkmal wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Lauterkeit begreifen, wenn<br />
<strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorien die Prämissen, unter denen ihre Ergebnisse gelten, deutli<strong>ch</strong> ausweisen.<br />
Ni<strong>ch</strong>t zuzustimmen ist allerdings Poppers Setzung, daß es Falsifizierbarkeit nur bei empiris<strong>ch</strong>en<br />
Satzsystemen und Falsifikation nur bezügli<strong>ch</strong> (empiris<strong>ch</strong>er) Basissätze geben könne; K.R. Popper,<br />
Logik <strong>der</strong> Fors<strong>ch</strong>ung (1989), S. 54 f. Im Gegensatz dazu wird hier als Falsifikation jede Wi<strong>der</strong>legung<br />
eines notwendigen Begründungselementes einer Theorie angesehen, glei<strong>ch</strong> ob das Element ein<br />
empiris<strong>ch</strong>er, analytis<strong>ch</strong>er o<strong>der</strong> normativer Satz ist und glei<strong>ch</strong> ob die Wi<strong>der</strong>legung dur<strong>ch</strong> Tatsa<strong>ch</strong>enermittlung<br />
o<strong>der</strong> dur<strong>ch</strong> an<strong>der</strong>e Entkräftung, etwa in einem realen praktis<strong>ch</strong>en Diskurs, erfolgt.<br />
Erkennbarkeit und Ausweis sol<strong>ch</strong>er notwendigen Begründungselemente, gewissermaßen <strong>der</strong><br />
'Sollbru<strong>ch</strong>stellen' einer Theorie, dienen folgli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>keit einer <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>stheorie.<br />
Zur falsifikatoris<strong>ch</strong>en Methode in <strong>der</strong> politis<strong>ch</strong>en Philosophie U. Steinvorth, Glei<strong>ch</strong>e Freiheit<br />
(1999), S. 38 ff.<br />
21 Vgl. R. Alexy, Theorie <strong>der</strong> juristis<strong>ch</strong>en Argumentation (1978), S. 74 – Lebensform und Spra<strong>ch</strong>spiel.<br />
22 Der vieldiskutierten Mögli<strong>ch</strong>keit einer sol<strong>ch</strong>en Letztbegründung kann und muß hier ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>gegangen<br />
werden; vgl. zum Diskussionsstand K.-O. Apel, Diskurs und Verantwortung (1988),<br />
S. 271 ff.; W. Kuhlmann, Bemerkungen zum Problem <strong>der</strong> Letztbegründung (1993), S. 212 ff.; beide<br />
m.w.N.<br />
23 Vgl. die Parallele zu Kelsens Idee einer Grundnorm; H. Kelsen, Das Problem <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong><br />
(1960), S. 364: »Das Verfahren <strong>der</strong> normativen Geltungsbegründung führt aber notwendigerweise<br />
zu einem Endpunkt, zu einer allerhö<strong>ch</strong>sten, allgemeinsten, ni<strong>ch</strong>t weiter begründbaren Norm, zu<br />
<strong>der</strong> sogenannten Grundnorm, <strong>der</strong>en objektive Geltung vorausgesetzt wird, wenn das Sollen, das<br />
<strong>der</strong> subjektive Sinn irgendwel<strong>ch</strong>er Akte ist, als <strong>der</strong>en objektiver Sinn legitimiert wird. Wäre dem<br />
an<strong>der</strong>s, wäre das Verfahren <strong>der</strong> normativen Geltungsbegründung so wie das Verfahren <strong>der</strong> kausalen<br />
Erklärung, das, dem Begriff <strong>der</strong> Kausalität gemäß, zu keinem Ende, zu keiner letzten Ursa<strong>ch</strong>e<br />
führen kann, endlos, bliebe die Frage, wie wir handeln sollen, unbeantwortbar.«<br />
24 So das vorsi<strong>ch</strong>tige Fazit bei R. Dreier, Re<strong>ch</strong>t und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1991), S. 126: »unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e<br />
Grade <strong>der</strong> Relativität von Werturteilen«.<br />
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