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Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit - servat.unibe.ch

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verstehen wollen, ist die Verteilungsgere<strong>ch</strong>tigkeit begriffsnotwendig mit dem Glei<strong>ch</strong>heitsprinzip<br />

verknüpft 80 . Dur<strong>ch</strong> diesen Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en Verteilung und<br />

Glei<strong>ch</strong>heit trägt die zentrale Stellung <strong>der</strong> Verteilungsgere<strong>ch</strong>tigkeit mit dazu bei, daß<br />

<strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriff ohne einen Aspekt <strong>der</strong> Glei<strong>ch</strong>heit kaum mehr geda<strong>ch</strong>t werden<br />

kann.<br />

c) Zum normalspra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriff<br />

Als Prüfstein einer <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sdefinition empfiehlt si<strong>ch</strong> unter an<strong>der</strong>em <strong>der</strong> allgemeine<br />

Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong> 81 . Au<strong>ch</strong> die normale Spra<strong>ch</strong>e (ordinary language) verbindet<br />

mit den Prädikaten 'gere<strong>ch</strong>t' und 'ungere<strong>ch</strong>t' stets einen Gesi<strong>ch</strong>tspunkt <strong>der</strong> Glei<strong>ch</strong>heit<br />

82 . Wer seine Angestellten glei<strong>ch</strong>mäßig s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t behandelt und bezahlt ist zwar<br />

ein 's<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter Chef'; zum 'ungere<strong>ch</strong>ten Chef' wird aber erst <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> sie außerdem<br />

(grundlos) unglei<strong>ch</strong> behandelt o<strong>der</strong> bezahlt (Verteilungsgere<strong>ch</strong>tigkeit). Man<br />

könnte allerdings die 'Ungere<strong>ch</strong>tigkeit' in dem Mißverhältnis zwis<strong>ch</strong>en aufgewandter<br />

Mühe und erzieltem Lohn sehen. Do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> dann s<strong>ch</strong>wingt ein Glei<strong>ch</strong>heitsbezug<br />

mit, nämli<strong>ch</strong> <strong>der</strong>jenige über das glei<strong>ch</strong>e Gewi<strong>ch</strong>t von Leistung und Gegenleistung<br />

(Ausglei<strong>ch</strong>sgere<strong>ch</strong>tigkeit) 83 .<br />

Was wir umgangsspra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> als Glei<strong>ch</strong>heitsbezug for<strong>der</strong>n, ist bei alledem sehr<br />

anspru<strong>ch</strong>slos. In den meisten Fällen genügt es, wenn das auf an<strong>der</strong>e bezogene Handeln<br />

irgendwie in seiner Regelhaftigkeit beurteilt wird. Wenn beispielsweise von drei<br />

Freunden, die beim Umzug geholfen haben, nur zwei zum Dank zu einer Feier eingeladen<br />

werden, dann ist dies 'ungere<strong>ch</strong>t', weil die drei untereinan<strong>der</strong> grundlos unglei<strong>ch</strong><br />

behandelt werden. Do<strong>ch</strong> selbst dann, wenn überhaupt keine Feier stattfindet,<br />

alle drei also insoweit glei<strong>ch</strong>gestellt sind, könnte sinnvoll von 'Ungere<strong>ch</strong>tigkeit' die<br />

Rede sein, dann nämli<strong>ch</strong>, wenn die Regelhaftigkeit, die den Glei<strong>ch</strong>heitsbezug begründet,<br />

in einem an<strong>der</strong>en Umstand liegt, z.B. dem, daß sonst konventionsgemäß<br />

80 Z.B. J.R. Lucas, Principles of Politics (1966), S. 242 und S. 258 f.: »Aristotle thought that all forms of<br />

Justice could be explicated in terms of Equality, but his account is confused and his analysis awkward.<br />

With social or 'distributive' justice, ... however, some consi<strong>der</strong>ations of Equality are involved.«<br />

81 Vgl. R. Dreier, Re<strong>ch</strong>t und <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1991), S. 97: »Leitfaden zur Ermittlung des <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriffs«;<br />

I. Tammelo, Theorie <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1977), S. 66: »Eine Definition gilt als intersubjektiv<br />

vertretbar, wenn <strong>der</strong> dur<strong>ch</strong> sie konstituierte Begriff mit dem übli<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong> des<br />

bezügli<strong>ch</strong>en Wortes in Einklang steht, ...«; M. Kriele, Kriterien <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> (1963), S. 39: »Die<br />

erste Frage ist also: Wie wird <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong> überhaupt verstanden?«; L. Wittgenstein,<br />

Philosophis<strong>ch</strong>e Untersu<strong>ch</strong>ungen I (1953), Nr. 116: »Wenn die Philosophen ein Wort gebrau<strong>ch</strong>en<br />

– 'Wissen', 'Sein', 'Gegenstand', 'I<strong>ch</strong>', 'Satz', 'Name' – und das Wesen des Dings zu erfassen<br />

tra<strong>ch</strong>ten, muß man si<strong>ch</strong> immer fragen: Wird denn dieses Wort in <strong>der</strong> Spra<strong>ch</strong>e, in <strong>der</strong> es seine<br />

Heimat hat, je tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> so gebrau<strong>ch</strong>t? – Wir führen die Wörter von ihrer metaphysis<strong>ch</strong>en wie<strong>der</strong><br />

auf ihre alltägli<strong>ch</strong>e Verwendung zurück.« (Hervorhebungen bei Wittgenstein).<br />

82 Vgl. H.L.A. Hart, Concept of Law (1961), S. 153 f.: »A man guilty of gross cruelty to his <strong>ch</strong>ild<br />

would often be judged to have done something morally wrong, bad, or even wicked or to have disregarded<br />

his moral obligation to his <strong>ch</strong>ild. But it would be strange to criticize his conduct as unjust.<br />

... 'Unjust' would become appropriate if the man had arbitrarily selected one of his <strong>ch</strong>ildren for<br />

severer punishment than those given the others guilty of the same fault« (Hervorhebung bei<br />

Hart).<br />

83 Vgl. dazu s<strong>ch</strong>on oben S. 56 (aristotelis<strong>ch</strong>er <strong>Gere<strong>ch</strong>tigkeit</strong>sbegriff).<br />

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