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Das Edictum Perpetuum / Otto Lenel

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<strong>Das</strong> Edikt als Ganzes<br />

Zweites Kapitel<br />

<strong>Das</strong> Edikt als Ganzes<br />

Ist das Edikt ein systematisches Ganzes, in dem Sinn, wie wir die<br />

modernen Privatrechtsgesetzbücher oder Zivilprozeßordnungen ein Ganzes<br />

nennen können? enthält das Edikt die vollständige Kodifikation eines bestimmten<br />

Rechtsteils? Rudorff hat es seiner Zeit/ ein „Reichszivilrecht",<br />

späterhin 2 eine „Reichszivilprozeßordnung" genannt.3 Es<br />

ist leicht einzusehen, daß beide Bezeichnungen nicht zutreffen. Ein seltsames<br />

Reichszivilrecht, in dem die sämtlichen zivilen Rechtsinstitute nur<br />

durch kurze Klagformeln figurierten, d. h. vorausgesetzt wären! Und nicht<br />

minder eine seltsame Reichszivilprozeßordnung! Es ist ja gewiß wahr, daß<br />

das Edikt mehr als eine Vorschrift enthält, die wir in unsere Prozeßordnungen<br />

zu setzen pflegen; ja wenn man die Aktionen rein von ihrer<br />

prozeßrechtlichen Seite als Rechte auf Gericht faßt und die mittelbare<br />

privatrechtliche Bedeutung der Aktionenverheißung außer Betracht läßt,<br />

so kann man sagen, das Edikt enthalte nur oder doch fast 4 nur Prozeßrecht.<br />

Aber wie weit würde diese prozeßrechtliche Kodifikation von dem<br />

entfernt sein, was wir Zivilprozeßordnung nennen! Man sehe sich beispielsweise<br />

die Titel unserer deutschen Reichszivilprozeßordnung an und<br />

frage sich, wieviel von den hier geregelten Materien im Edikt ebenfalls<br />

seine Regelung gefunden hat. <strong>Das</strong> Wie des Verfahrens vor dem iudex<br />

fehlt ganz und gar, es ist außerhalb des Edikts durch Gesetz und Gewohnheit<br />

geregelt. Aber auch das Verfahren in iure ist im Edikt nur gelegentlich<br />

in Nebenpunkten geordnet, z. B. hinsichtlich der Aktionenedition, des<br />

ius postulandi u. dgl. In der Hauptsache liegt auch dessen Ordnung in<br />

„teils vor teils über der prätorischen Jurisdiktion stehenden Satzungen".5<br />

Eine andere Hypothese hat Brinz 6 aufgestellt. Nach ihm soll das Edikt<br />

das Aktionenrecht enthalten haben, „in dem weitern Sinne, daß nicht<br />

allein actiones, sondern alle gangbaren Gattungen der Rechtshilfe, mithin<br />

alle die Fälle und Bedingungen proponiert wurden, in und unter welchen<br />

es zur Niedersetzung oder Abhaltung ordentlicher oder außerordentlicher<br />

Gerichte (iudicia, cognitiones) kommen, also ordentliche und außerordentliche<br />

actiones gewährt, Exekution gegen die Person oder in das Vermögen<br />

eingeräumt, zur Besitzergreifung von Erbschaften ermächtigt, mit der<br />

Auktorität von Interdikten eingeschritten, zu Kautionen durch Stipulatio-<br />

I RG I, 27of.<br />

2 ZRG 3, 22. 88.<br />

3 Auch Mommsen, Jahrb. d. gern. Rts. 2,<br />

320, bedient sich für das Edikt des Ausdrucks<br />

„Reichsprozeßordnung", während<br />

er es im Röm. Staatsrecht (3. Aufl.) Il, 221<br />

eine Kodifikation des Privatrechts nennt.<br />

4 Man denke z. B. an das Edikt de administratione<br />

tutorum, das freiwillige Gerichtsbarkeit<br />

betrifft.<br />

5 Vgl. Brinz, krit. Vjsch. I1, 482ff.<br />

6 a. a. 0. 484 ff , 495ff.

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