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Matrix alte Geschichte - 2012 - Dillum

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Da gibt es das berühmte Musterbuch des Villard de Honnecourt, genannt<br />

„der französische Leonardo da Vinci“: - 33 Pergamentblätter<br />

mit 325 Einzelzeichnungen sind erh<strong>alte</strong>n und sollen „zwischen 1220<br />

und 1230“ geschaffen worden sein.<br />

Der Künstler erlaubt sich die größten Anachronismen. Es finden sich<br />

dort unter anderem Aktdarstellungen (!) nach antiken Skulpturen und<br />

vor allem Skizzen der gotischen Kathedralen von Reims, Laon,<br />

Chartres und Lausanne. – Gotik im 13. Jahrhundert?<br />

Entlarvend ist zum Beispiel Honnecourts Zeichnung der Wange eines<br />

Chorgestühls (Abbildung 29): Die Voluten und die Blätter-<br />

Dekorationen entsprechen einem barocken Stilempfinden.<br />

Die angeführten Beispiele belegen zum letzten Mal: Gleich wie alle<br />

antiken und mittel<strong>alte</strong>rlichen Texte die Zeitschwelle der Neuzeit im<br />

18. Jahrhundert nicht unterschreiten, so auch die <strong>alte</strong>n Miniaturen. –<br />

Die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Handschrift, Text und Bild<br />

läßt kein zeitliches Ausscheren nach unten zu.<br />

Urkunden: Wahrheit auf Pergament?<br />

Urkunden sind des Mediävisten liebstes Kind. Mit diesen angeblich<br />

ur<strong>alte</strong>n Dokumenten, meistens auf Pergament und in Latein geschrieben,<br />

mit Siegeln behangen und oft mit kunstvollen Verzierungen<br />

geschmückt, lassen sich in einer tausendjährigen Epoche eine<br />

Menge auf den Tag genauer Daten und Fakten belegen – sofern<br />

man daran glaubt.<br />

Bewußt wird eine Aura des Würdevollen und Erhabenen um diese<br />

kleinen und großen Pergamentfetzen gepflegt.<br />

Offenbar soll damit im Publikum eine Voreingenommenheit für die<br />

behauptete Epoche erzeugt werden.<br />

Der Aufwand der getrieben wird, um Urkunden zu transkribieren und<br />

zu edieren, ist grotesk. Die Monumenta Germaniae Historica in<br />

Deutschland und die Ecole des Chartes in Frankreich widmen sich<br />

seit hundertfünfzig Jahren diesen Dokumenten.<br />

Zu Beginn der kritischen Urkundenforschung im 19. Jahrhundert<br />

wurden noch Fragen zur Echtheit aller oder einzelner Diplome gestellt.<br />

Im Laufe des 20. Jahrhunderts sind solche Überlegungen fast<br />

ganz verschwunden. Auch hier hat sich der Nominalismus über den<br />

Realismus durchgesetzt:<br />

Eine Urkunde stammt demnach aus der Zeit, welche das Datum angibt.<br />

Und die genannten Inh<strong>alte</strong>, die Herrscher, die Ortsnamen, sind

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