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Matrix alte Geschichte - 2012 - Dillum

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absolut wahr. - Ein Notar darf schließlich nur wahre Dinge bezeugen,<br />

wenn er nicht seine Zulassung verlieren will.<br />

Interessant ist zuerst, daß es Urkunden nur aus dem Mittel<strong>alte</strong>r, nicht<br />

aber aus dem Altertum gibt. Der erste Urkundenschreiber war der<br />

genannte Cassiodor aus der sagenhaften Ostgotenzeit.<br />

Die Barockzeit hat zwar auch versucht, antike Urkunden herzustellen,<br />

zum Beispiel ein Privileg von Kaiser Nero für Österreich (!). –<br />

Doch man hat diese Versuche abgebrochen.<br />

Urkunden sind der Definition nach Rechtsbestätigungen und als solche<br />

nach einem feststehenden Formular in einer formalisierten<br />

Sprache gefertigt.<br />

Schon hier wird ein tausendjähriges Mittel<strong>alte</strong>r widerlegt. Wenn man<br />

weiß, wie schnell sich Sprache, Rechtsanschauungen und Formulare<br />

ändern, so ist allein der Gedanke eines über lange Zeiten gleichbleibenden<br />

Schemas absurd. – Die Zeit müßte rückwärts, nicht vorwärts<br />

gelaufen sein.<br />

Diplomatiker haben sich unendlich viel Mühe genommen, um echte<br />

von falschen Urkunden zu trennen. Doch hier beißt sich die Katze in<br />

den eigenen Schwanz: Echte Urkunden sind solche, die man für echt<br />

hält und umgekehrt. Die Streitereien, die seit dem 19. Jahrhundert<br />

um die Echtheit von bestimmten Urkunden tobten, sind ein Streit um<br />

des Kaisers Bart.<br />

Die Urkundenlehre ist angeblich „um die Mitte des 17. Jahrhunderts“<br />

– tatsächlich etwa hundert Jahre später - entstanden.<br />

Der Benediktiner Jean Mabillon begründete die Urkundenlehre mit<br />

seinem Werk De re diplomatica. – Dahinter stand nicht nur wissenschaftlicher<br />

Eifer. Die <strong>Geschichte</strong> wissenschaftlicher Behandlung<br />

des mittel<strong>alte</strong>rlichen Urkundenwesens steht in unmittelbarer Verbindung<br />

mit der <strong>Geschichte</strong> der Urkundenfälschungen (Bresslau, I, 11).<br />

Die Jesuiten waren die ersten, welche die Urkunden als Erfindungen<br />

verwarfen. Die Benediktiner als Angehörige eines Ordens mit großen<br />

Besitzständen, waren begreiflicherweise daran interessiert, ihre gefälschten<br />

Rechtstitel nicht zu gefährden.<br />

Der zitierte Harry Bresslau, dessen zweibändiges Handbuch der Urkundenlehre<br />

für Deutschland und Italien noch heute als Standardwerk<br />

gilt, gibt diesen Streit zwischen Jesuiten und Benediktinern<br />

wieder. Aber die Liebe zu seinem Gegenstand verbot ihm, die Urkunden<br />

in Bausch und Bogen zu verwerfen. Bresslau wirft den Jesuiten<br />

deshalb „Hyperkritizismus“ vor.

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