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Matrix alte Geschichte - 2012 - Dillum

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Man stelle sich vor: ein hoch gelehrter Theologe, der dicke Wälzer in<br />

Latein schreibt und die Sprache des Neuen Testamentes nicht versteht!<br />

– Dabei stammte Thomas doch aus Süditalien mit seiner griechischen<br />

Tradition.<br />

Thomas von Aquins Unkenntnis des Griechischen ist aber keine Einzelheit,<br />

sondern ein wichtiges Element der fingierten Gestalt. Damit<br />

sollte bekräftigt werden, daß die römisch-katholische Lehre ohne das<br />

Hebräische und eben das Griechische auskomme. Die größere Spiritualität<br />

des Ostens sollte durch das realistisch-scholastischaristotelische<br />

Gedankengebäude des Westens ausgeglichen werden.<br />

Daß Thomas auch Fronleichnam dogmatisch grundgelegt hat, ein<br />

durchaus barockes katholisches Fest, rundet die paar Hinweise auf<br />

die späte Entstehung des bedeutendsten katholischen Kirchenlehrers<br />

ab.<br />

Nicht nur die Gestalt Thomas von Aquins ist in absurd frühe Zeit verlegt<br />

worden, sondern auch seine Heiligsprechung. Diese fand angeblich<br />

„1323“ in Avignon statt – während der „Babylonischen Gefangenschaft<br />

der Kirche“ wohlgemerkt!<br />

Wie bei den meisten Autoren existieren auch von Thomas eine Menge<br />

Handschriften. Allein von der Summa theologiae werden über 200<br />

gezählt. – Und die erste Druckausgabe soll „1570“ erschienen sein.<br />

Das letzte Argument gegen die verfrühte Entstehung jenes Thomas<br />

von Aquins liefert die Wirkungsgeschichte.<br />

In der Neuzeit begründete der spanische Jesuit Franz Suarez die<br />

Neuscholastik. Aber Scholastik und Neuscholastik fallen zeitlich zusammen.<br />

Bezeichnend und oft übersehen ist auch, daß das norddeutsche Luthertum<br />

mangels einer eigenen Dogmatik im 18. Jahrhundert vollständig<br />

die Scholastik übernahm.<br />

Die lutherischen Universitäten von Jena, Helmstedt, Magdeburg und<br />

Wittenberg lehrten in der Barockzeit das thomistische System. - Und<br />

die Reformierten übernahmen eine gedruckte und neugeschaffene<br />

Lehre, nicht eine Dogmatik aus einem sagenhaften Hochmittel<strong>alte</strong>r.<br />

Sowohl Dante wie Thomas von Aquin sind nach der Mitte des 18.<br />

Jahrhunderts geschaffen worden. Die Rezeptionsgeschichte läßt<br />

keine frühere Entstehung zu.

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