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Matrix alte Geschichte - 2012 - Dillum

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che jener <strong>alte</strong>hrwürdigen Klause so einfältig, daß sie nicht wußten,<br />

was für Schätze sie hüteten?<br />

An dieser Auffindungsgeschichte stimmt überhaupt nichts.<br />

Und Giovanni Boccaccio erscheint merkwürdig früh auf der dichterischen<br />

Bühne. Sein Hauptwerk, das Decamerone, soll er gleich nach<br />

der Pest in Florenz „um 1350“ geschrieben haben.<br />

Darin verwertet Boccaccio klassische, französische, italienische und<br />

orientalische Quellen. Friedrich von Hohenstaufen mit seinen Falken<br />

taucht auf. Und die Legende von den drei Ringen, die vom Sultan<br />

Saladin von Babylon (!) und dem Juden Melchisedek = gerechter<br />

König handelt, wird erzählt.<br />

Doch diese dichterischen Stoffe sind erst in der Renaissance und<br />

der Barockzeit im 18. Jahrhundert plausibel. Also hat Boccaccio<br />

dann, und nicht in einem legendären 14. Jahrhundert geschrieben.<br />

In die gleiche Zeit wie Boccaccio wird ein anderer italienischer Dichterfürst<br />

gesetzt, dessen behauptete Lebensbeschreibung von Absurditäten<br />

und Anachronismen trieft.<br />

Francesco Petrarca hat die Lebensdaten „1304 bis 1374“ erh<strong>alte</strong>n.<br />

Aber in eine derart ferne Zeit paßt er nicht hinein.<br />

Der Renaissance-Dichter Petrarca schreibt Sonette, die voll sind mit<br />

Anspielungen auf eine <strong>Geschichte</strong>, die sich auch nach dem konventionellen<br />

Geschichtsbuch erst im 16. Jahrhundert zugetragen hat.<br />

Erwähnt wird etwa die Eroberung von Bagdad „1517“ durch den<br />

Osmanen-Herrscher Selim I. und die Errichtung von „gotteslästerlichen<br />

Türmen“, also Minaretten, um die Zentralkirche von Konstantinopel.<br />

Aber was Petrarca, der sich selbst einen unermüdlichen Leser nennt,<br />

am meisten entlarvt, ist seine Bücherliebe (vgl. Textüberlieferung,<br />

526 ff.).<br />

Nicht nur soll Petrarca die größte Privatbibliothek besessen haben,<br />

er fertigte auch ein Bücherverzeichnis an. Dieses hat er sinnigerweise<br />

in einen Codex zusammengebunden, und zwar mit Cassiodors<br />

Schrift De anima und Augustinus’ De vera religione.<br />

Man kennt den Fälschertrick, ein bestimmtes Werk mit einem anderen<br />

zu verbinden, das angeblich älter ist und somit Authentizität der<br />

Überlieferung vorgaukeln soll.<br />

Petrarca liebt besonders Augustinus. Mit dessen Bekenntnissen<br />

(Confessiones) besteigt er bekanntlich den Mont Ventoux in der Provence<br />

und liest auf der Höhe des Berges daraus vor.

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