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Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

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Symposien mit hochkarätigen Wissenschaftlern, in denen das zu fördernde<br />

Produkt oft nur beiläufig direkt erwähnt wird, erlauben den Redakteuren und<br />

freien Mitarbeitern selbst kleinerer Blätter, sich spesenfrei Informationen aus<br />

erster Hand zu holen“. 237<br />

Bei Problemen (zum Beispiel Scherings Anti-Baby-Pille „Femovan“, Behrings<br />

Blutpräparate etc.) waren entweder alle Telefonleitungen belegt oder man<br />

bemühte sich, Schadensbegrenzung zu betreiben. Beim Aufzeigen<br />

kontroverser Meinungen in einem Artikel gab man gerne eine eigene<br />

Stellungnahme ab. Firmenzeitschriften und PR-Material sind für<br />

Fachredaktionen als Recherche- oder Informationsquelle daher nur bedingt<br />

geeignet. Die Laienpresse nimmt viel zu oft dieses Material entgegen und<br />

veröffentlicht es ungeprüft.<br />

Neben dem verkaufsfördernden Material der Pharmaindustrie sind Kongresse<br />

und Fachmessen hier als wichtige Quelle zu nennen. Nicht nur für<br />

Themenfindung und Recherche sind diese Veranstaltungen wichtig. Sie geben<br />

auch einen <strong>Ein</strong>blick in den Wissenschaftsbetrieb und seine Hierarchie. Die<br />

führenden Köpfe einzelner Disziplinen oder Vertreter bestimmter Verfahren<br />

und Methoden tragen ihre Erkenntnisse vor. Hier besteht auch die Möglichkeit<br />

zum direkten Austausch mit den Experten.. Auch können Kontakte für eine<br />

weitere Zusammenarbeit geknüpft werden. Letztlich bilden Kongresse und<br />

Messen auch die Möglichkeit, das eigene Blatt zu präsentieren.<br />

Schließlich sollen hier noch Expertendiskussionen hinzugefügt werden. Die<br />

Redaktion hat, losgelöst von den redaktionellen Tätigkeiten, interdisziplinäre<br />

Diskussionen zu medizinischen Themen (zum Beispiel Ethik der<br />

Doppelblindstudie, § 3 BSHG, der die <strong>Ein</strong>weisung in Pflegeanstalten gegen<br />

den Willen von schwerbehinderten Patienten vorsieht) geführt. Hierbei wurden<br />

Experten aus Medizin, Pharma, Rechtswissenschaft und Fachjournalisten zu<br />

einem Meinungsaustausch aufgefordert. Die Diskussionen wurden per Telefon<br />

oder schriftlich abgehalten. Ziel dieser Expertendiskussionen war zum einen<br />

die Themenfindung für die „Autoimmun“, zum anderen die Diskussion neuer<br />

Sichtweisen auch innerhalb der Redaktion.<br />

Betrachtet man nun zusammenfassend die Rechte und Informationsquellen<br />

von unheilbar kranken Lesern, so fällt es nicht schwer, von einem<br />

Informationsdefizit bei der Zielgruppe zu sprechen. Diese Ausgangslage<br />

wurde von der Redaktion noch in der Planungsphase der „Autoimmun“<br />

registriert. Kranke, denen relativ wenig Informationen über ihr Leiden zur<br />

Verfügung stehen, oder die sinnvolle Quellen nicht nutzen können, erkennen<br />

ihre Lage bald als hoffnungslos. Offensichtlich beachten die Medien diese<br />

Rezipientengruppe nur zur eigenen Auflagen- bzw. Quotensteigerung. Sie<br />

zeigen sich jeder neuen Publikation, medizinischen Methode oder<br />

Wunderheilung gegenüber aufgeschlossen. Jede noch so winzige Meldung<br />

verspricht Hoffnung auf Heilung oder Linderung.<br />

237 Stein, Rosemarie, Nutzen und Risiken <strong>des</strong> Medizinjournalismus, in:<br />

Medizin Mensch Gesellschaft, Heft 11, 1986, S. 90.<br />

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