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Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

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„bekanntesten Spezialisten auf dem Gebiet der Erforschung und Behandlung<br />

der MS“ 3 bezeichnet.<br />

Doch nur wenige Patienten wußten, daß ein Teil <strong>des</strong> Ärztlichen Beirats der<br />

DMSG nicht nur eine braune Vergangenheit hatte, sondern auch in<br />

Krankenmord, Menschenversuche und Schreibtischtaten verstrickt war. <strong>Ein</strong>e<br />

Aufklärung über die NS-Vergangenheit der Mitglieder <strong>des</strong> Ärztlichen Beirats<br />

der DMSG wurde bis heute nicht durchgeführt. Man hätte Tausenden von<br />

Mitgliedern und Hunderten von ehrenamtlichen Helfern, die in den Verbänden<br />

und Ortsgruppen vorbildliche Arbeit leisten, sagen müssen, daß einige der<br />

Ärzte, denen sie vertrauten, einst an der physischen Vernichtung von<br />

Behinderten und Kranken mitgewirkt oder hierzu ideologischen Beistand<br />

geleistet hatten.<br />

Der 1. Vorsitzende <strong>des</strong> Beirats:<br />

Impfung von Affenliquor: Der Ärztliche Beirat aus dem Jahre 1953 bestand<br />

aus einem guten Dutzend Medizinern. Zunächst wäre der 1. Vorsitzende Prof.<br />

Dr. Georges (Georg) Schaltenbrand zu nennen (siehe auch Seite 7). Die<br />

Ergebnisse seiner Menschenversuche galten Anfang der vierziger Jahre in der<br />

Ärzteschaft als diskutabel. Bei der experimentellen Impfung von Affenliquor in<br />

das Rückenmark von Kranken nahm er deren Tod billigend in Kauf.<br />

Schaltenbrands folgende Karriere bei der DMSG dauerte viele Jahre. Als er<br />

1979 starb, bemerkte das Ehrenmitglied der DMSG Prof. Dr. Helmut-<br />

Johannes Bauer: „Für die medizinisch-sozialen Belange der MS-Kranken hat<br />

sich Schaltenbrand stets besonders eingesetzt.“ und bezeichnete seine Arbeit<br />

als „Pionierleistung“4.<br />

Noch heute ist Bauer Ehrenvorsitzender <strong>des</strong> Ärztlichen Beirats der DMSG und<br />

maßgebend in der MS-Forschung. Weniger bekannt ist, daß er 1944 im SS-<br />

Führungshauptamt für die Waffen-SS tätig war und zum SS-Hauptsturmführer<br />

ernannt wurde. Nach Kriegsende verbrachte Bauer zwei Jahre in<br />

amerikanischem Gewahrsam. Die Karriere an der Universität Göttingen hat<br />

darunter nicht gelitten.<br />

Prof. Dr. Gerhard Döring, ab 1953 im Ärztlichen Beirat der DMSG und als Arzt<br />

den MS-Patienten von der DMSG 1954 empfohlen, nahm 1944 in einer<br />

Buchbesprechung zu Schaltenbrands Versuchen Stellung: „Schaltenbrand hat<br />

dann weiter Liquor von Affen … zisternal (an der Hirnbasis) auf Idioten und<br />

unheilbar Geisteskranke verimpft.“5 <strong>Ein</strong> Wort der Entrüstung ist bei Döring<br />

nicht zu finden. Statt<strong>des</strong>sen fordert er, es seien „Untersuchungen an weit<br />

größeren Versuchsserien erforderlich.“ 6<br />

Der 2. Vorsitzende <strong>des</strong> Beirats: „Asozial und kriminell“<br />

Der 2. Vorsitzende <strong>des</strong> Ärztlichen Beirats der neugegründeten DMSG, Prof.<br />

Dr. Heinrich Pette, befaßte sich als Neurologe mit entzündlichen<br />

Nervenkrankheiten. Seine soziale und geistige Beurteilung der ihm<br />

anvertrauten MS-Patienten tat er 1942 kund: „Mit Reduzierung der geistigen<br />

Leistungsfähigkeit und einem Langsamerwerden in der Auffassung verbindet<br />

sich ein Drang zu kritikschwachem Reden und Handeln bei euphorischer<br />

Grundhaltung. ... Aus der euphorischen Demenz heraus vermag der Kranke<br />

asoziale und kriminelle Handlungen zu begehen, die alsdann Fragen der<br />

Zurechnungsfähigkeit und Entmündigung aufkommen lassen.“ 7 Die DMSG,<br />

als Vertreterin der MS-Kranken, beurteilte Pettes <strong>Ein</strong>stellung zu den Patienten<br />

1968 so: „Dabei strahlte Pette … seinen Patienten gegenüber … stets eine<br />

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