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Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

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werden könnte. Und daß eine Verbesserung der Arbeitssituation durch die<br />

Beseitigung von Barrieren zu einer signifikant besseren Arbeitszufriedenheit<br />

führt, ist min<strong>des</strong>ten seit 1995 gesichert. Dies erkannten Richard T. Roessler<br />

und Phillip D. Rumrill (Jr.) im Rahmen einer Untersuchung. 185 Allerdings<br />

sollten architektonischen Hindernisse frühzeitig beseitigt werden.<br />

Jörg kann sich noch gut erinnern. Sein Fall repräsentiert das am häufigsten<br />

geschilderte Arbeitgeberverhalten:<br />

„Anfänglich wurde ich toleriert. Alle wußten über meine Krankheit<br />

Bescheid. Doch immer öfter spielte mein Chef auf meine Situation<br />

an. Ich könne doch jetzt auf Rente machen und eine ruhige Kugel<br />

schieben. Er würde das sofort machen, weil Arbeiten nur eine<br />

lästige Freizeitunterbrechung wäre. Um das Finanzielle brauche<br />

ich mir auch keine Gedanken zu machen. Doch er hat sich geirrt.<br />

Meine Rente würde lange nicht mein <strong>Ein</strong>kommen erreichen und<br />

meine Arbeit macht mir sehr viel Spaß. Warum also aufhören?<br />

Dann wurde ich zum Verlagsleiter gerufen. Der präsentierte mir<br />

einen Abfindungsvertrag, wenn ich kündigen würde. Die Summe<br />

klang recht interessant. <strong>Ein</strong> Bekannter riet mir, vorher einen Anwalt<br />

für das Arbeitsrecht zu befragen. Dr. H., so hieß der Anwalt, hörte<br />

sich meine Geschichte an und fragte, ob ich denn noch weiter<br />

arbeiten wolle. Da wäre vielleicht noch mehr rauszuholen. Also<br />

unterschrieb ich nicht und ging wieder regelmäßig zur Arbeit.<br />

Das ganze zog sich dann vier Jahre hin. In dieser Zeit wurden mir<br />

zwei Kündigungen zugestellt, die aber unrechtmäßig waren. Dann<br />

kamen neue Abfindungsverträge auf den Tisch. Vorletztes Jahr<br />

habe ich dann unterschrieben. Die ursprüngliche Summe hat sich<br />

nun verdreifacht und von den Zinsen und der Rente ist es jetzt<br />

halbwegs erträglich.“<br />

Schließlich soll zum Thema Beruf noch ein wichtiger Aspekt erwähnt werden:<br />

Das Verhalten der Kollegen. Dies reicht von Hilfsbereitschaft bis zur<br />

Ablehnung gegenüber dem Erkrankten. In einigen Fällen wurde von einem<br />

hohen Maß an Unterstützung berichtet. Sogar bis in den privaten Bereich<br />

hinein wurde konkrete Hilfe angeboten. In anderen Fällen kam es zu einer<br />

Ausgrenzung <strong>des</strong> Erkrankten, die schließlich zur Berufsaufgabe führte. Auch<br />

über massive <strong>Ein</strong>schüchterungen wie „wir arbeiten für dich mit“ oder „du bist ja<br />

mehr mit deiner Krankheit als mit der Arbeit beschäftigt“ wurde berichtet. Von<br />

der Arbeitgeberseite wurde kein <strong>Ein</strong>fluß auf das Verhalten der Kollegen<br />

genommen. Neben der offenen Kritik wurden auch Fälle von Intrigen in Form<br />

von falschen Behauptungen ohne Kenntnis <strong>des</strong> Betroffenen geschildert.<br />

Für Sabine waren die letzten Wochen am Arbeitsplatz die „Hölle“:<br />

185 Roessler, Richard T. / Rumrill, Phillip D. Jr., The relationship<br />

of perceived work site barriers to job mastery and job satisfaction<br />

for employed people with multiple sclerosis, in: Rehabilitation<br />

Counseling Bulletin, No. 1, 1995, S. 11.<br />

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