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Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

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Auch wenn die Ursachen <strong>des</strong> Unfalls im Bereich der Nuklearphysik liegen, so war<br />

schon nach den ersten Tagen nicht zu übersehen, daß die Medizin ihre erste<br />

flächendeckende Erfahrung mit Verstrahlungsopfern unter Beobachtung der Medien<br />

sammelte. Haller untersuchte zur Fehleranalyse vier überregionale Tageszeitungen<br />

(„Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Frankfurter Rundschau“, „Süddeutsche Zeitung“<br />

und „Neue Zürcher Zeitung“). Seine Stichprobe umfaßte den Zeitraum vom 2. Mai<br />

bis zum 17. Mai 1986, 56 Zeitungsausgaben und 171 Texteinheiten. 104 Pro Ausgabe<br />

ermittelte der Autor im Durchschnitt 3,7 Texte zum Thema. Dann führte er seine<br />

Analyse durch: „Die 171 redaktionellen Texte legte ich zwei in der Sache neutralen<br />

Physikern vor, die sich seit Jahren mit Fragen der Nuklearphysik befassen“. 105 Der<br />

Autor entwickelte einen Fehlerbegriff, wonach die Experten keine eigene<br />

Fachliteratur benutzen und im Zweifelsfall zugunsten der Zeitungstexte entscheiden<br />

sollten. Nach Bildung von vier Fehlerkategorien (Falschangabe der Quellen,<br />

Falschbehauptungen der Redaktion, Kontextfehler der externen Quellen und<br />

Kontextfehler der redaktionellen Deutungen) trennte Haller drei journalistsiche<br />

Darstellungsformen (Berichte und Agenturtexte, Eigenberichte und Reportagen<br />

sowie Kommentare, Glossen und Leitartikel). Nach Auswertung der Fakten- und<br />

Deutungsfehler (insgesamt 202 Fehler) stellte er fest:<br />

„Überraschend an den Ergebnissen war zunächst die realtiv hohe<br />

Fehlerquote in den nachrichtlichen (berichterstattenden) Texten<br />

vor allem fremder Quellen, in erster Linie in den Agenturtexten und<br />

den als zutreffend wiedergegebenen Zitaten in<br />

Korrespondentenberichten. In den redaktionellen Kommentaren<br />

beziehen sich dann die Journalisten oftmals auf die unzutreffenden<br />

Fakten oder unbelegten Behauptungen der externen Quellen und<br />

verstärken damit die Fehlinformation. Demgegenüber ist die<br />

Fehlerquote in den redaktionellen Eigenberichten relativ gering,<br />

zudem verteilt sich die Fehlerart erstaunlich gleichmäßig auf alle<br />

vier Fehlerkategorien – ein Hinweis, daß die Redaktion<br />

vergleichsweise korrekt recherchiert, aber das externe Material<br />

eher unüberprüft verarbeitet hat.“ 106<br />

Abschließend ermittelte Haller aus seinen Erkenntnissen Mängel bei der<br />

Berichterstattung im Wissenschaftsjournalismus. Zunächst erkannte er eine<br />

ungenügende Transfertechnik bei der Übermittlung. Diese sei besonders durch die<br />

<strong>Ein</strong>schaltung von „Allround-Journalisten“, die tagesaktuelle Ereignisse zu<br />

verarbeiten haben, charakteresiert. Ferner entdeckte Haller ungenügende<br />

Recherchetechniken und unzureichen<strong>des</strong> Refexionsvermögen bei den<br />

Journalisten. 107<br />

Gerade hier möchte der Autor den Wissenschaftsjournalisten in der Rolle <strong>des</strong><br />

Kriminalisten sehen, wenn er sagt: „Tatsächlich kommen unter<br />

wissenschaftskritischem Blickwinkel die bedingt wissenschaftsadäquaten, im<br />

Arbeitsmethoden im tagesaktuellen Journalismus, in: Publizistik –<br />

Vierteljahreshefte für Kommunikationsforschung, Heft 3, 1987.<br />

104 Ebenda, S. 307.<br />

105 Ebenda.<br />

106 Ebenda, S. 309.<br />

107 Ebenda, S. 311f.<br />

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