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Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

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Gutachten über jugendliche Straftäter erstellte. Von 1934 bis 1939 war<br />

Villinger Chefarzt der Bodelschwingschen Anstalten in Bethel, bevor er 1940<br />

als Professor für Neurologie an die Universität Breslau wechselte. 1946<br />

übernahm er eine Professur an der Universität Marburg und leitete dort die<br />

Psychiatrische und Universitätsnervenklinik. 1961 trat er dem ärztlichen Beirat<br />

der DMSG bei.<br />

Durch seine Tätigkeit an der Hamburger Jugendbehörde hatte er sich häufig<br />

mit sozial gefährdeten Jugendlichen beschäftigt – nicht immer wohlwollend.<br />

1928 plädierte er für ein „Bewahrungsgesetz“, womit Personen, die seiner<br />

Ansicht nach genetisch zu „asozialem“ und kriminellem Handeln veranlagt<br />

seien, bereits inhaftiert werden sollten, bevor sie eine Straftat begehen<br />

konnten.6 Sie sollten vom Standpunkt einer sozialen „Hygiene“ aus betrachtet<br />

werden, zumal „sie durch hemmungslose Fortpflanzung zu einer immer<br />

stärkeren Durchsetzung <strong>des</strong> Volkskörpers mit abnormen Elementen<br />

beitragen.“<br />

Das „Erbgesundheitsgesetz“ vom Juli 1933 begrüßte Villinger als einen<br />

ersten, richtigen Schritt, weshalb er sich von 1934 bis 1939 als Beisitzer dem<br />

Erbgesundheitsgericht Hamm zur Verfügung stellte.7 Dennoch sah er darin<br />

nur eine unvollkommene Maßnahme. 1939 legte er seinen Standpunkt zu<br />

einem „Bewahrungsgesetz“ erneut dar und befürwortete vehement die<br />

„Asylierung“ aller verwahrlosungsgefährdeten Personen, zu denen er nun<br />

auch „Arbeitsscheue“ und „politisch sehr unzuverlässige und aufreizende<br />

Elemente“ zählte.<br />

Seit dem 28. März 1941 gehörte Villinger zu den medizinischen Gutachtern<br />

der „Kanzlei <strong>des</strong> Führers“, womit er direkt in die „Euthanasie“ einbezogen<br />

war.8 Jeweils drei Ärzte trafen in jedem <strong>Ein</strong>zelfall die Vorentscheidung<br />

darüber, ob ein Kranker getötet werden sollte. (Siehe auch Seite 11.)<br />

Strenggenommen wurde von den Gutachtern ein Urteil über die<br />

„Arbeitsfähigkeit“ der Patienten gefordert. <strong>Ein</strong> Zwang zur Mitwirkung bestand<br />

für die vorgeschlagenen Ärzte nicht. Das Ausmaß von Villingers Beteiligung ist<br />

nicht vollständig geklärt. In einem1961 gegen ihn eingeleiteten<br />

Ermittlungsverfahren bestritt er rundheraus, für „T4“ gearbeitet zu haben.<br />

Zeugen widersprachen dem, bescheinigten Villinger aber eine schleppende<br />

Tätigkeit und eine „fast aus-schließlich“ schützende Beurteilung der<br />

begutachteten Fälle.9 Da mit Villingers Tod im gleichen Jahr das Verfahren<br />

vorzeitig endete, wurde seine Mitwirkung an der „Euthanasie“ juristisch nie<br />

geklärt.<br />

Villinger erhielt 1952 das Große Bun<strong>des</strong>verdienstkreuz. Auf dem<br />

Wohlfahrtssektor wurde er vor allem als Mitbegründer der „Bun<strong>des</strong>vereinigung<br />

Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind“ bekannt.<br />

Forschung mit Präparaten der „Euthanasie“-Opfer<br />

Julius Hallervorden (1892 - 1965)<br />

Als Neuropathologe war Julius Hallervorden seit 1937 am Institut für<br />

Hirnforschung <strong>des</strong> Kaiser-Wilhelm-Instituts in Berlin-Buch tätig. Zu seinen<br />

Forschungsschwerpunkten zählten die Enzephalitis und die Multiple Sklerose.<br />

Hallervordens Untersuchungen beruhten auf der Sektion von Hirnschnitten<br />

Verstorbener.10 Als 1939 die Massentötungen Geisteskranker begannen,<br />

entdeckte er darin neue Möglichkeiten für seine Tätigkeit. Zwischen 1940 und<br />

1944 ließ er sich aus der Tötungsanstalt Brandenburg-Görden mehrmals die<br />

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