10.12.2012 Aufrufe

Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

mir meine Krankheit wenig Phantasie für partnerschaftliche<br />

Visionen. Ich spiele das Spiel <strong>des</strong> Lebens, habe aber eigentlich<br />

schon verloren.“<br />

Der Bericht <strong>des</strong> Dr. V. macht deutlich wie stark der körperliche <strong>Ein</strong>schnitt<br />

durch die Krankheit sein kann. Autoimmunkrankheiten, die sich durch Schübe<br />

bemerkbar machen, stellen für die Betroffenen eine große Belastung dar.<br />

Liegt eine Diagnose noch nicht vor, wird die Ursache oft auf andere Dinge, wie<br />

ungesunde Lebensweise oder psychische Probleme geschoben. Im<br />

Gegensatz dazu „schleicht“ sich der chronische Verlauf von<br />

Autoimmunkrankheiten fast unbemerkt in den Patienten ein.<br />

Die Diagnose einer Autoimmunkrankheit stellt bei fast allen Patienten einen<br />

tiefgreifenden Lebenseinschnitt mit starker psychischer Belastung dar. Die<br />

Berichte aus der vorliegenden Untersuchung zeigen, wie Patienten die<br />

Diagnose ihrer Krankheit aufgenommen haben. Der mitteilende Arzt ist der<br />

erste Interaktionspartner. Er verfügt im Idealfall über eine entsprechende<br />

Ausbildung und besitzt Erfahrungen darüber, wie und in welcher Phase er den<br />

Patienten eine unheilbare Krankheit mitteilt. In der Regel werden mehrere<br />

Termine einkalkuliert und Angehörige einbezogen, sofern der Patient<br />

zustimmt. In wenigen Fällen (z.B. während einer Schwangerschaft) wird der<br />

Arzt die Mitteilung oft verschieben. Doch, so stellen Robert Francke und Dieter<br />

Hart fest, „muß man ... für die rechtliche Beurteilung vom Bild <strong>des</strong> mündigen<br />

Patienten ausgehen, der an Information und Beteiligung am eigenen Schicksal<br />

interessiert ist, solange er dies nicht ausdrücklich und rechtsverbindlich<br />

dementiert“. 167 Daß eine Verzögerung der Diagnosemitteilung auch aus<br />

ärztlicher Sicht nicht zweckmäßig ist, erklärt Thomas Gordon in seinem Buch<br />

„Patientenkonferenz“: „Auch aus medizinischer Sicht ist es gemeinhin nicht<br />

von Nutzen, wenn der Patient unaufgeklärt bleibt. Verschiedene<br />

Untersuchungen zeigen, daß die meisten Krebspatienten sehr wohl wissen<br />

wollen, wie die Diagnose lautet und wie ernst ihr Zustand ist, denn nur dann<br />

können sie Pläne für die Zukunft machen. Andere Untersuchungen zeigen,<br />

daß Patienten, denen man ihre Diagnose verheimlicht, häufiger unter<br />

Depressionen, Angst und <strong>Ein</strong>samkeit leiden.“ 168 Insoweit ist es in Deutschland<br />

immer noch unverständlich, daß Diagnosen von schweren Krankheiten meist<br />

zeitverzögert bekanntgegeben werden.<br />

Karl (Student) berichtet:<br />

„Ich wußte, daß irgend etwas mit mir nicht stimmte. Alle sagten,<br />

ich solle endlich einen Arzt aufsuchen. Doch meine Hoffnung<br />

bestand darin, daß mein starkes Kribbeln in den Beinen bald von<br />

selbst aufhören würde. <strong>Ein</strong>es Morgens konnte ich nicht mehr<br />

auftreten, meine Eltern mußten kommen. Es war wie, als wenn<br />

1.000 Ameisen über meine Beine liefen. Ich weinte heftig und<br />

167 Francke, Robert, Hart, Dieter, Ärztliche Verantwortung und<br />

Patienteninformation, Stuttgart 1987, S. 21.<br />

168 Gordon, Thomas, Edwards, W. Sterling, Patientenkonferenz: Ärzte<br />

und Kranke als Partner, Hamburg 1997, S. 212.<br />

58

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!