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Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

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In dieser Form scheint die Forderung nach einer Integration Behinderter und<br />

chronisch Kranker in die Gesellschaft schwer erfüllbar zu sein. Durch eine<br />

verstärkte Gruppenisolation dürfte auch in der Zukunft eine fortschreitende<br />

Abgrenzung von den „Gesunden“ eintreten. <strong>Ein</strong>e aktive Neusozialisierung<br />

kann zur <strong>Ein</strong>stellung aller noch vorhandenen privaten Kontakte führen. Alte<br />

Freunde und Bekannte werden nicht in das Vereinsleben, das nahezu alle<br />

Lebensbereiche umfassen kann, einbezogen.<br />

<strong>Ein</strong>en interessanten <strong>Ein</strong>blick in die Arbeit von Selbsthilfegruppen, insebondere<br />

deren Öffentlichkeirsarbeit bietet Britta von Bezold an. Sie untersuchte 150<br />

Selbsthilfegruppen und erkannte, daß der Öffentlichkeitsarbeit dieser<br />

Organisationen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. 187 Doch gerade die<br />

öffentliche Vorstellung der Selbsthilfegruppen mit ihren Zielen kann ein<br />

Verständnis für deren Belange erleichtern und damit einer Isolation<br />

entgegenwirken.<br />

Gabi kann sich ein Leben ohne Selbsthilfegruppe gar nicht mehr vorstellen.<br />

Sie hat dort ihre neue Heimat gefunden:<br />

„Ich kann mich noch an meinen ersten Tag erinnern. Ich bin<br />

wochenlang herumgeirrt und habe sinnlose Gespräche mit allen<br />

meinen Bekannten geführt. Keiner wußte so recht, was aus mir<br />

werden würde. Die MS hat mein Leben total umgekrempelt. <strong>Ein</strong>es<br />

Tages rief ein alter Schulfreund an, den ich schon lange nicht<br />

mehr gesehen hatte. Wir trafen uns, und ich erzählte von meiner<br />

Krankheit. Er sagte, da gäbe es eine Organisation, wo die Kranken<br />

hingehen können. Dort gäbe es Informationen und man könne mit<br />

anderen Betroffenen reden. Er sagte, er würde die Adresse für<br />

mich herausfinden.<br />

Am nächsten Tag hatte ich die Adresse und ging gleich dort hin.<br />

Die Frau, die mich empfing, war unglaublich nett und einfühlsam.<br />

Sie machte mir Mut und ließ mich glauben, daß ich unter einem<br />

gutartigen Verlauf leide. Mit einem Berg von Informationsmaterial<br />

bin ich nach Hause gegangen. Abends wußte ich sehr viel mehr<br />

über meine Krankeit und wollte nun die Erfahrungen anderer<br />

Patienten kennenlernen. So ging ich jede Woche einmal zum<br />

Treffen.<br />

Wir unternehmen viele Dinge mit der Gruppe. Aber auch mit<br />

einigen Gruppenmitgliedern habe ich private Kontakte, und wir<br />

gehen ins Kino oder auch mal schön essen. Nach zwei Jahren -<br />

glaube ich - wurde ich zur Sprecherin gewählt. Und wenn neue<br />

Mitglieder kommen, dann führe ich sie in unsere kleine Welt ein.<br />

Schwerbehinderte Mitglieder werden von uns betreut, so weit das<br />

geht. Auch sorgen wir für rechtliche Unterstützung, wenn<br />

Probleme bei einem von uns auftauchen.<br />

187 Bezold, Britta von, Zur Öffentlichkeitsarbeit von<br />

Selbsthilfegruppen und deren Wahrnehmung von<br />

Fernsehberichterstattung, in: Soziale Arbeit - deutsche Zeitschrift<br />

für soziale und sozialverwandte Gebiete, Heft 5, 1998, S. 149.<br />

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