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Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

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Manifestanten in der deutschen Presse- und Literaturgeschichte<br />

verweist.“ 64<br />

Somit läßt sich sagen, daß jemand, der den Verlust der „jüdische Infektion“<br />

feierte, und sich damit zu den Zielen <strong>des</strong> Nationalsozialimus bekannte, auch<br />

zu den geistigen Brandstiftern <strong>des</strong> Massenmor<strong>des</strong> an den europäischen<br />

Juden zu zählen ist. <strong>Ein</strong>e lückenlose Geschichte zum Medizinjournalismus<br />

kann von Haacke nicht erwartet werden, vielmehr hat er als geistiger Mittäter<br />

seine Berechtigung zur Erforschung dieses Gebietes verloren. <strong>Ein</strong> weiteres<br />

Beispiel soll das verdeutlichen:<br />

„Nur so kann die Zeitungswissenschaft dazu beitragen, in den<br />

Praktikern das Bewußtsein der wertvollen kulturellen Sendung<br />

ihres Feuilletons, das von ihnen als ein Mittel nationaler<br />

Reichsrepräsentation aufgefaßt werden sollte, erstens zu wecken<br />

und zweitens wachzuhalten. Fort und fort muß der Praktiker<br />

darüber unterrichtet werden, daß das gute deutsche Feuilleton zu<br />

allen Zeiten, da es nicht jüdischem <strong>Ein</strong>fluß unterlegen ist, und bei<br />

all denen seiner besten Männer, die dem jüdischen <strong>Ein</strong>flusse<br />

niemals nachgegeben haben, eine hohe ethische Mission gehabt<br />

und diese auch erfüllt hat.“ 65<br />

Die „ethische Mission“ war 1945 beendet. Haacke veröffentlichte jedoch weiter<br />

und beeinflußte die Medizinjournalismus-Forschung, wie andere auch, die<br />

diesen Forschungszweig mitgeprägt und ihre Erkenntnisse in der Lehre weiter<br />

gegeben haben. 66 Die mangelhafte historische Behandlung <strong>des</strong><br />

Nationalsozialismus durch die Medizinjournalismus-Forschung läßt sich nur<br />

mit dieser personellen Kontinuität erklären. Was für die Wissenschaftler gilt<br />

und noch zu erforschen wäre, ist für die Presse selbst schon behandelt<br />

worden. Peter Köpf untersuchte eine Reihe von <strong>Ein</strong>zelbiographien, die<br />

während <strong>des</strong> Nationalsozialmus tätig waren und zeigt ihren weiteren<br />

Lebensweg in Westdeutschland auf. Dabei stellt er unter anderem fest:<br />

„Wohl nirgendwo sonst wurde so rasch ein Schlußstrich unter die<br />

Nazi-Zeit gezogen wie im Westdeutschland der fünfziger Jahre.<br />

Der Strich der Journalisten gehörte zu den dicksten.“ 67<br />

64 Haacke, Wilmont, Feuilletonkunde – Das Feuilleton als literarische<br />

und journalistische Gattung, Band 2, Leipzig 1944, zitiert nach:<br />

Wulf, Joseph, Kultur im Dritten Reich – Presse und Funk, Berlin<br />

1989, S. 221.<br />

65 Ebenda.<br />

66 Mehrere Autoren, die die medizinjournalistische Forschung<br />

(Publizisten und Mediziner) in der Nachkriegszeit mitgestaltet<br />

haben, besitzen eine unsaubere Vergangenheit. <strong>Ein</strong>e weitere<br />

Erforschung dieses Komplexes würde den hier gesetzten Rahmen<br />

sprengen und bleibt einer weiteren Abhandlung vorbehalten.<br />

67 Köpf, Peter, Schreiben nach jeder Richtung – Goebbels-<br />

Propagandisten in der westdeutschen Nachkriegspresse, Berlin 1995,<br />

S. 17.<br />

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