10.12.2012 Aufrufe

Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

gesamte Pressefreiheit in Gefahr geraten. Schließlich stieße solch ein Vorhaben<br />

auch auf praktische Probleme.<br />

Insgesamt scheint die Diskussion über Qualitätsmessung und -sicherung<br />

wissenschaftsjournalistischer Publikationen ohne jede praktische Relevanz zu sein.<br />

Letztlich ist jeder Autor selbst für sein Werk verantwortlich. Dabei hat er die<br />

erforderliche Sorgfalt zu beachten. Doch welches Maß an Sorgfalt kann einem<br />

Medizinjournalisten zugemutet werden? Der Frage kommt Horst Krautkrämer mit<br />

einem praktischen Beispiel etwas näher:<br />

„Überspannt man da nicht die Anforderungen an die journalistische<br />

Sorgfaltspflicht, wenn man erwartet, daß vor einer Weitergabe<br />

dieser Informationen danach geschaut wird, was andere<br />

Epidemiologen über die Korrelation zwischen durchschnittlichem<br />

Blutdruck, dementsprechend unterschiedlich hohem<br />

Herzinfarktrisiko und den daraus resultierenden<br />

volkswirtschaftlichen Spätschäden herausgefunden haben? (Wenn<br />

man aus anderen Untersuchungen weiß, daß Leute mit unter der<br />

‚Norm‘ liegenden Blutdruckwerten später unterdurchschnittlich bei<br />

Herzinfarktpatienten zu finden sind, dann muß man die Kosten für<br />

die Frühinvalidisierung auch normotoner HI-Patienten mit den<br />

Kosten der lebensbegleitenden gelegentlichen Arbeitsunlust <strong>des</strong><br />

Hypotonikers in Vergleich setzen.)“ 53<br />

Dieses Beispiel zeigt, daß es Grenzen der Sorgfaltspflicht für den<br />

Medizinjournalisten geben muß. Unterstellt man, daß der Journalist den festen<br />

Vorsatz hat, einen fehlerfreien Beitrag abzuliefern, dann stellt sich die Frage wie<br />

sich Sorgfaltspflicht definieren läßt. Hier könnte eine Anleihe aus der<br />

Rechtswissenschaft ein wenig Klärung erzeugen. Dort steht die Sorgfaltspflicht im<br />

Zusammenhang mit der Fahrlässigkeit. Danach handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt,<br />

„zu der er nach den Umständen und nach seiner persönlichen Fähigkeiten und<br />

Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, außer acht läßt…“ 54 Für den<br />

Medizinjournalisten bedeutet dies, daß seine Kenntnisse über ein Thema<br />

ausschlaggebend sind und daß er bei Agenturmeldungen, die ein unklares Bild<br />

ergeben, eigene Recherche zu betreiben hat. Walter Hömberg merkt an, daß viele<br />

Journalisten genau diese Eigeniniative nicht aufbringen. 55 Vorausgesetzt, der<br />

Journalist hat sorgfältig recherchiert und das Ergebnis seiner Arbeit gegenlesen<br />

lassen, kann man ihm eine Sorgfaltspflichtverletzung nicht vorwerfen.<br />

53 Krautkrämer, Horst, Zur Verbindlichkeit medizinischer<br />

Informationen in Massenmedien, in: Fischer, Heinz-Dietrich (Hrsg.),<br />

Medizin-Publizistik: Prämissen – Praktiken – Probleme, Frankfurt am<br />

Main 1990, S. 165.<br />

54 Dreher, Eduard / Tröndle, Herbert, Kommentar zum Strafgesetzbuch,<br />

München 1981, S. 80.<br />

55 Hömberg, Walter, Glashaus oder Elfenbeinturm? Zur Entwicklung und<br />

zur Lage der Wissenschaftskommunikation, in: Schreiber, Erhard /<br />

Langenbucher, Wolfgang R. / Hömberg, Walter (Hrsg.), Kommunikation<br />

im Wandel der Gesellschaft: Otto B. Roegele zum 60. Geburtstag,<br />

Düsseldorf 1980, S. 92.<br />

19

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!