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Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

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haben wir in Deutschland ja die freie Arztwahl. Mein neuer Arzt<br />

wohnt zwar weiter entfernt, aber wir haben uns gleich gut<br />

verstanden. Nachdem wir uns eine Weile unterhalten haben,<br />

stellte er fest, daß ich recht gut über meine MS Bescheid wußte.<br />

Ich glaube, wir werden ganz gut auch in der Zukunft miteinander<br />

auskommen. Und wenn er mal etwas nicht aufschreiben will, dann<br />

habe ich noch meinen Hausarzt. Meine Rezepte habe ich bisher<br />

immer erhalten.“<br />

Im Rahmen <strong>des</strong> Arzt-Patienten-Verhältnisses nimmt der „aktive Patient“ eine<br />

für den Arzt wichtige Rolle ein. Der Patient hat sich über seine Krankheit<br />

umfangreich informiert und sieht den Arzt als Partner bei der Bewältigung<br />

seiner Krankheit an. Andererseits findet sich in dieser Gruppe auch der Typ<br />

<strong>des</strong> „Ausnutzers“. Er hat unter Umständen nicht nur einen Arzt, sondern<br />

verfügt über einen ganzen medizinischen Stab. Bei „Verhandlungen“ über<br />

Medikamentenverordnungen ist er sehr hartnäckig und erreicht oft sein Ziel.<br />

Im Prinzip nutzt er die vorhandenen ärztlichen Erkenntnisse aus, sieht aber<br />

gleichzeitig die Grenzen <strong>des</strong> ärztlichen Könnens.<br />

Im Gegensatz zum „aktiven Patienten“ läßt der „passiv unterwürfige Patient“<br />

alles mit sich geschehen. Für den Arzt ist er ein einfacher Patient. Fast<br />

ehrfurchtsvoll nimmt er jede Verordnung <strong>des</strong> Arztes an und glaubt, den<br />

idealen Weg zur Behandlung seiner Krankheit gefunden zu haben. Nach<br />

außen verteidigt er „seinen“ Arzt ohne Kompromisse. Er empfiehlt ihn an<br />

andere Patienten weiter und im direkten Interaktionsverhältnis zum Arzt ist<br />

sein Verhalten als unterwürfig zu bezeichnen, weil er sich die klassische<br />

Denkweise <strong>des</strong> Über- und Unterordnungsverhältnisses angeeignet hat.<br />

Gegenüber dem „Gott in Weiß“ ist für den „passiv unterwürfigen Patienten“<br />

jede Kritik unzulässig.<br />

Birgit (Rentnerin) ist seit über 20 Jahren bei „ihrem“ Facharzt in Behandlung:<br />

„Meinen Arzt würde ich nie wechseln. Er kennt je<strong>des</strong> Zipperlein bei<br />

mir und wir kommen gut miteinander aus. Die Medikamente<br />

nehme ich nach Vorschrift ein, denn nur er weiß, was wann für<br />

mich gut ist.“<br />

Dieter (Handwerker) ist ein ganz anderer Fall, man könnte ihn auch als einen<br />

Medizin-Terroristen bezeichnen, er soll aber hier die Kategorie „unzufriedener<br />

Patient“ repräsentieren:<br />

„Ich weiß nicht was die weiße Herrlichkeit von mir will. Mir ist<br />

durchaus bewußt, daß mir kein Mensch helfen kann. Ich werde<br />

verrecken, so oder so. Wenn es ein Heilmittel geben würde, dann<br />

hätte ich es schon längst bekommen. Ärzte wollen doch nur Geld<br />

verdienen und sie verdienen gar nicht so schlecht. Da habe ich ja<br />

nichts dagegen. Doch sie sollen nicht so tun, als wenn sie helfen<br />

könnten. Vor ein paar Jahren hat mich einer im Krankenhaus<br />

angefaßt, so richtig doll in der Magengegend, ohne vorher etwas<br />

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