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Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

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Ärzte, die unter Hitler Karriere gemacht hatten, wurden in ihren Ämtern<br />

bestätigt. Gegner <strong>des</strong> Regimes wurden im Krankenhausalltag alsbald Opfer<br />

von Intrigen, ihr Fortkommen blockierte von ein dichtes Netz aus alten<br />

Loyalitäten. Schmidts neuer Chef an der Gießener Universitätsklinik erwies<br />

sich als fachlich gering qualifiziert und gab zuletzt selbst zu, seine Laufbahn<br />

nur durch Willfährigkeit gegenüber der Partei aufgebaut zu haben.<br />

Mediziner, die im Zuge der „Euthanasie" ihre Berufung für Verbrechen<br />

nutzten, hatten Schmidts Weg nicht gekreuzt. Von ihnen handelt das Buch<br />

nicht. Schmidt hatte sich durch die Welt der Mitläufer zu kämpfen. Er erlebte<br />

die medizinische Wissenschaft, die sich eigentlich dem Dienst am Menschen<br />

verpflichtet hatte, als einen Ort von Opportunismus und Abschottung um der<br />

Karrieren wegen. <strong>Ein</strong> besonderes Verdienst <strong>des</strong> Buches ist die Dokumentation<br />

<strong>des</strong> Schriftwechsels <strong>des</strong> Autors mit führenden Vertretern seines Fachs.<br />

Er offenbart die oftmals eifrige Übererfüllung gesetzlicher Bestimmungen und<br />

straft damit die beliebte Ausrede vieler Amtsinhaber Lügen, sie hätten nur<br />

unter Zwang und widerwillig staatliche Vorgaben ausgeführt. Am Beispiel<br />

seiner Doktorväter zeigt Schmidt aber auch die Spielräume, die Menschen in<br />

leitender Stellung zugunsten Verfolgter noch finden konnten.<br />

Im Anhang bilanziert er die Lebensläufe der Mediziner, die ihn gefördert oder<br />

behindert hatten. An dieser überschaubaren Gruppe zeigt er, daß sich<br />

NSDAP- und SS-Mitgliedschaft, Karrieresprünge unter den Nazis und<br />

einschlägig antisemitisches Auftreten nicht als Hindernis für die Fortsetzung<br />

der Laufbahnen in der Bun<strong>des</strong>republik erwiesen. Die unbegrenzte Hausmacht<br />

dieser Professoren an den Hochschulinstituten veranlaßte Schmidt, der<br />

universitären Medizin 1960 den Rücken zu kehren.<br />

Er schrieb seine Erinnerungen unprätentiös, oft im Stakkato kurzer Notizen<br />

über Begebenheiten, <strong>Ein</strong>drücke, Ängste und Hoffnungen. Allerdings erschwert<br />

der recht selbstverständliche Gebrauch von Fachausdrücken dem Laien das<br />

Verständnis manchen Details. Schmidt erhielt 1990 den Literaturpreis der<br />

Bun<strong>des</strong>ärtzekammer. Sein Werk ist nun auch als Taschenbuch erhältlich.<br />

M. V.<br />

Werner Schmidt, Leben an Grenzen. Autobiographischer Bericht eines<br />

Mediziners aus dunkler Zeit, Frankfurt/M., 1993, Suhrkamp Taschenbuch, 16<br />

DM.<br />

Seite 18:<br />

Leser-Podium<br />

Initiative<br />

Als MS-Kranke lese ich mit großem Interesse Ihre Zeitschrift. Auch ich erhielt<br />

von den Behringwerken auf meine Anfrage die Auskunft, daß sich bezüglich<br />

DSG vor Mai 1994 nichts tut.<br />

Sehr lobenswert finde ich die Initiative der Gruppe von MS-Kranken, die von<br />

einem Rechtsanwalt prüfen lassen, ob ein juristisches Eilverfahren gegen die<br />

Behringwerke auf Herausgabe von DSG Aussicht auf Erfolg hätte.<br />

Ich wünsche im Interesse aller MS-Kranken diesem Versuch den besten und<br />

schnellsten Erfolg. Auch ich habe nach 14 Jahren Multipler Sklerose nicht<br />

mehr die von den Behringwerken geforderte Geduld, und schon gar keine Zeit<br />

mehr zu verschenken.<br />

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