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Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

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Dazu im Interview Helge Grabitz, Oberstaatsanwältin in Hamburg. Seit<br />

Jahrzehnten führt sie Ermittlungen gegen nationalsozialistische<br />

Gewaltverbrecher durch.<br />

Gab es im Rahmen der Nürnberger Prozesse und von deutschen<br />

Staatsanwaltschaften Ermittlungen gegen Ärzte wegen Verbrechen während<br />

der NS-Zeit?<br />

Grabitz: Ja, es fand der sogenannte Ärzteprozeß in Nürnberg statt. Es war<br />

der erste von zwölf Prozessen nach dem Verfahren gegen die<br />

Hauptkriegsverbrecher. Die deutschen Staatsanwaltschaften haben viele<br />

Ermittlungsverfahren eingeleitet.<br />

Wie sahen die Urteile gegen Ärzte und Wissenschaftler wegen ihrer Taten<br />

während der NS-Zeit aus?<br />

Grabitz: Beim Nürnberger Ärzteprozeß wurden 23 Personen angeklagt. Das<br />

Urteil erging am 20. 8. 1947. Sieben Angeklagte wurden zum Tode verurteilt<br />

und hingerichtet, fünf zu lebenslanger Freiheitsstrafe und vier zu zeitigen<br />

Freiheitsstrafen von 10 bis 20 Jahren verurteilt. Die restlichen sieben<br />

Angeklagten wurden von dem Gericht freigesprochen.<br />

Was wurde vor deutschen Gerichten mit welchen Ergebnissen gegen Ärzte<br />

verhandelt?<br />

Grabitz: Die Vergasungen in „Euthanasie“-Anstalten auf Anordnung von<br />

Ärzten. Dann die „Abspritzungen“ durch Ärzte in den Krankenanstalten. Als<br />

Beispiel soll hier die Kinder-„Euthanasie“ in Rothenburgsort (Hamburg)<br />

genannt werden.<br />

In diesem Verfahren wurde gegen 18 Ärzte ermittelt, aber die Verfolgung<br />

wurde eingestellt. Medizinische Experimente an Konzentrationslagerinsassen<br />

fanden zum Beispiel in Neuengamme statt. Die Ärzte spritzten Kindern und<br />

Erwachsenen Tuberkelbazillen. Beim Vorrücken der britischen Front wurden<br />

die Opfer aufgehängt, um alle Spuren zu verwischen. Im Urteil vom 30. 6.<br />

1966, dem Heißmeyer-Verfahren in Magdeburg, wurde der Angeklagte wegen<br />

dieser tödlich verlaufenden Versuche zu lebenslanger Freiheitsstrafe<br />

verurteilt.<br />

Ermittelt wurde auch wegen der Sterilisation von<br />

Konzentrationslagerinsassen. Gegen den Arzt Carl Clauberg wurde in Kiel<br />

ermittelt, aber er starb 1957. <strong>Ein</strong>er Hamburger Ärztin wurde vorgeworfen,<br />

Selektionen von Zigeunern in Ausschwitz durchgeführt zu haben, auch gegen<br />

sie wurde das Verfahren eingestellt. Insgesamt sind kaum Urteile von<br />

deutschen Gerichten ergangen.<br />

Sind Ärzte, die durch Gutachten quasi „To<strong>des</strong>urteile“ ausgestellt haben,<br />

überhaupt als Täter anzusehen?<br />

Grabitz: Hier handelt es sich um eine Sonderform von Schreibtischtätern,<br />

denen man die Kenntnis vom Vernichtungszweck nachweisen mußte.<br />

Wie versuchten die Angeklagten, ihre Taten zu rechtfertigen oder zu<br />

entschuldigen?<br />

Grabitz: Sie beriefen sich auf die „Ermächtigung <strong>des</strong> Führers“ hinsichtlich <strong>des</strong><br />

„Euthanasie“-Programms. In anderen Fällen wurden Genehmigungen von<br />

Himmler und anderen NS-Spitzen eingeholt.<br />

Sie haben ein Buch geschrieben (NS-Prozesse: Psychogramme der<br />

Beteiligten), in dem Sie u. a. die Täterprofile analysieren. Gibt es einen<br />

Unterschied zwischen Ärzten und „gewöhnlichen“ Tätern?<br />

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