10.12.2012 Aufrufe

Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Grunde aber ermittelnden und aufdeckenden Recherchierverfahren <strong>des</strong> Journalisten<br />

praktisch dem induktiv-deduktiven Methodenspiel der kriminalistischen Ermittlung<br />

nahe“. 108 Der recherchierende Medizinjournalist als „Kriminalist“ geht weit über die<br />

Rolle <strong>des</strong> Gesundheitsaufklärers hinaus. Er wird sich kritisch mit Daten und<br />

Hintergründen zu befassen haben und dabei die eigene Fehlerkontrolle nicht aus<br />

den Augen verlieren. Die Untersuchungsmethode über Fehler bezieht zwar den<br />

Rezipienten nicht unmittelbar in das Produkt mit ein, sie garantiert aber dem<br />

Konsumenten mittelbar nicht nur eine Verminderung der Sachfehler, sondern erfüllt<br />

verstärkt den Eigenanspruch der korrekten Berichterstattung.<br />

1988 legten Fritz A. Muthny und Michael Bechtel eine Inhaltsanalyse der<br />

Zeitschriften „Der Spiegel“, „Stern“, „Quick“ und „Neue Welt“ vor. 109 Ihre<br />

Untersuchung konzentrierte sich auf die Darstellung von chronischen Krankheiten.<br />

Für den untersuchten Jahrgang 1985 ermittelten die Forscher zwei Artikel pro<br />

Woche, die sich mit chronischen Erkrankungen befaßten. 110 Im Vordergrund<br />

standen dabei AIDS, Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen. Das Thema AIDS<br />

spielte in der Zeitschrift „Neue Welt“ keine Rolle. Die Berichte über chronische<br />

Erkrankungen orientierten sich deutlich an schulmedizinischen Methoden. 111 Die<br />

Autoren stellten bei ihrer Untersuchung der psychosozialen Aspekte fest, daß diese<br />

mit 52 Prozent einen großen Raum in der Berichterstattung einnahmen. Im<br />

einzelnen konnten in den untersuchten Medien bei den dargestellten Betroffenen<br />

Depressionen, Trauer, Hoffnungslosigkeit, Ängste, aber auch Erleichterung, Freude<br />

und Hoffnungen beobachtet werden.<br />

Ferner schauten Muthny und Bechtel nach den Methoden der in den untersuchten<br />

Zeitschriften dargestellten Krankheitsverarbeitungen. Hier wurden in den<br />

Publikationen vor allem depressive Reaktionen, Inanspruchnahme sozialer<br />

Unterstützung, problemorientiertes Coping und Verleugnung und Verdrändung<br />

dargestellt. 112 Die journalistische Darstellung dieser Themen beschränkte sich auf<br />

Fach-/Hintergrundberichte, Reportagen und Ratgeber-Rubriken und war weniger an<br />

dem Verlauf einer Krankheit ausgerichet:<br />

„Bezüglich behandelter Erkrankungsphasen wird in über der Hälfte<br />

der Fälle von Patienten bei Erkrankungsbeginn bzw. in der<br />

Primärtherapie berichtet, Nachsorgebereich und mittel- bis<br />

langfristige Rehabilitation erfahren weit weniger<br />

Aufmerksamkeit.“ 113<br />

Das Niveau der untersuchten Zeitschriften unterschied sich erheblich. „Quick“ und<br />

„Neue Welt“ reflektierten die chronischen Erkrankungen wesentlich unkritischer als<br />

108 Ebenda, S. 317.<br />

109 Muthny, Fritz A. / Bechtel, Michael, Chronische körperliche<br />

Erkrankungen in der Sicht der Medien – <strong>Ein</strong>e Inhaltsanalyse der<br />

Medizinberichterstattung in Publikumszeitschriften unter besonderer<br />

Berücksichtigung psychosozialer Aspekte, in: Medizin Mensch<br />

Gesellschaft, Heft 1, 1988, S. 188-197.<br />

110 Ebenda, S. 190.<br />

111 Ebenda, S. 191.<br />

112 Ebenda, S. 193, vergleiche auch Kapitel 4.4. dieser Arbeit.<br />

113 Ebenda, S. 195.<br />

32

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!