10.12.2012 Aufrufe

Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Gegenteil: Etwa die Hälfte erlitt schwere Schübe, berichtet das weltweit<br />

angesehene Medizinblatt „Lancet“. Weitere schlimme Folgen könnten sich<br />

einstellen, wenn der Körper aufgrund einer Virusinfektion Interferon benötigt.<br />

<strong>Ein</strong>e körpereigene Bereitstellung könnte dann wegen der ungewollt<br />

entstandenen Antikörper nicht erfolgen. Der kleinste Virus könnte ungeahnte<br />

Schäden anrichten.<br />

Erste Verdachtsmomente in der wissenschaftlichen Literatur für diese<br />

ernüchternden Alarmsignale waren frühzeitig nachlesbar. Doch scheinbar<br />

versäumte man es im ärztlichen MS-Hauptquartier der Deutschen Multiple<br />

Sklerose Gesellschaft, den Hinweisen entschieden nachzugehen.<br />

Erstaunlicherweise gab man sogar dem Vertreter <strong>des</strong> deutschen<br />

Pharmaherstellers Schering AG, Dr. Steffen Stürzebecher, Gelegenheit, in<br />

einem sechsseitigen Gespräch Produktwerbung für Betaferon zu betreiben.<br />

Der in kollegialem Plauderton gehaltene Dialog mit Prof. Dr. Dietmar Seidel<br />

streifte nur kurz die bedeutungsvolle Frage der Antikörperbildung und wurde<br />

selbst von Schering-Vertreter Stürzebecher als „noch unklar“ offengelassen.<br />

Hätte nicht ein Wissenschaftler, der ohne Frage Kompetenz und Wissen über<br />

die MS besitzt, die Aufgabe gehabt, ein solches Gespräch mit der<br />

notwendigen Distanz zum Thema zu führen? Mit entsprechendem<br />

Hintergrundwissen hätte zwangsläufig die gefährliche Antikörperbildung <strong>des</strong><br />

Betaferons zentrales Thema für einen Experten sein müssen, der gerade im<br />

Namen der DMSG seine Patienten schützen will. Es bleibt abzuwarten, wann<br />

sich das Bun<strong>des</strong>institut für Arzneimittel und Medizinprodukte – von Natur aus<br />

langsam – einmischt und die deutsche Zulassung von Betaferon in Frage<br />

stellt. US-Ärzte melden jedenfalls immer häufiger Therapieabbrüche: nicht<br />

wegen Wirkungslosigkeit, sondern wegen neuer schwerer Schübe. Ebenfalls<br />

bleibt abzuwarten, ob das kürzlich in den USA zugelassene Avonex, eine<br />

weitere Beta-Interferon-Variante, ebenfalls Antikörper bildet und damit dem<br />

gentechnisch hergestellten Scheringprodukt nachfolgt. <strong>Ein</strong>es können MS-<br />

Patienten überhaupt nicht gebrauchen: Medikamente, die ihre Krankheit<br />

verschlechtern.<br />

Nach Redaktionsschluß…<br />

…teilte der klinische Leiter der von der Hoechst AG/Behringwerke<br />

durchgeführten Multiple-Sklerose-Studie mit Deoxyspergualin (DSG), Prof. Dr.<br />

med. Ludwig Kappos, mit, daß sich bisher „kein wirklich überzeugender Effekt<br />

<strong>des</strong> Präparats im Vergleich zum Plazebo“ ergibt. Allerdings schließt Kappos<br />

nicht aus, daß sich „positive Behandlungseffekte bei Untergruppen der in der<br />

Studie behandelten ergeben“ könnten. Der Pressesprecher der Behringwerke,<br />

Dr. Pohlmann, der jüngst von dem derzeit besten Medikament gegen MS<br />

sprach, ein DMSG initiiertes Komplott erkannte und auf politischer Ebene Hilfe<br />

suchte, war zu einer Stellungnahme nicht bereit.<br />

„Das Geheimnis der Medizin besteht darin, den Patienten abzulenken,<br />

während die Natur sich selber hilft.“<br />

Voltaire<br />

Seiten 4, 5 und 6:<br />

462

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!