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Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

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Auseinandersetzung mit dem Medizinjournalismus dar. Aus seiner Zeit heraus<br />

untersucht Cattani die Berichterstattung und Wirkung in der Presse zur<br />

Entdeckung <strong>des</strong> Tuberkulins von Robert Koch und Behrings Antituberkulose-<br />

Serums. In seiner Zusammenfassung („Praktische Postulate“) erkennt der<br />

Schweizer bereits die Probleme im Umgang mit medizinischer Werbung:<br />

„Bezahlte medizinische Ankündigungen sind aus dem Textteil der<br />

Zeitungen zu verbannen, da ihr Reklamecharakter dort nicht<br />

deutlich sichtbar ist.“ 62<br />

Die Problematik hat sich bis heute gehalten, wobei sie durch indirekte PR-<br />

Tätigkeit im redaktionellen Teil oft weit schwerer zu erkennen ist.<br />

Historische Forschungen zum Medizinjournalismus müssen auch die Zeit <strong>des</strong><br />

Nationalsozialismus behandeln. Dazu gibt es leider relativ wenig Arbeiten.<br />

Hier soll zum Beispiel die Dissertation von Barbara Maerz genannt werden.<br />

Die Autorin untersuchte einen kleinen Ausschnitt und beschränkt sich dabei<br />

auf Institutionen. Namen von Beteiligten werden kaum genannt und auch der<br />

Weg in eine rassistische Politik, die schließlich zum Holocaust geführt hat,<br />

kommt zu kurz. 63 Wie kann eine grundlegende Forschung zur Geschichte <strong>des</strong><br />

Wissenschaftsjournalismus im Nationalsozialismus stattgefunden haben,<br />

wenn die Nestoren dieser Disziplin –den Medizinjournalismus eingeschlossen<br />

– selbst im „Dritten Reich“ zu den geistigen Anstiftern von Antisemitismus und<br />

Menschverachtung gehörten? Zu nennen ist etwa der bereits erwähnte<br />

Wilmont Haacke äußerte sich bereits unter anderem zur „Genealogie<br />

medizinjournalistischer Themen“. Der Autor, der in der medizinjournalistischen<br />

Forschung einen Stammplatz eingenommen hat, kann einschlägige<br />

Veröffentlichungen aus der NS-Zeit vorweisen. 1944, als die ungarischen<br />

Juden zur Ermordung nach Auschwitz verbracht wurden, schrieb er in seinem<br />

Buch „Feuilletonkunde“:<br />

„Zu den Aufgaben einer deutschen Feuilletonkunde zählt<br />

unbedingt auch die, das deutsche Feuilleton zu einer<br />

Angelegenheit <strong>des</strong> nationalen Stolzes zu machen. Da es den<br />

üblen Beigeschmack aus den Jahrzehnten seiner jüdischen<br />

Infektion in der neuen Wirklichkeit binnen kurzer Zeit verloren hat,<br />

darf man das ohne Furcht vor kurzsichtiger Behelligung tun.<br />

Endgültig muß sein Wesen auch von einzelnen noch<br />

außenstehenden und vorurteilsvollen Betrachtern als wertvoll<br />

erkannt werden, indem man sie auf <strong>des</strong>sen bedeutende<br />

62 Ebenda, S. 84.<br />

63 Maerz, Barbara, Die „Münchner Neuesten Nachrichten“ als Quelle zur<br />

medizinischen Lokalgeschichte für die Zeit von 1933 bis 1938 unter<br />

bevorzugter Berücksichtigung der medizinischenVeranstaltungen und<br />

der Berichterstattung über Personen und Institutionen <strong>des</strong><br />

Gesundheitswesens, München 1977.<br />

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