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Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

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Diese Erkenntnis bewirkte in der „Autoimmun“-Redaktion eine gewisse<br />

Ernüchterung bei der Arbeit. Denn vorgestellte Therapien erwiesen sich als<br />

nicht so erfolgreich wie von den Pharmafirmen versprochen. Durch den<br />

ständigen Kontakt mit den Patienten konnte die Redaktion schnell den Wert<br />

einer Therapie abschätzen, zumin<strong>des</strong>t für die Summe mehrerer <strong>Ein</strong>zelfälle.<br />

Daraus erwuchs ein besonderes Verantwortungsgefühl gegenüber den<br />

Lesern. Immer wieder wurde in Fachzeitschriften über neue oder die<br />

Verbesserung alter Therapien berichtet. Doch die dort gezeigten Ergebnisse<br />

waren nach eindringlicher Recherche kaum beachtenswert. Ob auf einer<br />

Nebenwirkungsliste zu einem Präparat statt 30 nun 29 Erscheinungen<br />

verzeichnet sind, interessiert den Patienten wenig. Doch wenn das<br />

Pharmaunternehmen damit Werbung betreibt und von einer besseren<br />

Therapiemöglichkeit spricht, dann ist das irreführend. Die Redaktion lernte im<br />

Laufe der Zeit, auf diese Dinge zu achten.<br />

Die Nutzung der vorhandenen Quellen zur Recherche wurde immer<br />

routinierter. Mit einer verbesserten Informationslage konnte zunehmend ein<br />

<strong>Ein</strong>blick in den Medizinbetrieb gewonnen werden. Hierbei fiel zum Beispiel<br />

auf, wie die Meldungen über die Fachpresse in die Laienmedien gelangt sind:<br />

Der klinische Leiter einer Studie publiziert in einem seriösen Fachblatt.<br />

Gleichzeitig greift das die Studie durchführende Pharmaunternehmen das<br />

Thema auf und propagiert es mit einer positiven Grundstimmung. Nun wird die<br />

Presse informiert, die natürlich auf sensationelle Erfolgsmeldungen wartet.<br />

Noch während die Medienkampagne läuft, mußte die Studie wegen starker<br />

Nebenwirkungen eingestellt werden. Die Presseabteilung <strong>des</strong><br />

Pharmaunternehmens verstummt nun, der klinische Leiter verweist jetzt auf<br />

einen bevorstehenden Aufsatz in einer Fachzeitschrift, der Monate auf sich<br />

warten läßt und dann als Zehnzeiler erscheint. Über ein ganzes Jahr geistert<br />

jedoch das inzwischen eingestellte Produkt durch die Medien und erweckt bei<br />

den Patienten Hoffnung. Dieses Beispiel verdeutlicht den Weg einer wenig<br />

durchsichtigen Pharmawerbung. Auch wenn diese Erkenntnis nicht auf einer<br />

repräsentativen Erhebung basiert, so konnte die „Autoimmun“-Redaktion<br />

mehrere solcher Fälle beobachten.<br />

Es ist das Geschäft mit der Hoffnung, dem viele Ärzte und Medien nicht<br />

widerstehen können. Bei schätzungsweise vier Millionen Autoimmunkranken<br />

scheinen ökonomische Gründe den Ausschlag für viele Meldungen zu geben.<br />

Gerade bei kritischer Betrachtung der Quellenlage für Patienten und<br />

Fachredaktionen sollte der bereits erwähnten Ziffer 14 <strong>des</strong> Pressekodex vom<br />

Deutschen Presserat stärkere Beachtung geschenkt werden.<br />

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