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Ein Entwurf des publizistischen Kriteriums „Sensibilität“

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Sooft Finlay es auch versuchte, dies gelang ihm nicht. Damals wußte er noch<br />

nicht, daß die von ihm verdächtigten Insekten 12 Tage benötigen, um das mit<br />

dem Blut Gelbfieberkranker aufgesogene Virus ansteckungsreif werden zu<br />

lassen. Diese Entdeckung sollte erst später gemacht werden! Als Dr. Finlay<br />

von der Ankunft der amerikanischen Gelbfieberkommission auf Kuba hörte,<br />

suchte er den Leiter Dr. Reed auf, der schon wegen der Mückentheorie<br />

vorgewarnt worden war.<br />

Finlay zog aus seiner Jackentasche ein Tütchen mit kleinen, schwarzen,<br />

ovalen Gebilden und überreichte sie Reed mit den Worten: „Dies sind<br />

Moskito-Eier. Lassen Sie sie in der Sonne ausbrüten und experimentieren<br />

Sie!“ Reed gab die Moskito-Eier weiter an seinen Mitarbeiter Dr. Lazear.<br />

Lazear wiederum ließ die Eier in der Sonne ausbrüten. Die geschlüpften<br />

Moskitos durften nur abends aus den Reagenzgläsern heraus, denn nur dann<br />

pflegen diese Insekten zu saugen.<br />

Man wußte auch, daß nur Moskitoweibchen das Gelbfieber übertragen<br />

konnten. Dr. Lazear setzte sie sich und seinen Mitarbeitern an. Die Tiere<br />

hatten bisher noch keine Gelegenheit gehabt, Gelbfieberkranke zu stechen.<br />

Mehrere Tage fütterte er die Moskitos auf diese Weise, ohne daß ihm und<br />

seinen Mitarbeitern etwas geschah. Das konnte als Beweis gewertet werden,<br />

daß die Insekten von Infektionen frei waren.<br />

Dr. Reed mußte zu seinem Bedauern nach Washington zur Berichterstattung<br />

der Forschungen, er übertrug seinem Stellvertreter Dr. Caroll die weitere<br />

Leitung <strong>des</strong> Forschungsprojekts. Caroll hatte jetzt die Hauptverantwortung für<br />

das, was dem Team an dramatischen Ereignissen noch bevorstand.<br />

Glasröhrchen mit Moskitoweibchen in der Hand, gingen Caroll und Lazear zu<br />

den Schwerstkranken in den Gelbfieberbaracken.<br />

Behutsam lösten sie die Verschlüsse von den Glasröhrchen und stülpten<br />

diese auf Brust und Unterschenkel der Kranken. Lazear und Caroll waren<br />

beide bereit, sich die auf diese Weise infizierten Moskitoweibchen anzusetzen.<br />

Jeder wollte der Erste sein, aber beide dachten auch an ihre Familie, an ihre<br />

Kinder. Caroll hatte fünf, Lazear hatte zwei Kinder. Zwei Wochen nachdem die<br />

Moskitos an Schwerstkranken gesaugt hatten, war es Caroll, der sich stechen<br />

ließ. Bereits nach vier Tagen lag er im Seuchenlazarett. Zu seinem Glück<br />

überwand er das erste Stadium <strong>des</strong> Gelbfiebers.<br />

Er trug der Krankenschwester auf: „Rufen Sie rasch Dr. Lazear!“ Als Lazear<br />

eintrat empfing ihn Caroll mit dem Freudenruf: „An mir ist erwiesen worden,<br />

daß die Moskitoweibchen die Vertreterinnen <strong>des</strong> mörderischen Gelbfiebers<br />

sind!“ Am 13. September 1900 machte dann Dr. Lazear den selben Versuch<br />

an sich selbst durch, weil er noch immer Zweifel an der Moskitotheorie hatte.<br />

Bis zum vierten Tag verlief das Gelbfieber im ersten Stadium, bis dann das<br />

zweite Stadium anfing.<br />

Caroll ließ Lazear, der jetzt fortschreiten<strong>des</strong> Fieber und Gelbsucht hatte, in<br />

eine Isolierbaracke bringen. Krampfartiges Zusammenziehen <strong>des</strong> Zwerchfells<br />

deutete an, daß Lazear das berüchtigte Bluterbrechen bevorstand. Er lebte<br />

nur noch weitere fünf Tage, starb am 25. September. Mit allen Ehren<br />

bestattete man Lazear in seiner Heimatstadt Baltimore. „Er gab sein Leben<br />

freiwillig hin, damit Tausende seiner Mitmenschen in den amerikanischen<br />

Südstaaten nicht sterben sollten“, hieß es in Ehrungen. Tief erschüttert<br />

vernahm Dr. Reed, als er von seinem Rapport aus Washington zurückkam,<br />

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