Parteitag der SPD in Hannover
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eschränkt, vernachlässigt jeweils e<strong>in</strong>en<br />
entscheidenden Teil des Lebens.<br />
Um diesen ¹Doppelten Lebensentwurfª<br />
lebbar zu machen, ist e<strong>in</strong>e radikale Arbeitszeitverkürzung<br />
erfor<strong>der</strong>lich. Denn das bisherige<br />
¹Normalarbeitszeitverhältnisª macht<br />
die Übernahme <strong>der</strong> eigenen Reproduktionspflichten<br />
oft zu e<strong>in</strong>er Überfor<strong>der</strong>ung.<br />
Damit zeigt sich, daû AZV gleich zweimal<br />
e<strong>in</strong> zentrales Instrument zur Durchsetzung<br />
wichtiger politischer Ziele ist: Zum e<strong>in</strong>en<br />
kann damit e<strong>in</strong> Schritt zur Gleichberechtigung<br />
<strong>der</strong> Geschlechter getan werden, zum<br />
an<strong>der</strong>en kann nur so am Ziel <strong>der</strong> Vollbeschäftigung<br />
festgehalten werden.<br />
III. Vollbeschäftigung und Normalarbeitsverhältnis<br />
Zunächst ist festzuhalten: Arbeit geht ke<strong>in</strong>eswegs<br />
aus! Im Gegenteil, sie liegt millionenfach<br />
brach und es entstehen permanent<br />
neue Bedarfsfel<strong>der</strong> und Bedürfnisse, die<br />
bearbeitet werden müûten (z.B. im<br />
Umweltbereich, Sozialbereich, Gesundheit<br />
und Kultur ± von den globalen Problemen<br />
ganz zu schweigen).<br />
Realität ist aber auch: Es vollzieht sich e<strong>in</strong>e<br />
irreversible faktische Erosion des traditionellen<br />
¹Normalarbeitsverhältnissesª: E<strong>in</strong><br />
Vollzeit-Familienernährer, männlich, 8-<br />
Stunden-Tag, Frau und K<strong>in</strong><strong>der</strong> daheim.<br />
E<strong>in</strong>e Rückkehr zu Verhältnissen wie im<br />
Wirtschaftswun<strong>der</strong>zeitraum ist we<strong>der</strong> möglich<br />
noch wünschenswert. E<strong>in</strong> allerd<strong>in</strong>gs<br />
modifizierter Begriff von Vollbeschäftigung<br />
und damit verbunden e<strong>in</strong>e Neudef<strong>in</strong>ition<br />
des Normalarbeits- und Normalarbeitszeitverhältnisses<br />
ist sowohl s<strong>in</strong>nvoll als auch<br />
als Zielvorstellung realisierbar. Folgende<br />
Elemente s<strong>in</strong>d wichtig (Hier werden <strong>in</strong><br />
aller Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit sowohl wünschenswerte<br />
wie bloû realistisch erwartbare<br />
Aspekte gereiht):<br />
± Allgeme<strong>in</strong> werden und müssen die <strong>in</strong>dividuellen<br />
Erwerbsarbeitszeiten massiv<br />
s<strong>in</strong>ken (Lebens-, Jahres-, Wochen- und<br />
Tagesarbeitszeiten).<br />
± Erwerbsarbeit, E<strong>in</strong>kommen und soziale<br />
Absicherung wird zwischen Männern<br />
und Frauen gerechter verteilt werden<br />
müssen.<br />
± Ausbildungs- und Qualifizierungszeiten<br />
werden zunehmen und sich auf e<strong>in</strong>e<br />
ganze Erwerbsbiographie verteilen.<br />
± E<strong>in</strong> Mensch wird bei lebenslangem Lernen<br />
und vielfachen Anpassungsleistungen<br />
e<strong>in</strong>e Kette von Jobs durchlaufen, mit<br />
Unterbrechungen, Ortswechseln, Qualifizierungszeiten.<br />
± Gesellschaftliche und staatliche Maûnahmen<br />
müssen die Risiken <strong>der</strong> flexiblen<br />
Erwerbsbiographien absichern, im<br />
Bereich <strong>der</strong> Qualifzierungs- und Sozialpolitik<br />
die Aufgaben erhöhen und generell<br />
e<strong>in</strong>e soziale M<strong>in</strong>destabsicherung vorhalten.<br />
± Es steht e<strong>in</strong>e Zunahme von ± allerd<strong>in</strong>gs<br />
diskrim<strong>in</strong>ierungsfreier, <strong>in</strong>dividuell wählbarer<br />
und auf beide Geschlechter verteilter<br />
± Teilzeitarbeit an. Die Teilzeitquote<br />
ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> BRD relativ niedrig. E<strong>in</strong>e<br />
sozial abgesicherte För<strong>der</strong>ung von Teilzeitarbeit<br />
könnte hun<strong>der</strong>ttausende<br />
Arbeitsplätze schaffen, bei Annäherung<br />
an Verhältnisse wie <strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen<br />
bis zu 2 Millionen.<br />
± Die Zunahme von flexiblen Arbeitszeiten<br />
allgeme<strong>in</strong> liegt nicht nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Logik<br />
von AZV, son<strong>der</strong>n auch zunehmend im<br />
Interesse e<strong>in</strong>es verän<strong>der</strong>ten gesellschaftlichen<br />
und <strong>in</strong>dividuellen Zeitmanagements<br />
und natürlich grundsätzlich im Interesse<br />
<strong>der</strong> Kapazitätsauslastungspolitik <strong>der</strong><br />
Unternehmen. Freilich macht es e<strong>in</strong>en<br />
Unterschied, ob <strong>der</strong> Arbeitgeber anruft,<br />
und dem/<strong>der</strong> ArbeitnehmerIn flexible<br />
Arbeitszeit verordnet (¹Tach, Frau<br />
Schmidt, an <strong>der</strong> Kasse ist gerade viel zu<br />
tun, könnten Sie mal vorbeikommen?ª)<br />
o<strong>der</strong> ob die Zeitsouveränität geregelt ist<br />
bzw. mit den Interessen des/<strong>der</strong> ArbeitnehmerIn<br />
vere<strong>in</strong>bar ist.<br />
± E<strong>in</strong>e soziale und ökonomische Neu- und<br />
Höherbewertung <strong>der</strong> Reproduktionsarbeit:<br />
Haushalt, K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung ist<br />
längst überfällig, wenngleich noch kaum<br />
im Gange ± und damit auch e<strong>in</strong>e Umverteilung<br />
<strong>der</strong> Arbeit und Reproduktionsarbeit<br />
zwischen den Geschlechtern.<br />
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