Parteitag der SPD in Hannover
Parteitag der SPD in Hannover
Parteitag der SPD in Hannover
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
essere Anpassung des ¹Faktors Arbeitª an<br />
die betrieblichen Bedürfnisse.<br />
Die Kampagne zur Deregulierung und Flexibilisierung<br />
stellt e<strong>in</strong> zentrales Element<br />
neokonservativer Gesellschaftsspaltung dar.<br />
Hierbei handelt es sich um den Abbau von<br />
sozialen Schutzrechten <strong>in</strong> bisher politisch<br />
regulierten und <strong>der</strong> Profitlogik entzogenen<br />
gesellschaftlichen Bereichen.<br />
Die For<strong>der</strong>ung nach Verschlankung des<br />
(Sozial-)Staates und Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />
setzt sich momentan unter an<strong>der</strong>em<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Verlängerung <strong>der</strong> Lebensarbeitszeit<br />
um. Das Rentene<strong>in</strong>trittsalter steigt<br />
wie<strong>der</strong>. Zum e<strong>in</strong>en werden die Altersgrenzen<br />
fortlaufend erhöht, zum an<strong>der</strong>en werden<br />
Vorruhestandsregelungen erschwert,<br />
die <strong>in</strong>folge <strong>der</strong> Intensivierung <strong>der</strong> Arbeit<br />
sowie vor allem arbeitsmarktbed<strong>in</strong>gt stark<br />
zugenommen hatten. Mit <strong>der</strong> Deregulierung<br />
<strong>der</strong> Ladenöffnungszeiten und damit<br />
<strong>der</strong> Flexibilisierung <strong>der</strong> Arbeitszeiten <strong>in</strong><br />
den Abend und <strong>in</strong> das Wochenende h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>,<br />
werden die seit langem gewachsenen Zeitstrukturen<br />
und damit <strong>der</strong> gesamte gesellschaftliche<br />
Zeitrhythmus <strong>in</strong> Frage gestellt.<br />
Der Arbeitse<strong>in</strong>satz soll möglichst flexibel<br />
den Schwankungen <strong>der</strong> Nachfrage angepaût<br />
werden. Um relativ teure und mitbestimmungspflichtige<br />
Überstunden ohne<br />
Flexibilitätsverluste e<strong>in</strong>sparen zu können,<br />
werden momentan möglichst ger<strong>in</strong>g regulierte<br />
Arbeitszeitkonten gefor<strong>der</strong>t, die lange<br />
Ausgleichszeiträume für Mehrarbeit vorsehen.<br />
Meist ist die Flexibilisierung <strong>der</strong> Arbeitszeit<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e unternehmerische Rationalisierungsstrategie<br />
zur E<strong>in</strong>sparung von Personalkosten<br />
e<strong>in</strong>gebunden. Die Mehrzahl <strong>der</strong><br />
Beschäftigten muû sich an betriebswirtschaftliche<br />
Zwänge anpassen. Die unternehmerischen<br />
Verfügungsrechte über die<br />
Anwendung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Arbeitskraft nehmen<br />
zu.<br />
Flexibilität ist Normalität<br />
Das ¹enge und starre Konzept des Normalarbeitsverhältnissesª,<br />
das we<strong>der</strong> Unternehmern<br />
noch ArbeitnehmerInnen <strong>in</strong>dividuelle<br />
Möglichkeiten bieten würde, ist schon seit<br />
e<strong>in</strong>igen Jahren nicht mehr prägend für<br />
bundesdeutsche Arbeitsbeziehungen. 1995<br />
arbeiteten 81 Prozent <strong>der</strong> abhängig<br />
Beschäftigten <strong>in</strong> Arbeitsverhältnissen mit<br />
mehr o<strong>der</strong> weniger flexiblen Arbeitszeiten<br />
(1993: 77 Prozent). 45 Prozent machten<br />
1995 regelmäûig Überstunden (1993:<br />
39 Prozent), 18 Prozent s<strong>in</strong>d teilzeitbeschäftigt.<br />
In den Manteltarifverträgen s<strong>in</strong>d<br />
bereits unzählige Flexibilisierungsspielräume<br />
fixiert worden, die jedoch maximal<br />
zu e<strong>in</strong>em Drittel von den Betrieben genutzt<br />
werden. Die Unternehmerfor<strong>der</strong>ungen<br />
nach ¹mehr Flexibilitätª gehen <strong>in</strong>sofern<br />
völlig an <strong>der</strong> Realität vorbei.<br />
In <strong>der</strong> Bundesrepublik beschreibt das sogenannte<br />
Normalarbeitsverhältnis nicht mehr<br />
e<strong>in</strong> konkretes Arbeitszeitmuster, son<strong>der</strong>n<br />
die Standards und Normen, die zu e<strong>in</strong>em<br />
ausreichend abgesicherten Beschäftigungsverhältnis<br />
gehören. Das Normalarbeitsverhältnis<br />
ist e<strong>in</strong>e stabile, sozial abgesicherte,<br />
abhängige Vollzeitbeschäftigung, <strong>der</strong>en<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen wie Arbeitszeit,<br />
Löhne und Transferleistungen kollektivvertraglich<br />
o<strong>der</strong> arbeits- bzw. sozialrechtlich<br />
auf e<strong>in</strong>em M<strong>in</strong>destniveau geregelt s<strong>in</strong>d. Mit<br />
<strong>der</strong> Vertretungsmacht, <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelgewerkschaft,<br />
können tendenziell diese Bed<strong>in</strong>gungen<br />
vere<strong>in</strong>heitlicht werden.<br />
Alle Beschäftigten im Normalarbeitsverhältnis<br />
können somit an den gesetzlichen<br />
und tarifvertraglichen Absicherungen,<br />
angefangen vom Arbeitsschutz bis zur Mitbestimmung,<br />
une<strong>in</strong>geschränkt partizipieren.<br />
Am Normalarbeitsverhältnis kann <strong>der</strong> Grad<br />
von Absicherung <strong>der</strong> verschiedenen<br />
Arbeitsverhältnisse gemessen werden. Darüber<br />
h<strong>in</strong>aus ist das öffentliche Leben,<br />
angefangen von den Öffnungszeiten von<br />
Behörden und Geschäften bis h<strong>in</strong> zu Veranstaltungen<br />
im kulturellen o<strong>der</strong> politischen<br />
o<strong>der</strong> gesellschaftlichen Bereich mehr<br />
o<strong>der</strong> weniger stark auf das Normalarbeitsverhältnis,<br />
als Regelfall für den Rhythmus<br />
von Arbeitszeit und Freizeit, ausgerichtet.<br />
Die Teilnahme am öffentlichen Leben ist<br />
somit nicht zuletzt durch die Qualität des<br />
jeweiligen Arbeitsverhältnisses def<strong>in</strong>iert.<br />
173