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Parteitag der SPD in Hannover

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Kollektive Arbeitszeitverkürzung<br />

Die For<strong>der</strong>ung nach e<strong>in</strong>er kollektiven Verkürzung<br />

<strong>der</strong> Arbeitszeit ist historisch<br />

hauptsächlich gesundheitspolitisch begründet.<br />

Um die Überfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> abhängig<br />

Beschäftigten im Arbeitsprozeû zu begrenzen,<br />

muûte den Unternehmen die Möglichkeit<br />

genommen werden, die Arbeitskräfte<br />

zeitlich nahezu unbegrenzt auszunutzen.<br />

ArbeitnehmerInnen waren und s<strong>in</strong>d vor<br />

e<strong>in</strong>em allzu schnellen Gesundheitsverschleiû<br />

zu schützen. Es muû ausreichend<br />

Zeit für Ruhe und Regeneration zur Verfügung<br />

stehen. Durch e<strong>in</strong>e Verkürzung <strong>der</strong><br />

Lebensarbeitszeit konnten sich eigenständige<br />

Lebensphasen wie Jugend und Alter<br />

überhaupt erst herausbilden. Menschen<br />

können ihre persönlichen Bedürfnisse<br />

befriedigen und am sozialen, politischen<br />

und kulturellen Leben teilhaben. Die<br />

Arbeitszeitverkürzung, die die Arbeiterschaft<br />

mit Hilfe <strong>der</strong> Gewerkschaften<br />

schrittweise durchzusetzen vermochte, ist<br />

Ausdruck e<strong>in</strong>er gesellschaftlichen Entwicklung,<br />

die darauf abzielt, e<strong>in</strong>en Teil des<br />

Fortschritts <strong>in</strong> Form von Muûe zu konsumieren.<br />

Angesichts des erkämpften Lebensstandards<br />

war das Konsumgut ¹Freizeitª<br />

für viele Lohnabhängige erstrebenswerter<br />

geworden als <strong>in</strong> Zeiten niedriger Löhne, <strong>in</strong><br />

denen je<strong>der</strong> zunächst versuchen muûte,<br />

se<strong>in</strong>e materielle Lage zu verbessern. Neben<br />

technischen Entwicklungen wie z. B. <strong>der</strong><br />

Produktionsanstieg durch vermehrten<br />

Technike<strong>in</strong>satz s<strong>in</strong>d für die jeweilige Länge<br />

<strong>der</strong> Arbeitszeit soziale, ökonomische, politische<br />

und ideologische Faktoren bestimmend.<br />

E<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Arbeitszeitverkürzung ist<br />

<strong>der</strong> zentrale Hebel, durch e<strong>in</strong>e Umverteilung<br />

von Arbeit Arbeitslosigkeit zu verr<strong>in</strong>gern<br />

und e<strong>in</strong>e wichtige Maûnahme gegen<br />

e<strong>in</strong>e zunehmende Intensivierung im<br />

Arbeitsprozeû. Trotz e<strong>in</strong>er verbesserten<br />

mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung und trotz gestiegener<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an die Verträglichkeit<br />

<strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen ist <strong>der</strong> vorzeitige<br />

Verschleiû <strong>der</strong> Arbeitskraft e<strong>in</strong> gesellschaftlich<br />

drückendes Problem geblieben. Die<br />

Zeitnot o<strong>der</strong> die Zeitknappheit ist für den<br />

überwiegenden Teil <strong>der</strong> Lohnabhängigen<br />

174<br />

ke<strong>in</strong>eswegs verr<strong>in</strong>gert worden, son<strong>der</strong>n<br />

nach wie vor e<strong>in</strong>e bestimmende Tendenz<br />

ihres Alltagslebens.<br />

Angesichts <strong>der</strong> gravierenden Arbeitslosigkeit<br />

vor allem <strong>in</strong> den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

wäre die Arbeitszeitverkürzung e<strong>in</strong><br />

wichtiger Bestandteil ihrer Bekämpfung<br />

und könnte unter Berücksichtigung e<strong>in</strong>er<br />

sozialverträglichen Gestaltung (z.B.<br />

Beschäftigungssicherheit, E<strong>in</strong>kommen,<br />

gesundheitliche Aspekte, Zeitwohlstand,<br />

lebensgeme<strong>in</strong>schaftlichen Beziehungen,<br />

soziale Teilhabe) nicht nur dazu führen,<br />

daû Millionen von arbeitslosen Menschen<br />

wie<strong>der</strong> an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben,<br />

son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> Charakter von<br />

Arbeit könnte sich verän<strong>der</strong>n.<br />

30-Stunden-Woche und Zeitsouveränität<br />

Um den gestiegenen Bedürfnissen <strong>der</strong><br />

ArbeitnehmerInnen nach mehr Zeitsouveränität<br />

gerecht zu werden und bestehende<br />

Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen,<br />

ist die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> 30-Stunden-<br />

Woche und die Verkürzung <strong>der</strong> täglichen<br />

Arbeitszeit auf 6 Stunden e<strong>in</strong>e zentrale Voraussetzung.<br />

Mit <strong>der</strong> Festlegung e<strong>in</strong>er verkürzten<br />

Normalarbeitszeit begründet sich<br />

sowohl <strong>der</strong> Maûstab für die Arbeitsbelastungen,<br />

die ohne Gesundheitsgefährdungen<br />

und Überbeanspruchungen ertragen<br />

werden können, als auch <strong>der</strong> Anspruch auf<br />

e<strong>in</strong> regelmäûig zu zahlendes Arbeitsentgelt,<br />

das zur <strong>in</strong>dividuellen Existenzsicherung<br />

ausreicht. Voraussetzung dafür, daû die verkürzte<br />

Normalarbeitszeit die Garantiefunktion<br />

für das E<strong>in</strong>kommen übernimmt, ist<br />

<strong>der</strong> Lohnausgleich. Bei e<strong>in</strong>er Arbeitszeitverkürzung<br />

ohne Lohnausgleich bliebe für<br />

die breite Mehrheit <strong>der</strong> Beschäftigten die<br />

angestrebte Teilhabe am sozialen, politischen<br />

und kulturellen Leben unerreichbar.<br />

Individuelle Zeitsouveränität ist nur zu<br />

gewährleisten, wenn erstens Arbeitszeiten<br />

und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen kollektiv geregelt<br />

s<strong>in</strong>d, um e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle Lebensführung<br />

überhaupt zu ermöglichen, und zweitens<br />

allen arbeitenden Menschen gleichermaûen<br />

das Recht offensteht, über die Dauer, Lage

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