Parteitag der SPD in Hannover
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Das Ehrenamt ± ke<strong>in</strong>e Arbeit zum<br />
Nulltarif<br />
Ehrenamtliche Arbeit darf nicht als<br />
¹Arbeit zum Nulltarifª miûverstanden und<br />
damit als E<strong>in</strong>sparpotential im sozialen<br />
Bereich benutzt werden. Es darf nicht h<strong>in</strong>genommen<br />
werden, daû ehrenamtliche<br />
Arbeit als Ersatz für bezahlte Erwerbsarbeit<br />
angesehen und anstelle von professionellen<br />
Angeboten e<strong>in</strong>gesetzt wird, um<br />
(öffentliche) Haushalte zu entlasten und<br />
Erwerbslosen e<strong>in</strong>e Sche<strong>in</strong>alternative zur<br />
Arbeitslosigkeit anzudienen. Konzepte, die<br />
geradezu darauf ausgerichtet s<strong>in</strong>d, gezielt<br />
Frauen ehrenamtliche Tätigkeit anstelle<br />
von Berufstätigkeit schmackhaft zu<br />
machen, s<strong>in</strong>d unannehmbar. Das gilt um<br />
so mehr <strong>in</strong> Zeiten anhaltend hoher Massenarbeitslosigkeit,<br />
<strong>in</strong> denen <strong>der</strong> Druck auf<br />
Frauen, den Arbeitsmarkt zu ¹entlastenª,<br />
seit jeher gröûer wird. Die Tatsache, daû<br />
sich im Ehrenamt die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
übliche geschlechtsspezifische Arbeitsteilung<br />
wi<strong>der</strong>spiegelt, darf nicht als quasi<br />
naturgegeben h<strong>in</strong>genommen und damit<br />
<strong>der</strong> konservativen Vere<strong>in</strong>nahmung überlassen<br />
werden.<br />
Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung auch<br />
im Ehrenamt überw<strong>in</strong>den<br />
Es gibt e<strong>in</strong>e unvertretbare Kluft <strong>der</strong><br />
Geschlechterbeteiligung zwischen <strong>der</strong><br />
unmittelbar personenbezogenen Hilfe auf<br />
<strong>der</strong> untersten Hierarchiestufe, die m<strong>in</strong>destens<br />
zu 80 Prozent von Frauen erbracht<br />
wird, und den gleichfalls als Ehrenamt geltenden<br />
Entscheidungs-, Aufsichts- und<br />
Kontrollfunktionen, etwa <strong>in</strong> Beiräten aller<br />
Art. Das unentgeltliche Ehrenamt im<br />
Bereich <strong>der</strong> Sorge- und Betreuungsarbeit<br />
ist ke<strong>in</strong> ¹Privilegª von Frauen, son<strong>der</strong>n<br />
muû im selben Maû ± <strong>in</strong> allen Bereichen<br />
und auf allen Hierarchiestufen ± auch von<br />
Männern ausgeübt werden. Unter Gleichstellungsgesichtspunkten<br />
muû im Umkehrschluû<br />
erreicht werden, daû Frauen gleichberechtigt<br />
auch an allen gesellschaftlichen<br />
ehrenamtlichen Machtfunktionen beteiligt<br />
werden. In bei<strong>der</strong>lei H<strong>in</strong>sicht würde dies<br />
<strong>der</strong> Kompetenzerweiterung von Männern<br />
und Frauen dienen, womit auch das Quali-<br />
330<br />
fikationsspektrum für Erwerbstätigkeit<br />
bereichert werden könnte.<br />
Gesellschaftliche Solidarität nicht länger<br />
auf Kosten von Frauen<br />
Die F<strong>in</strong>anzierung von Modellprojekten, die<br />
gezielt Frauen den Zugang zu Ehrenämtern<br />
erleichtern sollen, führen dazu, daû<br />
ehrenamtliche Sozialarbeit Frauenarbeit<br />
bleibt und zu den alten Rollenklischees<br />
zurückführt: Sozusagen Hausarbeit plus für<br />
Frauen und für Männer Berufsarbeit pur.<br />
E<strong>in</strong> solches Muster ist im übrigen schon<br />
deswegen immer weniger e<strong>in</strong>kalkulierbar,<br />
weil die Erwerbsneigung und Erwerbsbefähigung<br />
von Frauen <strong>in</strong> den alten Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
immer mehr zunimmt und <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />
ungebrochen hoch ist. Die<br />
Bereitschaft von Frauen zum ¹Dase<strong>in</strong> für<br />
an<strong>der</strong>eª <strong>in</strong> Form von unentgeltlicher und<br />
sozial nicht abgesicherter ehrenamtlicher<br />
Arbeit stöût somit an Grenzen. An<strong>der</strong>erseits<br />
muû vermerkt werden, daû gerade<br />
berufstätige Frauen (und Männer) stark<br />
motiviert s<strong>in</strong>d, sich darüber h<strong>in</strong>aus gesellschaftlich<br />
zu engagieren. Auch das ist bei<br />
e<strong>in</strong>er Neubewertung des Ehrenamtes und<br />
freiwilligen Engagements zu berücksichtigen.<br />
Der Versuch von Konservativen und<br />
¹Liberalenª, den Verlust von Frauen als<br />
¹stille Reserve <strong>der</strong> Sozialpolitikª durch<br />
Programme auszugleichen, die das Pr<strong>in</strong>zip<br />
<strong>der</strong> Freiwilligkeit verlassen und e<strong>in</strong>e soziale<br />
Dienstpflicht für alle vorsehen, muû kategorisch<br />
zurückgewiesen werden. Für<br />
Frauen würde das doppelte Benachteiligung<br />
zusätzlich zu traditionellen Benachteiligungen<br />
bei Berufsausbildung und -ausübung<br />
und e<strong>in</strong>seitiger Rollenaufteilung <strong>in</strong><br />
Haus und Familie bedeuten.<br />
Für die <strong>SPD</strong> ergeben sich daraus folgende<br />
Schluûfolgerungen:<br />
Es müssen vor allem solche Konzepte und<br />
Strategien unterstützt werden, die e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barkeit<br />
von Erwerbsarbeit, Familie und<br />
gesellschaftlichem Engagement anstreben ±<br />
für Frauen und Männer. Das kann u.a.<br />
bedeuten, Möglichkeiten <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuung<br />
vorzuhalten und Aufwandsentschädi-