Psychische Erkrankungen in der Lebensspanne ... - DGPPN
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Topic 4 G Affektive Störungen, F3 // Affective disor<strong>der</strong>s, F3<br />
Topic: 4 Affektive Störungen, F3<br />
Donnerstag, 26. 11. 2009, 10.30 – 12.00 Uhr, Saal Istanbul<br />
HS-004 Hauptsymposium<br />
Wirklatenz antidepressiver Therapien: Grundlagen und Mechanismen<br />
Vorsitz: J. Kornhuber (Erlangen), U. Hegerl (Leipzig)<br />
001<br />
Zeitverlauf am Beg<strong>in</strong>n und Ende depressiver Phase<br />
Ulrich Hegerl (Unikl<strong>in</strong>ikum Leipzig, Psychiatrische Kl<strong>in</strong>ik)<br />
R. Mergl, M. Strauß, P. Schönknecht<br />
Während bei manchen depressiv Erkrankten sich das Vollbild <strong>der</strong><br />
depressiven Symptomatik sehr rasch, zum Teil <strong>in</strong>nerhalb von<br />
24 Stunden entwickelt, ist bei an<strong>der</strong>en e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>schleichen über Wochen<br />
und Monate zu beobachten. Zur Erfassung dieses bisher nicht<br />
systematisch untersuchten Zeitaspektes des Beg<strong>in</strong>ns depressiver<br />
Episoden wurde das Onset of Depression Inventory (ODI)1 entwickelt.<br />
Die Untersuchung von Patienten mit uni- und bipolaren<br />
affektiven Störungen ergab, dass e<strong>in</strong> rascher Depressionsbeg<strong>in</strong>n<br />
von weniger als e<strong>in</strong>er Woche bei 58 % <strong>der</strong> Patienten mit bipolarer<br />
Störung, jedoch nur bei 7,4 % <strong>der</strong> Patienten mit unipolarer depressiver<br />
Erkrankung zu beobachten war. Diese enge Assoziation zwischen<br />
raschem Erkrankungsbeg<strong>in</strong>n und bipolarer Depression wurde<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Replikationsstudie bestätigt. Zudem wiesen auch, im<br />
Rahmen e<strong>in</strong>er dritten Untersuchung, Patienten mit unipolaren affektiven<br />
Störungen mit raschem Erkrankungsbeg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>e doppelt<br />
so hohe Rate von Suizidversuchen <strong>in</strong> den vorhergehenden 12 Monaten<br />
auf als Patienten, bei denen sich die depressive Episode langsam<br />
e<strong>in</strong>schleichend entwickelte. Fazit für die Kl<strong>in</strong>ik: Bei Patienten,<br />
bei denen sich das Vollbild <strong>der</strong> depressiven Episode ohne vorhergehendes<br />
akutes Lebensereignis <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Woche ausbildet, ist<br />
damit zu rechnen, dass e<strong>in</strong>e bisher vielleicht nicht manifest gewordenen<br />
bipolare Depression vorliegt. 1 Hegerl et al. 2008: J Cl<strong>in</strong> Psychiatry<br />
69: 1075-1080.<br />
002<br />
Pharmakok<strong>in</strong>etische Ursachen <strong>der</strong> Wirklatenz<br />
Johannes Kornhuber (Unikl<strong>in</strong>ikum Erlangen, Psychiatrische Kl<strong>in</strong>ik)<br />
P. Tripal, M. Reichel<br />
Die Ursache <strong>der</strong> Wirklatenz <strong>der</strong> Antidepressiva ist e<strong>in</strong>e zentrale<br />
Fragestellung <strong>der</strong> biologischen Psychiatrie und Psychopharmakologie.<br />
Dazu existieren zwei sich ergänzende Hypothesen. Die<br />
Hypothese <strong>der</strong> Neuroplastizität geht von langsamen Antidepressiva-<strong>in</strong>duzierten<br />
neuronalen biochemischen und strukturellen Än<strong>der</strong>ungen<br />
aus. In dem Vortrag wird die zweite Hypothese, die pharmakok<strong>in</strong>etische<br />
Hypothese, fokussiert: Viele Antidepressiva haben<br />
ähnliche physikochemische Eigenschaften; sie s<strong>in</strong>d lipophil und<br />
schwach basisch. Dies erklärt die hohe Gewebeb<strong>in</strong>dung solcher<br />
Substanzen. Antidepressiva kumulieren dabei <strong>in</strong> lipophilen und<br />
sauren <strong>in</strong>trazellulären Strukturen wie den Lysosomen. Für e<strong>in</strong>ige<br />
Antidepressiva (Fluvoxam<strong>in</strong>, Fluoxet<strong>in</strong>) konnte die zeitliche Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Gehirnkonzentration nach Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Medikation<br />
mit Antidepressiva beim Menschen <strong>in</strong> vivo mit <strong>der</strong> Magnetresonanzspektroskopie<br />
nachgewiesen werden. Dabei zeigte sich e<strong>in</strong>e<br />
20fach höhere Konzentrationen im Hirngewebe verglichen mit<br />
dem Blut. Antidepressiva kumulieren langsam und erreichen Plateaukonzentrationen<br />
erst nach Wochen bis Monaten unter konstanter<br />
antidepressiver Therapie. Diese langsame Kumulation kann<br />
Mitursache <strong>der</strong> Wirklatenz se<strong>in</strong>.<br />
116<br />
003<br />
Antidepressive Medikation und Nervenwachstumsfaktoren<br />
Andrea Rotter-Neubert (Universitätskl<strong>in</strong>ikum Erlangen, Psychiatrische<br />
Kl<strong>in</strong>ik)<br />
E<strong>in</strong>leitung: Zur Behandlung <strong>der</strong> Depression werden seit Jahrzehnten<br />
verschiedene Klassen von Antidepressiva e<strong>in</strong>gesetzt, über <strong>der</strong>en<br />
Wirkmechanismus jedoch wenig bekannt ist. E<strong>in</strong>en Erklärungsansatz<br />
stellt die Plastizitätshypothese dar, bei <strong>der</strong> e<strong>in</strong> Mangel an<br />
neurotrophen Faktoren zur Depressionsentstehung führt. Wir verfolgten<br />
die Hypothese, dass die antidepressive Therapie Wachstumsfaktoren<br />
moduliert.<br />
Methode: Die neuronale Zellreihe SH-SY5Y wurde mit 16 nM<br />
PMA (phorbol 12-myristate 13-acetate) für 10 Tage behandelt, um<br />
e<strong>in</strong>e Differenzierung zu am<strong>in</strong>ergen Neuronen zu erreichen. Danach<br />
wurde das jeweilige Antidepressivum <strong>in</strong> gelöster Form zum Medium<br />
gegeben. Die Zellen wurden nach 2, 7 und 14 Tagen Inkubation<br />
geerntet, die mRNA wurde aus den Zellen isoliert, <strong>in</strong> cDNA umgeschrieben<br />
und schließlich die Transkription von human BDNF,<br />
CNTF, NGF, bFGF, GDNF, NT-3, Lept<strong>in</strong> und Creb durch die rt-<br />
PCR analysiert. Als <strong>in</strong>terner Standard wurde β-Act<strong>in</strong> verwendet.<br />
Alle PCR-Analysen wurden <strong>in</strong> Doppelbestimmung durchgeführt,<br />
die mRNA-Vervielfältigungen wurden mit <strong>der</strong> folgenden Formel<br />
berechnet: mRNA = 2-ΔCT.<br />
Diskussion / Ergebnisse: Die Transkription <strong>der</strong> Neurotroph<strong>in</strong>e<br />
NGF, NT-3, GDNF, Lept<strong>in</strong> und BDNF wurde durch PMA-Behandlung<br />
während <strong>der</strong> vierzehntägigen Behandlung kont<strong>in</strong>uierlich gesteigert,<br />
während die Expression von bFGF, CNTF und Creb reduziert<br />
wurden. Diese Verän<strong>der</strong>ungen wurden durch die Behandlung<br />
durch Antidepressiva kompensatorisch moduliert. Die Neurotroph<strong>in</strong>e<br />
NGF, GDNF, NT-3 und BDNF, die zuvor <strong>in</strong> <strong>der</strong> PMA-<br />
behandelten Kontrolle den stärksten Anstieg gezeigt hatten, wurden<br />
durch antidepressive Therapie herunterreguliert, woh<strong>in</strong> gegen<br />
bFGF und CNTF, die zuvor <strong>in</strong> ihrer Expression reduziert wurden,<br />
nun <strong>in</strong> ihrer Expression gesteigert wurden. Creb und Lept<strong>in</strong> wurden<br />
durch Antidepressiva vorübergehend moduliert. Tendenziell<br />
haben alle getesteten Antidepressivaklassen e<strong>in</strong>e antagonistische<br />
Regulation auf die Neurotroph<strong>in</strong>expression verglichen mit <strong>der</strong><br />
Kontrolle. Diskussion: Unsere Ergebnisse legen die Schlussfolgerung<br />
nahe, dass Antidepressiva jeweils spezifische Neurotroph<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong> ihre Expression bee<strong>in</strong>flussen und e<strong>in</strong>en regulierenden Effekt auf<br />
zuvor dysregulierten Neurotroph<strong>in</strong>expression haben. Diese normalisierende<br />
Regulation lässt e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung zur Plastizitätshypothese<br />
wahrsche<strong>in</strong>lich werden, bei eventuell nicht nur e<strong>in</strong> Mangel<br />
an neurotrophen Substanzen zur Depressionsentstehung führt,<br />
son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong> dysregulierter Neurotroph<strong>in</strong>haushalt vorliegt.<br />
004<br />
Kann die Neurogenese die Wirklatenz erklären?<br />
Barbara Vollmayr (ZI Mannheim, AG Verhaltensbiologie)<br />
Lebenslang werden bei Säugern und auch beim Menschen im<br />
Gyrus Dentatus des Hippocampus neue Neurone gebildet. Diese<br />
reifen <strong>in</strong>nerhalb weniger Wochen und werden <strong>in</strong> die bestehenden<br />
neuronalen Netze <strong>in</strong>tegriert. Die Funktion dieser neu gebildeten<br />
Neurone ist noch nicht geklärt, möglicherweise übernehmen<br />
sie e<strong>in</strong>e Rolle im episodischen Gedächtnis und <strong>in</strong> <strong>der</strong> affektiven<br />
Bewertung von Situationen. Antidepressive Behandlung z. B.<br />
mit Seroton<strong>in</strong>wie<strong>der</strong>aufnahmehemmern, Trizyklika o<strong>der</strong> MAO-<br />
Hemmern aber auch nicht-medikamentöse Verfahren wie Elektrokrampftherapie<br />
stimulieren die Zellproliferation und die Neurogenese.<br />
E<strong>in</strong>ige tierexperimentelle Arbeiten belegen darüber h<strong>in</strong>aus<br />
sogar die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er Stimulation <strong>der</strong> Neurogenese für<br />
e<strong>in</strong>e antidepressive Wirkung, sodass die Hypothese nahelag, <strong>der</strong><br />
antidepressiven Wirkung liege e<strong>in</strong>e Stimulation <strong>der</strong> Neurgenese zugrunde<br />
und die Latenz bis zum Wirke<strong>in</strong>tritt <strong>der</strong> Antidepressiva erkläre<br />
sich durch die Reifungszeit <strong>der</strong> neu gebildeten Neurone.