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Psychische Erkrankungen in der Lebensspanne ... - DGPPN

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Topic 15 G Pharmakotherapie // Pharmacotherapy<br />

Topic: 15 Pharmakotherapie<br />

Freitag, 27. 11. 2009, 10.30 – 12.00 Uhr, Saal Oslo<br />

HS-012 Hauptsymposium<br />

Placebo <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychiatrie: Ethisch, legal und s<strong>in</strong>nvoll?<br />

Vorsitz: G. Grün<strong>der</strong> (Aachen), H.-J. Möller (München)<br />

001<br />

Neurobiologische und pharmakologische Aspekte des Placebo-<br />

Effektes<br />

Gerhard Grün<strong>der</strong> (Universität Aachen, Psychiatrie und Psychotherapie)<br />

002<br />

Ist die Gabe von Placebo <strong>in</strong> psychiatrischen Arzneimittelprüfungen<br />

ethisch vertretbar?<br />

Hans-Jürgen Möller (Ludwig-Maximilians-Universität, Psychiatrie<br />

und Psychotherapie, München)<br />

Unerlässliche Voraussetzung für die Zulassung neuer Arzneimittel<br />

ist <strong>der</strong> e<strong>in</strong>deutige Nachweis u. a. ihrer Wirksamkeit und Verträglichkeit.<br />

Es ist sowohl vom wissenschaftlichen als auch vom gesellschaftlichen<br />

Standpunkt aus unvertretbar und unethisch, Arzneimittel<br />

<strong>in</strong> Verkehr zu br<strong>in</strong>gen, die diesen Ansprüchen nicht genügen.<br />

Die europäische ebenso wie die amerikanische Zulassungsbehörde<br />

verlangen gerade deshalb für die Zulassung von neuen Medikamenten<br />

für bestimmte Indikationsgebiete (z. B. Antidepressiva,<br />

Anxiolytika, Antipsychotika, Anitdementiva) plazebokontrollierte<br />

Studien. Nur e<strong>in</strong> Vergleich mit Plazebo gewährleistet den gefor<strong>der</strong>ten<br />

e<strong>in</strong>deutigen Nachweis von Wirksamkeit und Verträglichkeit,<br />

<strong>in</strong>dem E<strong>in</strong>flusskriterien auf den Behandlungseffekt wie Zuwendung,<br />

Persönlichkeit, Erwartungshaltung und Sett<strong>in</strong>g soweit wie<br />

möglich kontrolliert werden und e<strong>in</strong>e Charakterisierung des plazeboadjustierten<br />

Behandlungseffekts als e<strong>in</strong>es kausal („höchstwahrsche<strong>in</strong>lich“)<br />

durch das neue Medikament verursachten zulässig<br />

wird. Dagegen werden von Kritikern des Plazeboe<strong>in</strong>satzes Bedenken<br />

vorgebracht, allen voran die Befürchtung e<strong>in</strong>er Verschlechterung<br />

des Zustandes des Patienten durch „Nichtbehandlung“ bzw.<br />

„Vorenthalten“ e<strong>in</strong>er durch Zulassung als wirksam anerkannten<br />

Therapie. So wird z. B. behauptet, <strong>der</strong> Vergleich e<strong>in</strong>er neuen Testsubstanz<br />

gegen bereits etablierte Antidepressiva alle<strong>in</strong> sei ethisch<br />

und auch wissenschaftlich zielführend, allenfalls sei aus Gründen<br />

des Patientenwohlergehens e<strong>in</strong>e Prüfung gegen Plazebo bei leichten<br />

Depressionen gerechtfertigt. Zahlreiche wissenschaftliche, regulatorische<br />

und ebenso ethische Gründe sprechen gegen diese<br />

Sichtweise. Es ist ke<strong>in</strong>e Frage, dass plazebokontrollierte Studien<br />

ethisch nur dann vertretbar s<strong>in</strong>d, wenn die Sicherheit <strong>der</strong> Patienten<br />

gewährleistet bleibt und wenn auch die Patienten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Plazebogruppe<br />

e<strong>in</strong>en adäquaten Behandlungserfolg haben; d. h. ihr <strong>in</strong>dividuelles<br />

Risiko, durch „Nichtbehandlung“ gefährdet zu werden o<strong>der</strong><br />

Besserung zu verzögern, muss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em akzeptablen Verhältnis zu<br />

dem angestrebten gesellschaftlichen Nutzen durch den Erkenntnisgew<strong>in</strong>n<br />

<strong>der</strong> Studie stehen. Dies im Studiendesign zu gewährleisten,<br />

ist die eigentliche Aufgabe <strong>der</strong> Ethikkommissionen, <strong>der</strong> Prüfärzte<br />

und nicht zuletzt <strong>der</strong> pharmazeutischen Hersteller. Der Befürchtung,<br />

dass e<strong>in</strong>e Plazebobehandlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Studie mit depressiven<br />

Patienten e<strong>in</strong>e „Nichtbehandlung“ darstellt und dem Patienten dadurch<br />

per se unangemessener Schaden zugefügt wird, lässt sich jedoch<br />

begegnen.<br />

360<br />

003<br />

Die Gabe von Placebo aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Zulassungsbehörden<br />

Karl Broich (BfArM, Bonn)<br />

G. Schlosser, S. Kühn<br />

Zum Nachweis <strong>der</strong> Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Psychopharmaka<br />

s<strong>in</strong>d kontrollierte, randomisierte, doppelbl<strong>in</strong>de Parallelgruppen-Studien,<br />

meist unter E<strong>in</strong>schluss e<strong>in</strong>er Plazebo-Kontrollgruppe<br />

notwendig. Gegen die Anwendung von Plazebo werden<br />

aber ethische Bedenken vorgebracht, gerade auch bei psychiatrischen<br />

Indikationsgebieten. E<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Hauptargumente lautet, dass<br />

Patienten e<strong>in</strong>e effektive Therapie mit z. B. Psychopharmaka vorenthalten<br />

wird und sie damit e<strong>in</strong>em Risiko, bzw. e<strong>in</strong>em möglichen<br />

Schaden ausgesetzt werden könnten. Desweiteren wird angeführt,<br />

dass aktiv-kontrollierte Studien, <strong>in</strong> welchen e<strong>in</strong> Prüfmedikament<br />

gegenüber e<strong>in</strong>em etablierten Standardmedikament auf Überlegenheit<br />

o<strong>der</strong> Nichtunterlegenheit geprüft würde, Plazebo-kontrollierte<br />

Studien überflüssig machen. An<strong>der</strong>erseits birgt die Prüfung auf<br />

Nichtunterlegenheit das Risiko, dass gerade im Bereich <strong>der</strong> Psychopharmaka<br />

e<strong>in</strong>e nicht ger<strong>in</strong>ge Zahl unwirksamer Arzneimittel zugelassen<br />

werden könnten. Die ausschliessliche Akzeptanz von Arzneimitteln,<br />

welche e<strong>in</strong>e überlegene Wirksamkeit gegenüber e<strong>in</strong>em<br />

etablierten Standard aufweisen, würde die Entwicklung neuer Arzneimittel<br />

erheblich bremsen und auch die Entwicklung z. B. besser<br />

verträglicher Arzneimittel beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. In beiden Studiendesigns<br />

wäre die Zahl <strong>der</strong> Studienteilnehmer erheblich größer als bei e<strong>in</strong>er<br />

Plazebo-kontrollierten Studie. Aufgrund dieser und an<strong>der</strong>er methodischer<br />

Probleme s<strong>in</strong>d Plazebo-kontrollierte Studien bei psychiatrischen<br />

Indikationen weiterh<strong>in</strong> nicht nur s<strong>in</strong>nvoll, son<strong>der</strong>n<br />

erfor<strong>der</strong>lich und ethisch vertretbar. Voraussetzung ist natürlich,<br />

dass <strong>der</strong> Patient, <strong>der</strong> an e<strong>in</strong>er solchen Studie teilnimmt, umfassende<br />

und ausreichende Informationen über die kl<strong>in</strong>ische Prüfung erhält,<br />

um auf diesen se<strong>in</strong>e mögliche E<strong>in</strong>willigung zu gründen. Die methodischen<br />

und ethischen Pr<strong>in</strong>zipien Plazebo-kontrollierter Studien<br />

und <strong>der</strong>en Auswirkungen für die Patienten werden ausführlich<br />

dargestellt.<br />

004<br />

Placeboeffekte bei Arzneimittelprüfungen von Antidepressiva:<br />

Interpretation und Bedeutung<br />

Michael Bauer (Unikl<strong>in</strong>ikum Dresden, Kl<strong>in</strong>ik für Psychiatrie)<br />

Die Gruppe <strong>der</strong> Antidepressiva steht <strong>in</strong> den vergangenen Jahren<br />

erneut erheblich <strong>in</strong> <strong>der</strong> öffentlichen und fachöffentlichen Kritik.<br />

E<strong>in</strong>en wesentlichen Aspekt dabei betrifft die Plazebo-Antwort, die<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Depressionsbehandlung bekanntlich sehr hoch ist und im<br />

Durchschnitt auf etwa 20 – 30 % beziffert wird, und <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelstudien<br />

bis zu 50 % erreichen kann. Bezüglich <strong>der</strong> Verum-Response<br />

wird auf <strong>der</strong> Basis von Übersichtsarbeiten angegeben, dass etwa e<strong>in</strong><br />

Drittel <strong>der</strong> Patienten von Phase-III-Prüfungen unter den Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

kl<strong>in</strong>ischer Prüfungen – <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel konzipiert als<br />

Zulassungsstudien – nicht ausreichend ansprechen. In e<strong>in</strong>er Meta-<br />

Analyse von 1996 mit 36 kl<strong>in</strong>ischen Studien betrug die komb<strong>in</strong>ierte<br />

Rate <strong>der</strong> teilweisen Response und Nonresponse 36 %. Dies hat zur<br />

Folge, dass je nach Antidepressivum bis 60 % <strong>der</strong> durchgeführten<br />

Plazebo-kontrollierten Studien ke<strong>in</strong>en Unterschied <strong>in</strong> <strong>der</strong> Effektivität<br />

von Verum und Plazebo zeigten. Dies s<strong>in</strong>d Gründe, warum<br />

es gerade auch <strong>in</strong> Deutschland noch viele Vorbehalte gegenüber<br />

Plazebo-kontrollierten Antidepressivastudien gibt und von Kritikern<br />

ausschliesslich Vergleichsstudien mit etablierten Substanzen<br />

gefor<strong>der</strong>t werden.

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