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Psychische Erkrankungen in der Lebensspanne ... - DGPPN

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Topic 22 G Philosophie, Geschichte und Ethik // Philosophy, history and ethics<br />

Methode: In <strong>der</strong> vorliegenden Studie erhoben wir bei 54 Patienten,<br />

die sich wegen e<strong>in</strong>er Posttraumatischen Belastungsstörung <strong>in</strong> stationärer<br />

psychotherapeutischer Behandlung befanden religionspsychologische<br />

Aspekte, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die spirituelle Überzeugung,<br />

das E<strong>in</strong>gebundense<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e religiöse Geme<strong>in</strong>schaft, die emotionale<br />

Tönung des Gottesbildes sowie die private und öffentliche religiöse<br />

Praxis. Der Therapieerfolg <strong>der</strong> stationären Behandlungsmassnahme<br />

wurde mittels standardisierter Fragebögen wie dem<br />

SCL-90R, BDI, FPI-R, GT-S und VEV-K gemessen.<br />

Diskussion / Ergebnisse: Es fanden sich H<strong>in</strong>weise, dass Patienten<br />

mit e<strong>in</strong>er höheren religiösen Prägung zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> Teilbereichen<br />

über positivere Verän<strong>der</strong>ungen im Prä-Post-Vergleich berichten als<br />

nichtreligiöse Patienten. Als mögliche Wirkfaktoren s<strong>in</strong>d die emotionale<br />

Entlastung durch e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvolles, geschlossenes Weltbild, die<br />

soziale Unterstützung durch das E<strong>in</strong>gebundense<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en religiösen<br />

Kontext und die mentale Bewältigung mittels e<strong>in</strong>es kooperativen<br />

religiösen Cop<strong>in</strong>gs zu diskutieren.<br />

009<br />

Die soziale Wünschbarkeit psychopharmakologischen Enhancements<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er alternden Gesellschaft<br />

Jakov Gather (Universitätsmediz<strong>in</strong> <strong>der</strong> JGU, Geschichte, Theorie und<br />

Ethik, Ma<strong>in</strong>z)<br />

E<strong>in</strong>leitung: Innerhalb <strong>der</strong> Debatte um psychopharmakologisches<br />

Enhancement werden regelmäßig ältere Menschen als Zielgruppe<br />

verbessern<strong>der</strong> Maßnahmen genannt. Befürworter des kognitiven<br />

und affektiven Enhancements erwarten nicht nur e<strong>in</strong>e Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Lebensqualität des E<strong>in</strong>zelnen, son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong>en gesellschaftlichen<br />

Nutzen wie z. B. e<strong>in</strong>e Steigerung <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />

Produktivität. Ausgehend von <strong>der</strong> Bewertung möglicher Chancen<br />

und Risiken steht im hier vorgestellten Dissertationsprojekt, das im<br />

Ma<strong>in</strong>zer Teilprojekt <strong>der</strong> „Neuroethics Initiative“ (BMBF) angesiedelt<br />

ist, die Frage nach <strong>der</strong> sozialen Wünschbarkeit psychopharmakologischen<br />

Enhancements <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er alternden Gesellschaft im Mittelpunkt.<br />

Methode: Im S<strong>in</strong>ne des „Medical Technology Assessment“ sollen<br />

psychopharmakologische Enhancer aus verschiedenen Perspektiven<br />

e<strong>in</strong>er rationalen Bewertung unterzogen werden. Aus pharmakologischer<br />

Sicht geht es darum, spezifische Substanzen (Antidepressiva,<br />

Antidementiva, Stimulantien u. a.) auf ihre Anwendbarkeit<br />

(applicability) als Enhancer h<strong>in</strong> zu untersuchen. In e<strong>in</strong>er ethischen<br />

Analyse werden hauptsächlich gesellschaftliche Bedenken – beispielsweise<br />

das Problem des sozialen Drucks – <strong>in</strong> den Blick genommen.<br />

In e<strong>in</strong>em letzten Schritt wird <strong>der</strong> soziale Kontext beleuchtet,<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>erseits die Entwicklung von Enhancern entscheidend bee<strong>in</strong>flusst<br />

und an<strong>der</strong>erseits selbst durch diese Entwicklungen konstituiert<br />

wird. Ins Zentrum <strong>der</strong> Untersuchung rücken dabei die gesellschaftlichen<br />

Phänomene Hyperkognitivismus, sozialer Quietismus<br />

und Neurozentrismus. Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund geht es darum, die<br />

soziale Wünschbarkeit (social desirability) psychopharmakologischen<br />

Enhancement abschließend zu beurteilen.<br />

Diskussion / Ergebnisse: Aus pharmakologischer Sicht eignen sich<br />

die gegenwärtig vorhandenen Substanzen nur sehr bed<strong>in</strong>gt für<br />

Enhancementzwecke. Aufgrund ger<strong>in</strong>ger Wirksamkeit und e<strong>in</strong>es –<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei älteren Menschen – vorhandenen Nebenwirkungs-<br />

und Interaktionspotentials, ist e<strong>in</strong> breiter E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong><br />

Enhancer sicher nicht zu empfehlen. Als Ergebnis <strong>der</strong> ethischen<br />

Analyse lässt sich konstatieren, dass <strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> geäußerten<br />

Bedenken – entgegen unseren anfänglichen Intuitionen – bei genauerem<br />

H<strong>in</strong>sehen an Plausibilität verliert. Pharmakologisches Enhancement<br />

zeigt sich vielmehr als gesellschaftliches Phänomen, <strong>in</strong><br />

welchem e<strong>in</strong> neurozentristisches Menschenbild zum Ausdruck<br />

kommt und <strong>der</strong> alternde Mensch zunehmend aus se<strong>in</strong>en sozialen<br />

Bezügen herausgelöst wird. Wünschenswert ersche<strong>in</strong>t jedoch e<strong>in</strong>e<br />

alternative Sichtweise, bei <strong>der</strong> nicht das Gehirn, son<strong>der</strong>n die Um-<br />

486<br />

welt des alternden Menschen zum Ort verbessern<strong>der</strong> Maßnahmen<br />

wird.<br />

010<br />

Ethische Probleme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Evidenzbasierten Mediz<strong>in</strong><br />

Lars Schärer (Unikl<strong>in</strong>ik Freiburg, Psychiatrie)<br />

D. Ebert<br />

E<strong>in</strong>leitung: EBM (Evidenzbasierte Mediz<strong>in</strong>) sagt uns, auf welcher<br />

Grundlage und mit welchen Methoden mediz<strong>in</strong>ische Praxis stattf<strong>in</strong>den<br />

SOLL. Daher ist EBM e<strong>in</strong>e moralische Initiative und damit<br />

stellt sich nicht nur die Frage, <strong>in</strong> wie weit die Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> EBM<br />

rational richtig s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n auch, <strong>in</strong> wie weit sie ethisch richtig<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Methode: Die ethische Korrektheit <strong>der</strong> EBM wird mit zwei Methoden<br />

überprüft: I. Anhand von realen und hypothetischen Fallbeispielen<br />

soll das aus <strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong> EBM auf diese Fälle resultierende<br />

Verhalten appellativ mit dem moralischen Empf<strong>in</strong>den<br />

des Hörers verglichen werden. II. Darüber h<strong>in</strong>aus wird normativ<br />

argumentiert, <strong>in</strong>dem zentrale Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> EBM an e<strong>in</strong>em Grundsatzurteil<br />

<strong>der</strong> höchsten normativen Instanz unserer politischen Gesellschaft,<br />

des Bundesverfassungsgerichts (BVG) gemessen werden.<br />

Exemplarisch werden 3 Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> EBM untersucht: 1. Ablehnung<br />

<strong>der</strong> faktischen Evidenz (E<strong>in</strong>zelfallbeurteilung) 2. Kategorielle<br />

Evidenzbewertung (Evidenzstufen) 3. Aufteilung unserer Überzeugungen<br />

<strong>in</strong> Werte und Fakten (Sackett‘scher Ansatz).<br />

Diskussion / Ergebnisse: Die untersuchten Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> EBM I.<br />

können <strong>in</strong> <strong>der</strong> praktische Anwendung auf typische Fälle regelhaft<br />

gegen unser moralisches Empf<strong>in</strong>den verstoßen. II. entsprechen den<br />

Normen unserer Verfassung nicht. 1. Die Verne<strong>in</strong>ung von faktischer<br />

Evidenz führt zu Effizienzverlusten und <strong>in</strong> nicht seltenen<br />

Fällen zu ethisch bedenklichen Therapieentscheidungen und entspricht<br />

den Normensetzungen des BVG nicht. 2. Kategorielle Wissensbewertung<br />

verfälscht und verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t das zur Verfügung stehende<br />

Wissen, begünstigt Intoleranz, therapeutischen Skeptizismus,<br />

Therapieverweigerung, Therapiezwang und Mißbrauch und wird<br />

vom BVG abgelehnt. 3. Fakten beruhen letzten Endes auf primären<br />

Werturteilen. E<strong>in</strong>igkeit über die Fakten e<strong>in</strong>es konkreten Behandlungsfalls<br />

kann nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden. Das<br />

BVG lehnt e<strong>in</strong>e Aufspaltung <strong>in</strong> Werte und Fakten <strong>in</strong>direkt ab.<br />

Die Rechtsprechung des BVG stellt e<strong>in</strong>e deutliche Auff or<strong>der</strong>ung<br />

zur Toleranz dar: gerichtet an die verschiedenen me diz<strong>in</strong>ischen<br />

Versorgungs- und Verwaltungsorganisationen, die Deutungshoheit<br />

über mediz<strong>in</strong>ische Daten, Fakten und Methoden beanspruchen.<br />

Diese Deutungshoheit steht primär dem Patienten zu. EBM <strong>in</strong> ihrer<br />

gegenwärtigen Form ist von ethischen Problemen bedroht. Damit<br />

EBM verfassungskonforme Entscheidungsunterstützung leisteten<br />

kann, ist e<strong>in</strong>e Reformation <strong>der</strong> EBM erfor<strong>der</strong>lich.<br />

011<br />

Ethik und Ethikberatung <strong>in</strong> Psychiatrie und Psychotherapie<br />

Re<strong>in</strong>hard J. Boerner (CKQ GmbH, Kl<strong>in</strong>ik für Psychiatrie und Psychotherpaie,<br />

Quakenbrück)<br />

E<strong>in</strong>leitung: Die Diskussion ethischer Fragen wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en<br />

Mediz<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong>em zunehmend professionelleren Niveau<br />

geführt. Die E<strong>in</strong>richtung von Ethikberatung, Ethikkomitees und<br />

Ethik kommissionen mit spezifisch ausgebildeten Experten zeigt<br />

e<strong>in</strong> zunehmend großes Interesse <strong>der</strong> (Fach-)Öffentlichkeit, mediz<strong>in</strong>ische<br />

Entscheidungen ethisch zu reflektieren und zu legitimieren.<br />

Im Gegensatz dazu ersche<strong>in</strong>t die Beachtung <strong>der</strong> ethischen Dimension<br />

<strong>in</strong> den psychosozialen Fächern <strong>der</strong>zeit noch eher auf die bekannte<br />

Thematik gesetzlicher Unterbr<strong>in</strong>gung und Betreuung e<strong>in</strong>geengt.<br />

Zunehmend werden aber ethisch relevante Fragestellungen<br />

auch hier Gegenstand <strong>in</strong>tensiver Diskussion se<strong>in</strong> müssen, so wie sie<br />

beispielhaft <strong>in</strong> dem neu e<strong>in</strong>geführten Fach „Neuroethics“ im angloamerikanischen<br />

Sprachraum zusammengefasst ist.

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