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Psychische Erkrankungen in der Lebensspanne ... - DGPPN

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Topic 22 G Philosophie, Geschichte und Ethik // Philosophy, history and ethics<br />

003<br />

Schweigepflicht und Datenschutz aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Kostenträger<br />

Jürgen Fritze (Universität Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, Kl<strong>in</strong>ik für Psychiatrie,<br />

Pulheim)<br />

Verschwiegenheit über die Inhalte ärztlicher Informationen und<br />

Befunde und sogar alle<strong>in</strong> die Tatsache ärztlicher Konsultation s<strong>in</strong>d<br />

seit Jahrtausenden geltendes Recht, das über das Grundrecht <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>formationellen Selbstbestimmung h<strong>in</strong>ausgeht und dennoch <strong>in</strong><br />

den letzten Jahren vermehrt u. a. <strong>in</strong> Krim<strong>in</strong>alverfolgungsgesetzen<br />

(z. B. Gesetz zur Neuregelung <strong>der</strong> Telekommunikationsüberwachung)<br />

<strong>in</strong> Frage gestellt, aber auch durch Spezialgesetze des<br />

Gesundheitswesens relativiert wird. Für gesetzlich Versicherte –<br />

90 % <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung – schreibt § 275 SGB V vor, dass<br />

die GKV den Mediz<strong>in</strong>ischen Dienst <strong>der</strong> Krankenversicherung<br />

(MDK) mit bestimmten Prüf- und Beratungsaufgaben – z. B. bezüglich<br />

Arbeitsunfähigkeit o<strong>der</strong> Korrektheit <strong>der</strong> Krankenhausrechnung<br />

– zu beauftragen hat. Nach § 275(5) s<strong>in</strong>d die Ärzte des MDK<br />

„bei <strong>der</strong> Wahrnehmung ihrer mediz<strong>in</strong>ischen Aufgaben nur ihrem<br />

ärztlichen Gewissen unterworfen. Sie s<strong>in</strong>d nicht berechtigt, <strong>in</strong> die<br />

ärztliche Behandlung e<strong>in</strong>zugreifen“. Gemäß § 276 Absatz 2 SGB V<br />

darf <strong>der</strong> MDK „Sozialdaten nur erheben und speichern, soweit dies<br />

für die Prüfungen, Beratungen und gutachtlichen Stellungnahmen<br />

nach § 275 … erfor<strong>der</strong>lich ist; haben die Krankenkassen nach § 275<br />

Abs. 1 bis 3 e<strong>in</strong>e gutachtliche Stellungnahme o<strong>der</strong> Prüfung durch<br />

den MDK veranlaßt, s<strong>in</strong>d die Leistungserbr<strong>in</strong>ger verpflichtet, Sozialdaten<br />

auf Anfor<strong>der</strong>ung des MDK unmittelbar an diesen zu<br />

übermitteln, soweit dies für die gutachtliche Stellungnahme und<br />

Prüfung erfor<strong>der</strong>lich ist … Durch technische und organisatorische<br />

Maßnahmen ist sicherzustellen, dass die Sozialdaten nur den Personen<br />

zugänglich s<strong>in</strong>d, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen.“<br />

Gemäß § 276 Absatz 4 „s<strong>in</strong>d die Ärzte des MDK befugt, … die<br />

Krankenhäuser und Vorsorge- o<strong>der</strong> Rehabilitationse<strong>in</strong>richtungen<br />

zu betreten, um dort die Krankenunterlagen e<strong>in</strong>zusehen und, soweit<br />

erfor<strong>der</strong>lich, den Versicherten untersuchen zu können, wenn<br />

es im E<strong>in</strong>zelfall zu e<strong>in</strong>er gutachtlichen Stellungnahme über die Notwendigkeit<br />

und Dauer <strong>der</strong> stationären Behandlung des Versicherten<br />

erfor<strong>der</strong>lich ist“. Gemäß § 277 SGB V hat <strong>der</strong> MDK „<strong>der</strong> Krankenkasse<br />

das Ergebnis <strong>der</strong> Begutachtung und die erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Angaben über den Befund mitzuteilen“. Gemäß § 284 SGB V darf<br />

die GKV Sozialdaten nur erheben und speichern, soweit diese u.a.<br />

für die Prüfung <strong>der</strong> Leistungspflicht, Überwachung <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit<br />

und Abrechnung mit den Leistungserbr<strong>in</strong>gern erfor<strong>der</strong>lich<br />

s<strong>in</strong>d. Nach § 295 haben Vertragsärzte und nach § 301 SGB V Krankenhäuser<br />

patientenbezogene Daten zu Abrechnungszwecken elektronisch<br />

zu übermitteln. Nach § 299 dürfen Sozialdaten für Zwecke<br />

<strong>der</strong> Qualitätssicherung pseudonymisiert erhoben und verarbeitet<br />

werden. Privatversicherte haben <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mit § 31 VVG<br />

nach § 9 <strong>der</strong> Musterbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> PKV „auf Verlangen des Versicherers<br />

jede Auskunft zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalles<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Leistungspflicht des Versicherers und ihres<br />

Umfanges erfor<strong>der</strong>lich ist“. Wird dieser Obliegenheit nicht entsprochen,<br />

kann <strong>der</strong> Leistungsanspruch erlöschen. Die Offenlegungspflicht<br />

gilt gegenüber dem Versicherer, ist also nicht beschränkt auf<br />

Ärzte; e<strong>in</strong>en förmlich abgegrenzten Mediz<strong>in</strong>ischen Dienst kennt<br />

die PKV nicht. § 9 bedeutet nicht, dass <strong>der</strong> behandelnde Arzt dem<br />

privaten Krankenversicherer unmittelbar Informationen übermitteln<br />

darf o<strong>der</strong> muß. Die Obliegenheit gilt alle<strong>in</strong> dem Versicherten,<br />

<strong>der</strong> also filtern kann, <strong>in</strong>wieweit er durch welche ärztlichen Dokumente<br />

<strong>der</strong> Obliegenheit genügt. Will <strong>der</strong> Versicherer unmittelbar<br />

vom Arzt Informationen erhalten, bedarf es e<strong>in</strong>er Entb<strong>in</strong>dung von<br />

<strong>der</strong> Schweigepflicht <strong>in</strong> jedem E<strong>in</strong>zelfall. Der Arzt kann festlegen,<br />

dass se<strong>in</strong>e Informationen nur für den beratenden Arzt des privaten<br />

Versicherers bestimmt s<strong>in</strong>d. Es ist dann Sache des Beratungsarztes<br />

zu filtern, welche Informationen zur Prüfung <strong>der</strong> Leistungspflicht<br />

<strong>in</strong> den allgeme<strong>in</strong>en Geschäftsgang des Versicherers gelangen dür-<br />

fen; z. B. können gerade psychiatrische Befundberichte Informationen<br />

Dritter o<strong>der</strong> über Dritte enthalten, für die <strong>der</strong> Versicherte nicht<br />

von Schweigepflicht entb<strong>in</strong>den kann.<br />

004<br />

Schweigepflicht und Datenschutz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychiatrie<br />

Henn<strong>in</strong>g Saß (Universitätskl<strong>in</strong>ikum Aachen)<br />

Seit je ist das Vertrauen des Patienten <strong>in</strong> die Verschwiegenheit des<br />

Arztes e<strong>in</strong>e unverbrüchliche Grundlage <strong>der</strong> Arzt-Patienten-Beziehung.<br />

Tendenzen zur E<strong>in</strong>schränkung <strong>der</strong> Verschwiegenheitspflicht<br />

gibt es immer wie<strong>der</strong> und bedürfen <strong>der</strong> kritischen Beobachtung.<br />

E<strong>in</strong> Problemfeld kann schon <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>sicht des Patienten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e<br />

Kartengeschichte liegen, die zwar e<strong>in</strong>erseits die Persönlichkeitsrechte<br />

des Patienten schützt, an<strong>der</strong>erseits die Rechte Dritter bee<strong>in</strong>trächtigen<br />

kann. Wichtiger s<strong>in</strong>d E<strong>in</strong>sichts- und Auskunftsbegehren<br />

durch behördliche und rechtliche Instanzen, Versicherungen, Arbeitgeber<br />

u. a. Auch <strong>der</strong> kollegiale Informationsaustausch ist nicht<br />

immer von <strong>der</strong> Zustimmung des betroffenen Patienten gedeckt.<br />

E<strong>in</strong>e zusätzliche Gefährdung liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> öffentlichen Zugänglichkeit<br />

von IT-gestützten Datennetzen und Dokumentationssystemen.<br />

Die Herausfor<strong>der</strong>ungen am die Verschwiegenheitsregelungen für<br />

<strong>in</strong>dividuell tätige Ärzte und organisatorische Verbünde wie Krankenhäuser<br />

und Netzstrukturen im Gesundheitswesen werden diskutiert.<br />

Samstag, 28. 11. 2009, 08.30 - 10.00 Uhr, Salon 15/16<br />

S-153 Symposium<br />

Forschung zur Neuroethik zwischen Empirie und Grundlagenreflexion<br />

Vorsitz: C. Woopen (Köln), K. Lieb (Ma<strong>in</strong>z)<br />

001<br />

Differentielle Neuroethik<br />

Kai Vogeley (Unikl<strong>in</strong>ik Köln, Psychiatrie und Psychotherapie)<br />

Mo<strong>der</strong>ne Entwicklungen <strong>in</strong> den grundlagenorientierten und kl<strong>in</strong>ischen<br />

Neurowissenschaften haben aktuell e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Debatte zu<br />

damit verbundenen ethischen Fragen angeregt. Aus <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en<br />

Sicht <strong>der</strong> Bioethik ist hier die Frage zentral, ob e<strong>in</strong>e bereichsspezifische<br />

Ethik für den neurowissenschaftlichen Bereich erfor<strong>der</strong>lich<br />

ist o<strong>der</strong> ob hier Typen von ethischen Fragen verhandelt<br />

werden, die bereits durch die Bioethik h<strong>in</strong>reichend abgedeckt s<strong>in</strong>d.<br />

Hier soll dafür argumentiert werden, dass Hirne<strong>in</strong>griffe deshalb<br />

e<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heit aufweisen, weil hier auf die natürliche Grundlage<br />

<strong>der</strong> epistemischen Instanz selbst E<strong>in</strong>fluss genommen wird, die<br />

die autonome E<strong>in</strong>sichtnahme <strong>der</strong> zu behandelnden Person erst ermöglicht.<br />

Unter dem E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Pathologie und / o<strong>der</strong> dem Hirne<strong>in</strong>griff<br />

wird auch die Möglichkeit <strong>der</strong> kont<strong>in</strong>uierlichen E<strong>in</strong>sichtnahme<br />

irritiert. Diese Randbed<strong>in</strong>gung stellt e<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heit<br />

e<strong>in</strong>es neuroethischen Diskurses dar, <strong>der</strong> nicht schon durch allgeme<strong>in</strong>e<br />

bioethische Erwägungen abgedeckt wird. Damit wird e<strong>in</strong>e<br />

auf objektiven Kriterien aufbauende differenzierte Neuroethik nötig,<br />

<strong>der</strong>en Kriteriologie die folgenden Aspekte berücksichtigen sollte:<br />

1. das Ziel <strong>der</strong> Intervention („periphere“ versus „nukleäre“ Leistungen),<br />

2. die Güte des neurobiologischen (Krankheits-)Modells<br />

<strong>der</strong> Zielstrukturen <strong>der</strong> Intervention, 3. die Mittel <strong>der</strong> Intervention<br />

(z. B. unterschiedliche Grade <strong>der</strong> Invasivität von Therapiemaßnahmen),<br />

4. den Zweck von Hirn-Interventionen (z. B. Therapie, Prävention<br />

o<strong>der</strong> Neuroenhancement).<br />

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