Psychische Erkrankungen in der Lebensspanne ... - DGPPN
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Topic 22 G Philosophie, Geschichte und Ethik // Philosophy, history and ethics<br />
schaftsgericht ist nach erfor<strong>der</strong>lich, wenn <strong>der</strong> Betreute e<strong>in</strong>willigungsunfähig<br />
ist und <strong>der</strong> Betreuer se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>willigung <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>s<br />
gesundheits- o<strong>der</strong> lebensgefährdende ärztliche Maßnahmen erklären<br />
o<strong>der</strong> gerade lebensverlängernde Maßnahmen ablehnen will,<br />
um zu prüfen, ob <strong>der</strong> Betreuer den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Patientenverfügung geäußerten<br />
Willen des Betroffenen erschöpfend ermittelt, o<strong>der</strong> zwischen<br />
Arzt und Betreuer unterschiedliche Auffassungen über den Patientenwillen<br />
bestehen. Das Gesetz zielt zwar auf das Leben beendende<br />
Krankheiten, aber unabhängig vom Krankheitsstadium, also ohne<br />
Reichweitenbeschränkung, und schließt psychische Krankheiten –<br />
mit <strong>in</strong>termittierend potenziell fehlen<strong>der</strong> E<strong>in</strong>willigungsfähigkeit –<br />
nicht ausdrücklich aus. Das Gesetz sieht ausdrücklich ke<strong>in</strong>e Pflicht<br />
zur ärztlichen Beratung bei Formulierung <strong>der</strong> Verfügung vor, ausweislich<br />
<strong>der</strong> amtlichen Begründung wird die Beratung aber empfohlen.<br />
Verzichtet <strong>der</strong> Verfasser auf Beratung, trägt er das Risiko<br />
e<strong>in</strong>er fehlenden B<strong>in</strong>dungswirkung se<strong>in</strong>er Patientenverfügung aufgrund<br />
nicht h<strong>in</strong>reichend konkreter Formulierungen. E<strong>in</strong>e Behandlungsvere<strong>in</strong>barung<br />
würde im Gegensatz zu re<strong>in</strong>er ärztlicher Beratung<br />
nur die Vertragsparteien b<strong>in</strong>den, wäre also zum Beispiel bei<br />
Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Krankenhaus nur mittelbar wirksam. Das<br />
Selbstbestimmungsrecht verleiht dem Patienten ke<strong>in</strong>en Anspruch<br />
auf e<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ische Behandlung, die aus ärztlicher Sicht nicht<br />
<strong>in</strong>diziert ist, und auf ke<strong>in</strong>e wi<strong>der</strong>rechtlichen Maßnahmen; solche<br />
Ansprüche (die z. B. <strong>in</strong> Wi<strong>der</strong>spruch zu den Psych-KGs stehen) wären<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Verfügung also unwirksam.<br />
Freitag, 27. 11. 2009, 17.15 – 18.45 Uhr, Saal VIP 2<br />
S-130 Symposium<br />
Die Schweigepflicht des Psychiaters <strong>in</strong> Bedrängnis: Datenschutz,<br />
Consumer Rights, Schweigepflicht und Ethik<br />
Vorsitz: M. Fichter (Prien Am Chiemsee), H. Saß (Aachen)<br />
001<br />
Schweigepflicht des Psychiaters <strong>in</strong> Bedrängnis durch Krankenkassen<br />
Manfred Fichter (Kl<strong>in</strong>ik Roseneck, Prien Am Chiemsee)<br />
Entgegen den Voten <strong>der</strong> Datenschutzbeauftragten <strong>in</strong> <strong>der</strong> BRD wurden<br />
<strong>in</strong> unterschiedlichen Wirtschaftszweigen <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland Arbeitnehmerrechte den Datenschutz betreffend<br />
missbraucht (Lidl, Telekom, DB). Im Bereich des Gesundheitswesens<br />
werden von Krankenkassen zunehmend mehr Daten von<br />
Ärzten angefor<strong>der</strong>t. Der mediz<strong>in</strong>ische Dienst <strong>der</strong> Krankenkassen<br />
(MDK) und e<strong>in</strong> ärztliches Gutachterwesen bei privaten Krankenversicherungen<br />
wurde geschaffen, um wenigstens e<strong>in</strong>en Teil <strong>der</strong><br />
ärztlichen Schweigepflicht zu erhalten. Neu und problematisch ist<br />
e<strong>in</strong>e Entwicklung bei gesetzlichen wie privaten Krankenversicherungen,<br />
diese ärztlichen Gutachterdienste zu umgehen, wohl mit<br />
dem Ziel, Kosten zu sparen. Nicht-ärztliche Krankenkassenangestellte<br />
übernehmen die vormals ärztliche Aufgabe. Die E<strong>in</strong>holung<br />
erfor<strong>der</strong>licher Informationen durch Verwaltungsangestellte bei<br />
Ärzten erfolgt oft ausschließlich über Telefon, so dass ke<strong>in</strong>e Belege<br />
für Verletzungen <strong>der</strong> ärztlichen Schweigepflicht und des Datenschutzes<br />
bestehen. In zurückliegenden Jahrzehnten war die Krankenakte<br />
psychiatrischer Patienten „sacrosanct“, weil sie meist sehr<br />
persönliche Informationen (an<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> den an<strong>der</strong>en mediz<strong>in</strong>ischen<br />
Fächern) enthält, z. B. Sexualanamnese, Angaben zu sexuellem<br />
Missbrauch, Angaben über Dritte (wie Ehepartner, K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />
Vorgesetzte). Große Verunsicherung im Umgang mit psychiatrischen<br />
Krankenakten und Arztbriefen löste e<strong>in</strong> Gerichtsurteil des<br />
Bundesverfassungsgerichts vom 09.01.2006 aus. In E<strong>in</strong>zelfällen ha-<br />
480<br />
ben – berufend auf dieses Gerichtsurteil – Krankenversicherung<br />
sich bereits komplette psychiatrische Krankenakten beschafft, <strong>in</strong>dem<br />
sie den betroffenen Patienten unter Druck setzten, die Akte<br />
beim Psychiater anzufor<strong>der</strong>n und sie komplett an die Krankenversicherung<br />
weiterzuleiten, da sonst die Kosten nicht übernommen<br />
werden. Obwohl das Gerichtsurteil von 2006 e<strong>in</strong>en sehr speziellen<br />
e<strong>in</strong>geschränkten Fall betraf, fehlt für die Folgejahre bis jetzt e<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>schlägige Rechtssprechung h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Grenzen <strong>der</strong> Weitergabe<br />
von psychiatrischen Arztbriefen und Krankenakten. Die Entwicklung<br />
sche<strong>in</strong>t dah<strong>in</strong> zu gehen, dass zunehmend sehr detaillierte<br />
psychiatrische Informationen, die für die Prüfung <strong>der</strong> Kostenübernahme<br />
durch die Kasse gar nicht erfor<strong>der</strong>lich s<strong>in</strong>d, an Verwaltungsangestellte<br />
bei den Kassen gehen – unter Ausschaltung ärztlicher<br />
Gutachterdienste. Nie<strong>der</strong>gelassene wie kl<strong>in</strong>isch tätige Psychiater<br />
leben täglich <strong>in</strong> diesem Spannungsfeld, und es bedarf Lösungen.<br />
002<br />
Datenschutz und Schweigeppflicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychiatrie<br />
Peter Schaar (Bundesbeauftragter, Datenschutz und Informationsfreiheit,<br />
Bonn)<br />
Die ärztliche Schweigepflicht gehört zu den Keimzellen von Privatsphäre<br />
und Datenschutz. Die Schweigepflicht des Psychotherapeuten<br />
und Psychiaters, die komplementären Zeugnisverweigerungsrechte<br />
und Beschlagnahmeverbote sowie die Strafbewehrung des<br />
Therapiegeheimnisses sollen gegenüber privaten Dritten, aber auch<br />
gegenüber dem Staat den notwendigen Schutzraum für e<strong>in</strong>e angstfreie,<br />
offene und vertrauliche therapeutische Kommunikation gewährleisten.<br />
Die beson<strong>der</strong>e Sensibilität und Schutzbedürftigkeit<br />
psychologischer und psychiatrischer Befunde und Daten wird auch<br />
vom Bundesdatenschutzgesetz hervorgehoben. Dieser Schutzraum<br />
wird zunehmend <strong>in</strong> Frage gestellt. Im mo<strong>der</strong>nen Gesundheitssystem<br />
werden immer mehr persönliche Daten elektronisch erfasst.<br />
Die immer umfangreicheren Datenbestände treffen auf wachsende<br />
Begehrlichkeiten von „Bedarfsträgern“ <strong>in</strong>nerhalb und außerhalb<br />
des Gesundheitswesens. So werden zunehmend persönliche Daten<br />
aus <strong>der</strong> therapeutischen Praxis für Zwecke <strong>der</strong> Kostenprognose<br />
und -begrenzung verwendet. Das Vertrauen <strong>in</strong> den Therapeuten ist<br />
auch gefährdet, wenn Patientendaten bei <strong>der</strong> Qualitätskontrolle<br />
Dritten zur Kenntnis gelangen. Therapeutische Informationen s<strong>in</strong>d<br />
auch gegen den Informationshunger „systemfrem<strong>der</strong>“ Akteure zu<br />
schützen. Der Zugriff des Staatsanwaltes bedarf rechtlicher Begrenzung<br />
sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis des Therapeuten als auch bei den Kassen,<br />
KVen und IT-Dienstleistern. Deshalb ist etwa <strong>der</strong> Anwendungsbereich<br />
des Beschlagnahmeverbotes, das ursprünglich räumlich eng<br />
begrenzt an das ärztliche Zeugnisverweigerungsrecht anknüpfte,<br />
zu erweitern. An dieser Stelle ist auch die Diskussion um die Onl<strong>in</strong>edurchsuchung<br />
zu führen. Erhebliche datenschutzrechtliche Risiken<br />
bestehen auch bei <strong>der</strong> elektronischen Gesundheitsakte im<br />
Internet. Gesundheitsdaten s<strong>in</strong>d gegenüber Arbeitgebern und Versicherungen<br />
zu schützen. Datenschutz, <strong>in</strong>formationelle Autonomie<br />
und damit letztlich die Menschenwürde schließen e<strong>in</strong>e Verpflichtung<br />
zur vollständigen „Selbstentblößung“ <strong>der</strong> Betroffenen ebenso<br />
aus wie den Zugriff des Arbeitgebers auf Gesundheitsdaten beim<br />
Arzt o<strong>der</strong> Therapeuten. Die Erkenntnis- und Therapiechancen,<br />
aber auch die datenschutzrechtlichen Risiken <strong>der</strong> Hirnforschung<br />
sollten wir geme<strong>in</strong>sam mit wachem Geist verfolgen. Es ist e<strong>in</strong>e Aufgabe<br />
<strong>der</strong> Psychotherapie, den Patienten die weitest mögliche Ausschöpfung<br />
<strong>der</strong> eigenen Potentiale, ihre Selbstbestimmung und Reife<br />
<strong>in</strong> dem durch Anlagen und lebensgeschichtlich angelegten<br />
Rahmen zu ermöglichen,. Die datenschutzrechtliche Absicherung<br />
des hierfür notwendigen therapeutischen Vertrauensverhältnisses<br />
ist e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> wichtigsten Aufgaben des Datenschutzes.