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Psychische Erkrankungen in der Lebensspanne ... - DGPPN

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Topic 22 G Philosophie, Geschichte und Ethik // Philosophy, history and ethics<br />

Der gesamte Plot ersche<strong>in</strong>t nun plötzlich als paranoides System e<strong>in</strong>es<br />

Patienten, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Irrenanstalt des „realen“ Dr. Caligari lebt.<br />

So entsteht e<strong>in</strong>e kunstvolle und kontrapunktische, teilweise auch<br />

klischeehafte Darstellung psychiatrischer Kernmotive: „böser“ versus<br />

„guter“ Psychiater; autoritär-manipulative versus paternalistisch-wohlwollende<br />

Beziehung zum Patienten; die Anstalt als Ort<br />

von Repression und Zwang versus e<strong>in</strong>er psychiatrischen Institution,<br />

die Aussicht auf Therapie und Genesung bietet. Im H<strong>in</strong>tergrund<br />

steht dabei die Vorstellung e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit nach dem Ersten<br />

Weltkrieg <strong>in</strong>stabilen Gesellschaft, für die das Reflektieren über die<br />

Rolle von Autoritäten (auch psychiatrischen) e<strong>in</strong>e immense Bedeutung<br />

besitzt. Die formale und <strong>in</strong>haltliche Doppelbödigkeit des<br />

Films, die sich bis <strong>in</strong>s Dekor und die narrative Struktur fortsetzt,<br />

schafft Raum für Fragen, die auch <strong>in</strong> späteren Psychiatriefilmen immer<br />

wie<strong>der</strong> ankl<strong>in</strong>gen: Was ist Realität, was Wahn? Was bedeutet<br />

Identität? Was heißt Selbstbestimmung und Fremdbestimmung –<br />

für die Psychiater, die Patienten, die Gesellschaft als Ganzes?<br />

002<br />

Geheimnisse <strong>der</strong> Seelen: Psychoanalyse auf <strong>der</strong> Le<strong>in</strong>wand (1925 –<br />

1960)<br />

Ekkehardt Kumbier (Universität Rostock, Kl<strong>in</strong>ik für Psychiatrie)<br />

Sigmund Freud stand dem neuen Medium Film zeit se<strong>in</strong>es Lebens<br />

skeptisch gegenüber. Er zweifelte an <strong>der</strong> Möglichkeit, psychoanalytische<br />

Abstraktionen plastisch, also <strong>in</strong> Form bewegter Bil<strong>der</strong> darstellen<br />

zu können. Im Gegensatz dazu erkannte die junge, ungefähr<br />

zur Zeit <strong>der</strong> „Traumdeutung“ (1900) entstandene Film<strong>in</strong>dustrie<br />

schon sehr bald das Potenzial, welches die Freudsche Psychoanalyse<br />

für das K<strong>in</strong>o bereithielt. Sie begann, Elemente <strong>der</strong> Theorien<br />

Freuds, allen voran den Traum, filmisch umzusetzen und dies so<br />

erfolgreich, dass man heute vom psychoanalytischen Film als Sub-<br />

Genre spricht. Der Vortrag beleuchtet anhand ausgewählter Filmsequenzen<br />

die spezifische Umsetzung und Wirkungsweise psychischer<br />

Vorgänge am Schnittpunkt von K<strong>in</strong>o und Psychoanalyse.<br />

Deren geme<strong>in</strong>sames Interesse, wenn auch unterschiedlich motiviert,<br />

liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit mit Bil<strong>der</strong>n, Träumen, Illusionen, Phantasien,<br />

Er<strong>in</strong>nerungen. Dabei wurde die Frage nach dem Unbewussten<br />

aufgriffen, wie vor allem die frühen Filme Das Cab<strong>in</strong>et des Dr. Caligari<br />

(1920), Nosferatu (1922) und Dr. Mabuse, <strong>der</strong> Spieler (1922)<br />

zeigen. Ausgehend von dem ersten, bewusst auf die Psychoanalyse<br />

rekurrierenden Film Geheimnisse e<strong>in</strong>er Seele (1926) werden formale<br />

(Struktur des Films, Abfolge von Bil<strong>der</strong>n, Kameraführung)<br />

und <strong>in</strong>haltliche (Aufnahme psychoanalytischer Theorien) Aspekte<br />

des Mediums Film bis <strong>in</strong> die 60-er Jahre des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts untersucht.<br />

Neben Geme<strong>in</strong>samkeiten, wie etwa <strong>der</strong> Deutung von Träumen,<br />

dem Aufspüren e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>dheitstraumas, paradigmatisch von<br />

Alfred Hitchcock <strong>in</strong> Spellbound (1945), Vertigo (1958) und Marnie<br />

(1964) verwendet o<strong>der</strong> dem Gebrauch von Motiven wie Augen,<br />

Spiegel, Schlüssel, wird auch auf die Unterschiede verwiesen, wie<br />

sie sich seit den 40-er Jahren zunehmend herauskristallisierten und<br />

den psychoanalytisch motivierten Film zum Thriller werden ließen.<br />

Von Beg<strong>in</strong>n an waren Psychoanalyse und K<strong>in</strong>ematographie<br />

mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbunden. Beide s<strong>in</strong>d fast zeitgleich entstanden und<br />

beide mussten die gesellschaftliche Anerkennung erst err<strong>in</strong>gen.<br />

Der Spielfilm wurde zu e<strong>in</strong>em Wegbereiter <strong>der</strong> Psychoanalyse und<br />

verhalf ihr zu e<strong>in</strong>er raschen Verbreitung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft, wenngleich<br />

die Erkenntnisse <strong>der</strong> Psychoanalyse häufig verzerrt und e<strong>in</strong>seitig<br />

dargestellt wurden.<br />

003<br />

Gesellschaft und Wahns<strong>in</strong>n: Psychiatriekritik im K<strong>in</strong>o (1960-1990)<br />

Dirk Arenz (Marien-Hospital Euskirchen, Psychiatrie und Psychotherapie)<br />

E<strong>in</strong>leitung: Vertreter <strong>der</strong> sog. „Antipsychiatrie“ stellten <strong>in</strong> den<br />

Sechzigerjahren die radikale These auf, dass es psychische Erkran-<br />

478<br />

kungen wie die Schizophrenie gar nicht gebe, son<strong>der</strong>n dass dies e<strong>in</strong><br />

Konstrukt sei, basierend auf den Strukturen e<strong>in</strong>er repressiven Familien-<br />

und Gesellschaftsordnung. Die als „Geisteskrankheiten“<br />

def<strong>in</strong>ierten Zustände seien lediglich „abweichendes Verhalten“ von<br />

Menschen, um <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er verrückten Welt zurechtzukommen. Bücher<br />

wie „Das geteilte Selbst“ von La<strong>in</strong>g (1960), „Wahns<strong>in</strong>n und<br />

Gesellschaft“ von Foucault (1961) und viele an<strong>der</strong>e bee<strong>in</strong>flussten<br />

die psychiatrische Landschaft. In <strong>der</strong> BRD erschien 1972 das von<br />

Enzensberger und Michel herausgegebene „Kursbuch“ unter dem<br />

Titel: „Das Elend mit <strong>der</strong> Psyche“. E<strong>in</strong> wesentliches Medium <strong>der</strong><br />

Psychiatriekritik war zudem <strong>der</strong> Film. Unvergessen ist <strong>der</strong> nach<br />

dem Roman von Ken Kesey (1962) von Milos Foreman 1975 gedrehter<br />

Film: „E<strong>in</strong>er flog über das Kuckucksnest“ mit Jack Nicholson.<br />

Methode: Anhand des 1977 von Sidney Lumet verfilmten Dramas<br />

„Equus“ von Peter Shaffer und mit Richard Burton <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rolle e<strong>in</strong>es<br />

Psychiaters können antipsychiatrische Themen aufgegriffen<br />

und diskutiert werden. Dabei handelt es sich nicht – wie sonst vielfach<br />

üblich – um Psychiatriekritik von außen, son<strong>der</strong>n um die Infragestellung<br />

des psychiatrischen Tuns aus <strong>der</strong> Perspektive des Psychiaters<br />

selbst. Anhand von Filmsequenzen mit dem die Rolle des<br />

Psychiaters genial verkörpernden Richard Burton wird dies verdeutlicht.<br />

Diskussion / Ergebnisse: „Wir s<strong>in</strong>d die Priester <strong>der</strong> Normalität“<br />

lautet <strong>der</strong> selbstkritische Kernsatz des Psychiaters im Film, <strong>der</strong> an<br />

se<strong>in</strong>em Beruf verzweifelt. Der Film greift wesentliche Aspekte <strong>der</strong><br />

Psychiatriekritik auf und lässt sie aus <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenperspektive des<br />

Psychiaters wirksam werden.<br />

004<br />

E<strong>in</strong> Spektrum des Faches? Der Psychiatriefilm <strong>der</strong> Gegenwart<br />

(nach 1990)<br />

Hans Förstl (TUM, Kl<strong>in</strong>ikum rechts <strong>der</strong> Isar, Psychiatrie und Psychotherapie,<br />

München)<br />

Freitag, 27. 11. 2009, 15.30 – 17.00 Uhr, Raum 43<br />

S-119 Symposium<br />

Patientenverfügungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychiatrie – Chancen und Risiken<br />

Vorsitz: I. Hauth (Berl<strong>in</strong>), T. Pollmächer (Ingolstadt)<br />

001<br />

Psychiatrische <strong>Erkrankungen</strong> und freie Willensbildung<br />

Thomas Pollmächer (Kl<strong>in</strong>ikum Ingolstadt, Zentrum für psych. Gesundheit)<br />

Die jüngste <strong>in</strong>tensive Debatte um die Erstellung rechtsverb<strong>in</strong>dlicher<br />

Patientenverfügungen, die im Sommer 2009 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Än<strong>der</strong>ung<br />

des Betreuungsrechtes gemündet ist, hat sich stark auf die Frage<br />

konzentriert, wie somatisch kranke Patienten am Lebensende,<br />

wenn sie Ihren Willen nicht mehr bilden und / o<strong>der</strong> äußern können,<br />

durch e<strong>in</strong>e schriftliche Vorausverfügung ihr Selbstbestimmungsrecht<br />

ausüben können und welche ethischen, moralischen<br />

und rechtlichen Probleme dabei auftreten können. Diese Diskussion<br />

hat weitgehend ausgeblendet, daß es e<strong>in</strong>e Vielzahl von Krankheitszuständen<br />

gibt, bei denen die freie Willensbildung bei <strong>in</strong>sgesamt<br />

guten Prognose entwe<strong>der</strong> nur vorübergehend e<strong>in</strong>geschränkt<br />

ist (z. B. bei psychotischen Zuständen), o<strong>der</strong> aber dauerhaft verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />

ist, ohne daß die Grun<strong>der</strong>krankung zeitnah und unmittelbar<br />

zum Tode fürht (z. B. Demenz). Die jetzt rechtlich reglementierte<br />

Patientenverfügung, die es erlaubt ohne vorherige Beratung<br />

und ohne Reichweitenbegrenzung schriftlich verb<strong>in</strong>dlich Behand-

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