Psychische Erkrankungen in der Lebensspanne ... - DGPPN
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Topic 7 G Persönlichkeitsstörungen, F6 // Personality disor<strong>der</strong>s F6<br />
004<br />
Evidenzbasierte Praxis und <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz von Medikamenten bei<br />
selbstverletzendem Verhalten<br />
Gerhard Libal (Univ. Psych. Kl<strong>in</strong>iken Basel, K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendpsychiatrie)<br />
E<strong>in</strong>leitung: Evidenzbasierte Praxis (EbP) versucht aus Studien<br />
Schlussfolgerungen über die Wirksamkeit von Therapien für die<br />
kl<strong>in</strong>ische Praxis zu ziehen. Für die Therapie selbstverletzenden Verhaltens<br />
(SVV) gibt es vor allem von psychotherapeutischen Methoden<br />
Belege für e<strong>in</strong>en hohen Evidenzgrad. Für die Wirksamkeit von<br />
Medikamenten zur Behandlung des SVV im Jugendalter gibt es bislang<br />
noch ke<strong>in</strong>e entsprechende systematische E<strong>in</strong>teilung.<br />
Methode: Zur Bestimmung <strong>der</strong> gegenwärtig aus <strong>der</strong> Literatur zu<br />
gew<strong>in</strong>nenden Evidenz wurde e<strong>in</strong>e PubMed Suche durchgeführt,<br />
die die Literatur über die medikamentöse Behandlung von SVV <strong>der</strong><br />
letzten 10 Jahre e<strong>in</strong>schloss. Dabei wurden vorerst ohne Altersbeschränkung<br />
die verschiedenen Begriffe, die SVV beschreiben<br />
z. B. „Non-Suicidal Self-Injury“, „Deliberate Self Harm“, etc.), <strong>in</strong><br />
Verb<strong>in</strong>dung mit Psychopharmaka verwendet. Studien, die entwicklungsverzögerte<br />
o<strong>der</strong> geriatrische Populationen beschreiben, wurden<br />
ausgeschlossen. Zusätzlich wurden auch Begriffe verwendet,<br />
die mit dem Verhalten häufig <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung stehen (z. B. Impulsivität).<br />
Die E<strong>in</strong>teilung <strong>der</strong> Evidenzgrade erfolgte nach Harbour und<br />
Miller (2001). Anschließend wurden die Ergebnisse für das Jugendalter<br />
getrennt ermittelt.<br />
Diskussion / Ergebnisse: In <strong>der</strong> Literatur f<strong>in</strong>den sich bis auf wenige<br />
kontrollierte Studien vor allem Fallberichte. Die wenigen kontrollierten<br />
Studien wie<strong>der</strong>um beschränken sich meist auf das Erwachsenenalter,<br />
wobei <strong>der</strong> Evidenzgrad (nach Harbour und Miller, 2001)<br />
für psychopharmakologische Interventionen bei SVV im Erwachsenelalter<br />
niedrig und im Jugendalter sehr niedrig ist. Viele Studien<br />
lassen sich nicht auf die Patientenpopulation <strong>in</strong> <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Praxis<br />
übertragen, somit erreichen auch die Empfehlungen für die Praxis<br />
nur niedrige Empfehlungsgrade. Die empirische Basis für die<br />
medikamentöse Therapie von SVV ist weiterh<strong>in</strong> relativ schwach.<br />
Dennoch zeigt die kl<strong>in</strong>ische Praxis, dass <strong>in</strong> vielen Fällen die psychotherapeutische<br />
Behandlung durch den E<strong>in</strong>satz von Medikamenten<br />
unterstützt werden kann. Um Kl<strong>in</strong>iker bei <strong>in</strong>dividuellen<br />
Therapieentscheidungen zu unterstützen, wird e<strong>in</strong> im Konsensverfahren<br />
entwickelter Algorithmus für die medikamentöse Therapie<br />
des SVV vorgestellt.<br />
Samstag, 28. 11. 2009, 08.30 – 10.00 Uhr, Salon 21<br />
S-156 Symposium<br />
Persönlichkeitsstörungen im Jugend- und Erwachsenenalter<br />
Vorsitz: K. Sevecke (Köln), R. Pukrop (Köln)<br />
001<br />
ADHS und Persönlichkeitsstörungen bei Jugendlichen<br />
Kathr<strong>in</strong> Sevecke (Unikl<strong>in</strong>ik Köln)<br />
G. Lehmkuhl, M. Krischer<br />
E<strong>in</strong>leitung: Prävalenz und Komorbidität von Aufmerksamkeitsdefizit-<br />
/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Persönlichkeitsstörungen<br />
(PS) bei Jugendlichen wurden <strong>in</strong> zwei verschiedenen<br />
Stichproben im Rahmen <strong>der</strong> Kölner GAP-Studie (Gewalt-Aggression-Persönlichkeit)<br />
untersucht; diese stammten aus e<strong>in</strong>er kl<strong>in</strong>ischen<br />
(n=43) und e<strong>in</strong>er JVA-Stichprobe (n=217).<br />
Methode: Die ADHS-Symptomatik wurde sowohl retrospektiv <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit als auch aktuell im Jugendalter durch Selbste<strong>in</strong>schätzungsbögen<br />
erfasst. Die Persönlichkeitsstörungen wurden mit <strong>der</strong><br />
IPDE (kl<strong>in</strong>isches Interview) erhoben.<br />
Diskussion / Ergebnisse: Die ADHS-Prävalenz unterschied sich<br />
nicht zwischen JVA und Kl<strong>in</strong>ik. Jedoch zeigten signifikant mehr<br />
<strong>in</strong>haftierte Mädchen als Jungen e<strong>in</strong>e ADHS-Symptomatik. PS sowie<br />
komorbide PS kamen signifikant häufiger <strong>in</strong> <strong>der</strong> JVA-Stichprobe<br />
vor: Während die kl<strong>in</strong>ischen Jugendlichen häufiger die Kriterien<br />
für vermeidende und zwanghafte PS erfüllten, wiesen die Inhaftierten<br />
signifikant häufiger e<strong>in</strong>e antisoziale und/o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e narzisstische<br />
PS auf. Inhaftierte Jungen zeigten häufiger als Mädchen paranoide,<br />
narzisstische und antisoziale PS, Mädchen dagegen zeigten häufiger<br />
Bor<strong>der</strong>l<strong>in</strong>e-PS. Die <strong>in</strong>haftierten Jugendlichen mit Bor<strong>der</strong>l<strong>in</strong>e-<br />
PS wiesen signifikant häufiger <strong>in</strong> ihrer K<strong>in</strong>dheit verschiedene<br />
ADHS-Symptome sowie im Jugendalter hyperaktives Verhalten<br />
auf. Von den Jugendlichen mit e<strong>in</strong>er antisozialen PS zeigten 63 %<br />
als K<strong>in</strong><strong>der</strong> hyperaktives Verhalten. Die Untersuchung belegt, dass<br />
ADHS und PS <strong>in</strong> jugendlichen Risikopopulationen häufige Krankheitsbil<strong>der</strong><br />
s<strong>in</strong>d, die e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>e geschlechtsspezifisch sich unterscheiden<strong>der</strong><br />
Häufigkeitsverteilung zeigen, an<strong>der</strong>erseits deutliche<br />
Überschneidung aufweisen. Dieses Resultat fügt sich e<strong>in</strong> <strong>in</strong> die<br />
Frage und Diskussion um den konzeptuellen Umgang bei<strong>der</strong> Diagnosebil<strong>der</strong><br />
auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> vorliegenden Klassifikationssysteme.<br />
002<br />
E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches Bezugssystem für Persönlichkeitsstörungen im<br />
K<strong>in</strong>des-, Jugend- und Erwachsenenalter<br />
Ralf Pukrop (Universitätskl<strong>in</strong>ikum Köln, Psychiatrie und Psychotherapie)<br />
Die Unzulänglichkeiten <strong>der</strong> bestehenden kategorialen Klassifikationssysteme<br />
für Persönlichkeitsstörungen haben die maßgeblichen<br />
Planungsgremien zur Vorbereitung des DSM-V veranlasst, dimensional<br />
konzipierte alternative Repräsentationsformen für Persönlichkeitsstörungsmerkmale<br />
stärker zu berücksichtigen. Die dimensionalen<br />
Konzeptionen bieten unter diagnostischer, ätiologischer<br />
und ethischer Perspektive bessere Möglichkeiten, persönlichkeitsbed<strong>in</strong>gte<br />
Auffälligkeiten im K<strong>in</strong>des-, Jugend- und Erwachsenenalter<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen Bezugssystem zu klassifizieren. In den<br />
letzten Jahren zeichnet sich e<strong>in</strong>e Konvergenz <strong>der</strong> empirischen und<br />
theoretischen Bemühungen ab, die z. B. Merkmale wie Emotionale<br />
Dysregulation / Negativer Affekt, Verhaltenskontrolle / Impulsivität,<br />
Extraversion / Aktivität / Positiver Affekt und Dissozialität umfasst.<br />
Weniger klar ist die ätiologische Bedeutung untergeordneter und<br />
enger umgrenzter Traits. Damit stellt sich auch die Frage nach <strong>der</strong><br />
Stabilität und Verän<strong>der</strong>barkeit von Persönlichkeits(störungs)merkmalen<br />
und entsprechenden Vorläufern <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dheit und Jugend. In<br />
dem Beitrag werden die verhaltensgenetischen Befunde und die<br />
Ergebnisse aus entsprechenden Langzeitstudien <strong>in</strong>tegrativ zusammengetragen.<br />
Berücksichtigt man außerdem e<strong>in</strong>e endophänotypische<br />
Perspektive und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e neurowissenschaftliche Befunde<br />
von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und die Verb<strong>in</strong>dung<br />
von Persönlichkeitsstörungen und an<strong>der</strong>en psychiatrischen Syndromen,<br />
so lässt sich die Vision e<strong>in</strong>es genetisch und damit ätiologisch<br />
begründbaren Klassifikationssystems entwerfen, das die<br />
Schwächen e<strong>in</strong>es deskriptiven und kategorialen Ansatzes zum Teil<br />
kompensieren könnte. E<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artiges heuristisch ausgerichtetes<br />
Klassifikationsmodell soll zum E<strong>in</strong>en (auch auf se<strong>in</strong>e Generalisierbarkeit<br />
auf Achse-I-Störungen) kritisch diskutiert werden und zum<br />
An<strong>der</strong>en den folgenden Beiträgen als begrifflicher Bezugsrahmen<br />
dienen.<br />
201