Psychische Erkrankungen in der Lebensspanne ... - DGPPN
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Topic 18 G Sozialpsychiatrie // Social psychiatry<br />
004<br />
Diagnostik und Behandlung von Persönlichkeitsstörungen<br />
Marcel Sieberer (Med. Hochschule Hannover, Zentrum Seelische Gesundheit)<br />
I. T. Calliess<br />
E<strong>in</strong>leitung: Für die meisten Kulturen und Gesellschaften s<strong>in</strong>d Persönlichkeitsstörungen<br />
beschrieben. Im Zuge <strong>der</strong> fortschreitenden<br />
Globalisierung und Öffnung unserer Gesellschaft werden Kl<strong>in</strong>iker<br />
und Therapeuten zunehmend mit <strong>der</strong> herausfor<strong>der</strong>nden Aufgabe<br />
konfrontiert, das Funktionsniveau <strong>der</strong> Persönlichkeit bei Menschen<br />
aus fremden Kulturkreisen zu beurteilen und diagnostische sowie<br />
therapeutische Entscheidungen zu treffen. Insbeson<strong>der</strong>e für Migranten<br />
und traumatisierte Flüchtl<strong>in</strong>ge besteht bei <strong>der</strong> diagnostischen<br />
Bewertung von Persönlichkeitsmerkmalen dabei e<strong>in</strong> hohes<br />
Risiko ethnozentristisch bed<strong>in</strong>gter Fehle<strong>in</strong>schätzungen. Im DSM-<br />
IV (1994) wurden erstmals kulturelle Faktoren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>ternationalen<br />
Klassifikationssystem berücksichtigt, um die Sensibilität für<br />
kulturabhängige Variationen im Ausdruck psychischer Störungen<br />
zu erhöhen und kulturell bed<strong>in</strong>gte Fehle<strong>in</strong>schätzungen im diagnostischen<br />
Prozess zu reduzieren.<br />
Methode: Der folgende Beitrag gibt unter Berücksichtigung <strong>der</strong><br />
aktuellen Literatur e<strong>in</strong>en Überblick über transkulturelle Aspekte<br />
<strong>der</strong> Epidemiologie, Diagnostik, Symptomatik und Therapie von<br />
Persönlichkeitsstörungen. Die Diagnose von Persönlichkeitsstörungen<br />
hängt unter an<strong>der</strong>em <strong>in</strong> entscheidendem Maße davon ab,<br />
wie e<strong>in</strong>e Gesellschaft e<strong>in</strong> bestimmtes Verhalten bewertet. Daraus<br />
resultieren transkulturelle Unterschiede im diagnostischen Prozess,<br />
die zu Unter-, aber auch Überbewertung kultureller E<strong>in</strong>flussfaktoren<br />
führen können.<br />
Diskussion / Ergebnisse: Die Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen<br />
ist nicht nur durch biologische Dispositionen, genetische<br />
Determ<strong>in</strong>anten, Lern- und psychodynamische Vorgänge sowie biographisch<br />
gewachsene Haltungen, son<strong>der</strong>n auch durch den E<strong>in</strong>fluss<br />
sozialer und kultureller Faktoren bed<strong>in</strong>gt. Kulturelle Faktoren können<br />
e<strong>in</strong>erseits die Symptomausgestaltung bee<strong>in</strong>flussen, an<strong>der</strong>erseits<br />
unmittelbar als pathogene o<strong>der</strong> als protektive Faktoren wirken. Beispielsweise<br />
sche<strong>in</strong>t die Bor<strong>der</strong>l<strong>in</strong>e-Persönlichkeitsstörung (BPS)<br />
zwar weltweit vorzukommen, <strong>in</strong> traditionellen Gesellschaften tritt<br />
sie aber vermutlich seltener zu Tage. Allerd<strong>in</strong>gs existieren dazu bisher<br />
kaum wissenschaftlich gesicherte Daten im Kulturvergleich.<br />
Die vielfältigen sozialen und kulturellen E<strong>in</strong>flussfaktoren auf allen<br />
Ebenen des diagnostischen und therapeutischen Prozesses erfor<strong>der</strong>n<br />
e<strong>in</strong> fundiertes Wissen über trauma- und kulturspezifische Zusammenhänge,<br />
<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie jedoch e<strong>in</strong>e hohe Kulturkompetenz<br />
und -sensitivität.<br />
Mittwoch, 25. 11. 2009, 08.30 - 10.00 Uhr, Saal 9<br />
S-010 Symposium<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> psychisch kranker Eltern<br />
Vorsitz: M. Schmauß (Augsburg), T. Becker (Günzburg)<br />
001<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>sprechstunde <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erwachsenenpsychiatrie – e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>same<br />
Aufgabe <strong>der</strong> Jugendhilfe und <strong>der</strong> Erwachsenenpsychiatrie<br />
Sab<strong>in</strong>e Kühnel (Bezirkskrankenhaus Augsburg, Sozialdienst)<br />
E<strong>in</strong>leitung: K<strong>in</strong><strong>der</strong> psychisch kranker Eltern werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />
erst wahrgenommen, wenn sich erste Verhaltensauffälligkeiten zeigen.<br />
Diese K<strong>in</strong><strong>der</strong> zeigen B<strong>in</strong>dungsstörungen, e<strong>in</strong>e gesteigerte<br />
Aggres sivität, e<strong>in</strong>e verzögerte Sprachentwicklung o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Verhaltensauffälligkeiten.<br />
Die Erwachsenenpsychiatrie hat, durch den<br />
412<br />
Kontakt zu den erkrankten Eltern, bereits früh Zugang zu betroffenen<br />
Familien.<br />
Methode: An dieser Stelle wird <strong>der</strong> Präventionsauftrag <strong>der</strong> Erwachsenenpsychiatrie<br />
im H<strong>in</strong>blick auf die Entwicklung und psychische<br />
Gesundheit <strong>der</strong> betroffenen m<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen K<strong>in</strong><strong>der</strong> deutlich. Dieser<br />
kann nur <strong>in</strong> Kooperation mit den entsprechenden Partnern <strong>der</strong><br />
Jugendhilfe s<strong>in</strong>nvoll gel<strong>in</strong>gen. Neben e<strong>in</strong>er rout<strong>in</strong>emäßigen Erfassung<br />
<strong>der</strong> m<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen K<strong>in</strong><strong>der</strong> psychiatrischer Patienten, e<strong>in</strong>er<br />
altersgemäßen Aufklärung über die psychische <strong>Erkrankungen</strong> <strong>der</strong><br />
Eltern, <strong>der</strong> Diagnostik möglicher Verhaltensauffälligkeiten und <strong>der</strong><br />
daraus resultierenden Vermittlung von weiteren, spezifischen Hilfen,<br />
sollten sich die Erwachsenenpsychiatrie zukünftig immer mehr<br />
<strong>der</strong> Kooperation mit <strong>der</strong> öffentlichen Jugendhilfe öffnen.<br />
Diskussion / Ergebnisse: In den Bezirkskrankenhäusern Augsburg<br />
und Günzburg s<strong>in</strong>d zwei unterschiedlich strukturierte, präventive<br />
Projekte etabliert: • Die „K<strong>in</strong><strong>der</strong>sprechstunde“ am BKH Augsburg,<br />
seit 2007 • Die Beratungsstelle „FIPS“ am BKH Günzburg, seit<br />
2006. Beide Stellen bieten, durch ihre Verankerung <strong>in</strong> <strong>der</strong> stationären<br />
Erwachsenenpsychiatrie, e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>en Zugang zu e<strong>in</strong>er,<br />
für an<strong>der</strong>e Hilfen, schwer zugänglichen Klientel. Im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong><br />
Prävention erfolgen Maßnahmen mit den Instrumenten <strong>der</strong>:<br />
• Beratung (Elterngespräche, Problembearbeitung) • therapeutischen<br />
Gespräche zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> familiären Kommunikation<br />
• k<strong>in</strong><strong>der</strong>psychologischen Entwicklungsdiagnostik • Psychoedukation<br />
und Gruppenangebote • Vermittlung von psychotherapeutischen<br />
Maßnahmen für stark belastete K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche<br />
• Vermittlung von Jugendhilfemaßnahmen für betroffene Familien<br />
und Überprüfung <strong>der</strong> Inanspruchnahme <strong>der</strong> vermittelten Hilfen<br />
• gezielten Exploration h<strong>in</strong>sichtlich des Gefährdungsrisikos (KWG)<br />
• Krisen<strong>in</strong>tervention, Notfallplanung • Vernetzung mit allen relevanten<br />
Bereichen <strong>der</strong> Gesundheits- und Jugendhilfe.<br />
002<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> psychisch kranker Eltern – das familienorientierte Forschungs-<br />
und Präventionsprojekt „CHIMPs“ (Children of Mentally<br />
ill Parents) an <strong>der</strong> Schnittstelle zwischen Erwachsenen- und K<strong>in</strong><strong>der</strong>psychiatrie<br />
Silke Wiegand-Grefe (UKE Hamburg, KJP)<br />
J. Ohntrup, A. Plaß<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> psychisch kranker Eltern s<strong>in</strong>d als Risikogruppe für die Entwicklung<br />
eigener psychischer Auffälligkeiten bekannt. In Deutschland<br />
leben nach Schätzungen ca. 2 – 3 Millionen K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit psychisch<br />
kranken Eltern (Mattejat, 2008, Lenz, 2005). Bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />
mit e<strong>in</strong>em schizophrenen Elternteil weisen Forschungsergebnisse<br />
e<strong>in</strong> erhöhtes eigenes Erkrankungsrisiko von 13 % (gegenüber 1 % <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Gesamtbevölkerung) auf, bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n mit e<strong>in</strong>em depressiven<br />
Elternteil von 24 % gegenüber 8 % <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kontrollgruppe (Wiegand-<br />
Grefe et al. 2009). Neben genetischen Faktoren spielen psychosoziale<br />
Umweltbed<strong>in</strong>gungen, wie Belastungs- und Risikofaktoren<br />
e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle bei <strong>der</strong> Frage, ob die K<strong>in</strong><strong>der</strong> später selbst<br />
erkranken. E<strong>in</strong>e kompensierende Funktion kommt dabei e<strong>in</strong>er angemessenen<br />
Krankheitsbewältigung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie sowie stabilen,<br />
tragfähigen und vertrauensvollen <strong>in</strong>ner- und außerfamiliären Beziehungen<br />
zu. Präventive Projekte s<strong>in</strong>d notwendig, um betroffene<br />
Familien frühzeitig zu unterstützen, bevor die K<strong>in</strong><strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um<br />
behandlungsbedürftig geworden s<strong>in</strong>d. Im Präventions- und Forschungsprojekt<br />
„CHIMPs“ (Children of Mentally ill Parents) wird<br />
e<strong>in</strong> familienorientiertes Präventionsangebot für Familien mit<br />
e<strong>in</strong>em psychisch kranken Elternteil entwickelt und evaluiert. Im<br />
Vortrag wird e<strong>in</strong> auf <strong>der</strong> Basis e<strong>in</strong>er eigenen Bedarfsanalyse, auf <strong>der</strong><br />
Grundlage <strong>der</strong> Pionierarbeiten von William Beardslee und Mitarbeitern<br />
(z. B. Beardslee, 2009) und unseres „Modells <strong>der</strong> psychosozialen<br />
Entstehungsbed<strong>in</strong>gungen für psychische Krankheit bei<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>n psychisch kranker Eltern“ (Mattejat et al. 2000, Wiegand-<br />
Grefe, 2007) entwickeltes Beratungsangebot für Familien mit e<strong>in</strong>em