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Bericht - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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Rechtsnormen werden hierbei konsequent als Steuerungsinstrumente begriffen, die dazu beitragen<br />

sollen, bestimmte gesellschaftlich wünschenswerte Zustände herbeizuführen <strong>und</strong> dauerhaft zu erhalten.<br />

60 Ein Gemeinwesen, das häuslicher Gewalt entgegentritt <strong>und</strong> sie langfristig vermindern <strong>und</strong> verhindern<br />

will, wird <strong>Frauen</strong>häuser <strong>und</strong> andere Angebote als „unverzichtbar[e]“ 61 Elemente eines umfassend<br />

angelegten Gefüges von Schutz <strong>und</strong> Hilfe begreifen, das rechtlich gerahmt <strong>und</strong> strukturiert<br />

wird. 62<br />

Dabei kommt es darauf an, von den <strong>Frauen</strong>häusern <strong>und</strong> ihrer advokatorischen Rolle her zu denken:<br />

„Aus den Erfahrungen der <strong>Frauen</strong>häuser zu lernen, heißt politische <strong>und</strong> gesetzgeberische Entscheidungen<br />

eng an den Realitäten der Betroffenen auszurichten.“ 63 Nur dies gewährleistet einen „wirksame[n]<br />

Schutz vor Gewalt“. 64<br />

Rechtsnormen müssen vor diesem Hintergr<strong>und</strong> im Kontext betrachtet werden. 65 Recht – insbesondere<br />

Sozialrecht, das sich als sog. regulatives Recht nicht von selbst vollzieht, sondern der Umsetzung<br />

durch das in der Sozialadministration tätige Personal bedarf – 66 fällt nicht vom Himmel. Der ordnende<br />

Anspruch des Rechts muss aktiv verwirklicht werden. Was „Recht“ aus Sicht der Betroffenen bedeutet,<br />

hängt somit von institutionellen <strong>und</strong> prozeduralen Umsetzungsbedingungen ab, die den im<br />

Normtext gespeicherten Gestaltungsanspruch Wirklichkeit werden lassen. Erst diese Modalitäten der<br />

Normimplementation – zu denen auch unterhalb des Gesetzes angesiedelte Steuerungsinstrumente<br />

gehören (z.B. Verwaltungsvorschriften, Vereinbarungen) – machen aus dem interpretationsabhängigen<br />

Normtext mit all seinen Unschärfen <strong>und</strong> „Flexibilitäten“ 67 handlungswirksame Regeln <strong>für</strong> die<br />

Verwaltungs- <strong>und</strong> Gerichtspraxis. „Recht im Kontext“ ist demnach beides: law in the books <strong>und</strong> law in<br />

action, 68 gelebtes <strong>und</strong> geschriebenes Recht, normativ geltendes <strong>und</strong> effektiv geltendes Recht. Recht<br />

60 Baer, Recht: Normen zwischen Zwang, Konstruktion <strong>und</strong> Ermöglichung – Gender-Studien zum Recht, in:<br />

Becker/Kortendiek (Hrsg.), Handbuch <strong>Frauen</strong>- <strong>und</strong> Geschlechterforschung, 3. Aufl. 2010, S. 555 (561).<br />

61 Bär, BT-Plenarprotokoll 17/13 vom 18.12.2009, S. 1115 (A): „Als zentrale Anlaufstelle <strong>und</strong> Einrichtung <strong>für</strong><br />

Opfer von häuslicher Gewalt sind unsere <strong>Frauen</strong>häuser seit 30 Jahren unverzichtbar geworden.“<br />

62 Vgl. Schweikert, Gewalt ist kein Schicksal. Ausgangsbedingungen, Praxis <strong>und</strong> Möglichkeiten einer rechtlichen<br />

Intervention bei häuslicher Gewalt gegen <strong>Frauen</strong> unter besonderer Berücksichtigung von polizei- <strong>und</strong> zivilrechtlichen<br />

Befugnissen, 2000, S. 517 f.<br />

63 Pressemitteilung des BMFSFJ vom 23.11.2006, Überschrift: „B<strong>und</strong>esministerin Ursula von der Leyen: <strong>Frauen</strong>häuser<br />

seit 30 Jahren unverzichtbarer Bestandteil der Unterstützung <strong>für</strong> Gewaltopfer“,<br />

http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/BMFSFJ/Presse/pressemitteilungen,did=86918.html (abgerufen am<br />

30.1.2012).<br />

64 B<strong>und</strong>esministerin Schröder, Vorwort, in: BMFSFJ (Hrsg.), Aktionsplan II der B<strong>und</strong>esregierung zur Bekämpfung<br />

der Gewalt gegen <strong>Frauen</strong>, Berlin, 3. Aufl., Januar 2011, S. 3 – allg. bezogen auf die Bekämpfung von Gewalt<br />

gegen <strong>Frauen</strong>.<br />

65 Zum komplexen Verhältnis von Recht <strong>und</strong> Realität Baer, Würde oder Gleichheit? Zur angemessenen gr<strong>und</strong>rechtlichen<br />

Konzeption von Recht gegen Diskriminierung am Beispiel sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in<br />

der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland <strong>und</strong> den USA, 1995, S. 159 ff.<br />

66 Voßkuhle, Personal, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Gr<strong>und</strong>lagen des Verwaltungsrechts,<br />

Bd. 3, 2009, § 43 Rn. 1 – 122 (S. 3 – 81); Hebeler, Verwaltungspersonal – Eine rechts- <strong>und</strong> verwaltungswissenschaftliche<br />

Strukturierung, 2008.<br />

67 Baer, Gender Mainstreaming als Operationalisierung des Rechts auf Gleichheit – Ausgangspunkte, Rahmen<br />

<strong>und</strong> Perspektiven einer Strategie, in: Bothfeld/Gronbach/Riedmüller (Hrsg.), Gender Mainstreaming – eine Innovation<br />

in der Gleichstellungspolitik, 2002, S. 41 (48).<br />

68 Zu dieser auf den US-amerikanischen Rechtswissenschaftler Roscoe Po<strong>und</strong> zurückgehende Unterscheidung,<br />

die formelhaft vereinfacht viel vom Selbstverständnis der sociological jurisprudence bzw. des legal realism zusammenfasst,<br />

Baer, Recht: Normen zwischen Zwang, Konstruktion <strong>und</strong> Ermöglichung – Gender-Studien zum<br />

Recht, in: Becker/Kortendiek (Hrsg.), Handbuch <strong>Frauen</strong>- <strong>und</strong> Geschlechterforschung, 3. Aufl. 2010, S. 555 (556);<br />

hierzu auch Schulz-Schaeffer, Rechtsdogmatik als Gegenstand der Rechtssoziologie, Zeitschrift <strong>für</strong> Rechtssoziologie<br />

25 (2004), S. 141 (143 ff., 146 ff.).<br />

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