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Bericht - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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II. Zur Methode des Gutachtens, insbesondere zur „rechtsrealistischen“<br />

Methode der sozialrechtlichen Problemanalyse<br />

Während der verfassungsrechtliche Teil des Gutachtens (Teil 3) „rechtsdogmatisch“ angelegt ist, also<br />

im Wege der textorientierten Verfassungsauslegung (Verfassungskonkretisierung) den Bedeutungsgehalt<br />

insbesondere der relevanten Vorschriften des Gr<strong>und</strong>gesetzes (GG) erarbeitet, folgt die Defizitanalyse<br />

(Teil 2) einer „rechtsrealistischen“ Methode. Entsprechend dem konzeptionellen Ansatz<br />

(oben I.), werden die rechtlichen Gesichtspunkte, die in der Praxis den Zugang zu den <strong>Frauen</strong>häusern<br />

<strong>und</strong> den anderen Unterstützungsangeboten erschweren, benannt, <strong>und</strong> zwar unter Auswertung der<br />

Daten, die die sozialwissenschaftlich-empirische Bestandsaufnahme, dem Hauptteil der Gesamtstudie,<br />

erbracht hat. Hinzu kommen weitere Daten aus unterschiedlichen quantitativen <strong>und</strong> qualitativen<br />

empirischen Quellen, die die Daten der sozialwissenschaftlichen Studie ergänzen <strong>und</strong> somit ebenfalls<br />

dazu beitragen können, Zugangsprobleme zu erkennen.<br />

Die Methode ist „rechtsrealistisch“, weil sie sich bemüht, die Steuerungskraft <strong>und</strong> -schwäche von<br />

Rechtsnormen im Kontext ihrer Bezüge zur relevanten Wirklichkeit zu benennen. 76 Gerade <strong>für</strong> die<br />

Sozialrechtsnormen, die sich auf gewaltbetroffene <strong>Frauen</strong> beziehen, wird kritisch vermerkt, sie gingen<br />

vielfach „an der Realität“ 77 vorbei. Umso mehr muss sich eine rechtswissenschaftliche Betrachtung<br />

bemühen, gerade nicht an der Realität vorbei zu argumentieren, sondern die Realität als Anfrage<br />

an die Plausibilität des geltenden Rechts <strong>und</strong> als Impuls seiner Reform ernst zu nehmen.<br />

Bei diesem Vorgehen handelt es sich im strengen Sinne nicht um Rechtswirkungsforschung, Gesetzesfolgenabschätzung<br />

bzw. empirische Rechtssoziologie, weil der sozialwissenschaftliche <strong>und</strong> der<br />

rechtswissenschaftliche Teil der Gesamtstudie je <strong>für</strong> sich autonom argumentieren, aber interdisziplinär<br />

aufeinander bezogen sind. Bei den <strong>für</strong> die Bestandsaufnahme erzielten sozialwissenschaftlichen<br />

Daten handelt es sich um eine qualifizierte Annäherung an die Wirklichkeit, die über Tendenzen Auskunft<br />

gibt, die den Bereich der isolierten Einzelfallbeobachtung <strong>und</strong> damit den Bereich des bloß<br />

Anekdotischen verlässlich überschreiten. Soweit ersichtlich, sind die Daten der sozialwissenschaftlichen<br />

Bestandsaufnahme 78 die ersten dieser Qualität, was die (sozial-)rechtliche Defizitanalyse besonders<br />

aussagekräftig macht. 79 Denn generell gilt: „Politische Argumentation muss auf empirisch<br />

abgesicherten Fakten basieren, sonst ist sie bloße Ideologie.“ 80<br />

76 Zum Rechtsrealismus (legal realism) als wichtigem theoretischen Ansatz gegenwärtiger Rechtssoziologie<br />

Baer, Interdisziplinäre Rechtsforschung. Was uns bewegt, in: Gr<strong>und</strong>mann u.a. (Hrsg.), Festschrift 200 Jahre Juristische<br />

Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, 2010, S. 917 (924).<br />

77 Sellach, Monitoring zu den Wirkungen von SGB II auf <strong>Frauen</strong>hausbewohnerinnen <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong>häuser, in:<br />

Klute/Kotlenga (Hrsg.), Sozial- <strong>und</strong> Arbeitsmarktpolitik nach Hartz. Fünf Jahre Hartzreformen: Bestandsaufnahme<br />

– Analysen – Perspektiven, 2008, S. 74 (98) – zitiert wird hier die Äußerung einer <strong>Frauen</strong>hausmitarbeiterin<br />

zum SGB II.<br />

78 Helfferich/Kavemann, Bestandsaufnahme zur Situation der <strong>Frauen</strong>häuser, der Fachberatungsstellen <strong>und</strong><br />

anderer Unterstützungsangebote <strong>für</strong> gewaltbetroffene <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> deren Kinder, Berlin/Freiburg Januar 2012.<br />

79 Die Gleichstellungs- <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong>ministerkonferenz (GFMK) betont, dass eine „gesicherte Datenlage eine<br />

sachlich begründete <strong>und</strong> zielorientierte Chancengleichstellungspolitik erheblich unterstützen kann“, BMFSFJ<br />

(Hrsg.), Atlas zur Gleichstellung von <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> Männern in Deutschland, 3. Aufl., Berlin 2010, S. 4. – Das gilt in<br />

entsprechender Weise auch <strong>für</strong> politische Maßnahmen zur Bekämpfung der Gewalt gegen <strong>Frauen</strong>.<br />

80 Kavemann, „Was nehmen wir mit?“, Strategieskizzen, Praxisrückmeldungen, Forschungsbedarf, Resümee<br />

des 8. <strong>Frauen</strong>hausfachforums 2011, S. 2, abrufbar auf der Homepage der <strong>Frauen</strong>hauskoordinierung,<br />

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