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Bericht - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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) Finanzierungsarten als Weichensteller der Problemdefinition<br />

Anders kann die Lage aussehen, wenn die Hilfe in <strong>Frauen</strong>häusern <strong>und</strong> weiteren Unterstützungsangeboten<br />

nicht als sog. Subjektförderung, sondern als sog. Objektförderung durch Zuwendungen organisiert<br />

wird. 96 Die Begriffe Subjekt- <strong>und</strong> Objektförderung haben sich in der sozialpolitischen <strong>und</strong> sozialadministrativen<br />

Praxis eingebürgert; sie sind idealtypische Unterscheidungen, die in der Praxis vielfache<br />

Variationen im Detail sowie Übergänge kennen. 97<br />

„Subjektförderung“ meint, dass die Hilfe <strong>und</strong> die Finanzierung insbesondere der <strong>Frauen</strong>häuser<br />

rechts- <strong>und</strong> verwaltungstechnisch bei den betroffenen „Subjekten“, also bei den gewaltbetroffenen<br />

<strong>Frauen</strong> ansetzen. Sofern die gewaltbetroffenen <strong>Frauen</strong> (zeitweilig) kein Geld haben, um den Aufenthalt<br />

insbesondere im <strong>Frauen</strong>haus zahlen zu können bzw. sich daran zu beteiligen, können bei finanzieller<br />

Hilfebedürftigkeit Ansprüche insbesondere nach dem SGB II bestehen. Nur wenn sie entsprechende<br />

Individualansprüche haben <strong>und</strong> (Geld-)Leistungen erhalten, wird mittelbar aus der jeder einzelnen<br />

Frau zugewiesenen Geldsumme auch der Aufenthalt im <strong>Frauen</strong>haus finanzierbar, etwa wenn<br />

der ihr zustehende Anspruch auf Übernahme der Wohnungskosten dazu dient, die Kosten der Unterkunft<br />

im <strong>Frauen</strong>haus zu decken (vgl. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II). 98<br />

Mit der Subjektförderung ist in der Regel die sog. Tagessatzfinanzierung verb<strong>und</strong>en: Orientiert an der<br />

Zahl der <strong>Frauen</strong>, die das <strong>Frauen</strong>haus an konkret zu benennenden Tagen aufsuchen, wird das <strong>Frauen</strong>haus<br />

durch „Tagessätze“ finanziert („Pro-Kopf-Gelder“) 99 . Das bedeutet in erster Linie, dass die Unterkunftskosten,<br />

die wirtschaftlich das <strong>Frauen</strong>haus treffen, der betroffenen Frau häufig nicht im<br />

Rahmen des ihr zustehenden SGB II-Anspruchs ausgezahlt werden 100 , sondern von der zuständigen<br />

Behörde aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung unmittelbar an das <strong>Frauen</strong>haus ausgezahlt<br />

werden. 101 Die Perspektive der Individualansprüche schlägt also auf die Art der Finanzierung des<br />

<strong>Frauen</strong>hauses durch, was bei geringerer Belegung des <strong>Frauen</strong>hauses zu einem geringeren Finanzierungsniveau<br />

führt. Gerade bezogen auf die dauerhaft anfallenden Kosten eines <strong>Frauen</strong>hauses macht<br />

dies eine verlässliche Kostenplanung tendenziell schwieriger. 102<br />

Umgekehrt müsste ein <strong>Frauen</strong>haus, das allein von der Tagessatzfinanzierung abhinge, darauf bedacht<br />

sein, dass das Haus möglichst ausgelastet ist. Das hätte zur Folge (wie dies in einer Plenardebatte<br />

1983 im Deutschen B<strong>und</strong>estag in gewiss zugespitzter Form, aber sachlich nicht falsch formuliert wurde),<br />

dass der „Betrieb nur gesichert ist, wenn immer genügend <strong>und</strong> gleichbleibend viele <strong>Frauen</strong> mißhandelt<br />

werden <strong>und</strong> im <strong>Frauen</strong>haus Zuflucht suchen: eine wahrlich absurde <strong>und</strong> an Zynismus grenzende<br />

Voraussetzung.“ 103 Die Tagessatzfinanzierung lässt sich als „indirekte“ 104 Finanzierung bezeichnen,<br />

weil sie bei den betroffenen <strong>Frauen</strong> ansetzt <strong>und</strong>, vermittelt über diese, indirekt zur Finanzierung<br />

96 Zu diesen Unterscheidungen im Überblick Bäcker u.a., Sozialpolitik <strong>und</strong> soziale Lage in Deutschland, Bd. 2,<br />

4. Aufl. 2008, S. 556 (566).<br />

97 Dazu unten Teil 2, B. III.<br />

98 Dazu <strong>Frauen</strong>hauskoordinierung, Rechtsinformation – <strong>Frauen</strong> in <strong>Frauen</strong>häusern mit Anspruch auf ALG II<br />

nach dem SGB II, Eigenverlag, Berlin, Stand: Mai 2011, S. 17 ff.<br />

99 Potthast, BT-Plenarprotokoll 10/40 vom 1.12.1983, S. 2810 (B).<br />

100 Siehe dazu exemplarisch die örtlichen Richtlinien der Städte bzw. Landkreise Krefeld, Gera, Ingolstadt, Er-<br />

langen-Höchstadt, Düsseldorf, Greiz, Anhang 1.<br />

101 Hierzu noch unten Teil 2, B. III.<br />

102 Dieses Problem ist politisch schon früh erkannt <strong>und</strong> diskutiert worden, s. nur den Änderungsantrag, BT-<br />

Drucks. 10/2429 vom 26.11.1984, S. 2.<br />

103 Potthast, BT-Plenarprotokoll 10/40 vom 1.12.1983, S. 2810 (B).<br />

104 So zutreffend z.B. der Entschließungsantrag, BT-Drucks. 10/6716 vom 9.12.1986, S. 1.<br />

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