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Bericht - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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Ein Problem stellt z.B. durchaus immer noch die Antragstellung dar. Leistungen insbesondere nach<br />

dem SGB II sind antragsabhängig, sie werden also nur auf Antrag erbracht (§ 37 Abs. 1 S. 1 SGB II).<br />

Üblicherweise stellt die Person, die Leistungen nach dem SGB II begehrt, ihren Antrag in den Räumlichkeiten,<br />

an dem das Jobcenter (§ 6d SGB II) seinen Sitz hat. Wenn eine von Gewalt betroffene Frau<br />

allerdings diese normalen Anlaufstellen aufsuchen müsste, kann sie in Gefahr geraten, wenn ein gewalttätiger<br />

(Ex-)Partner in der Nähe des Jobcenters oder in den Räumen des Jobcenters erscheint. 258<br />

Auch setzt die Kommunikation mit gewaltbetroffenen <strong>Frauen</strong> einen der Lebenslage adäquate Gesprächsführung<br />

voraus, 259 was unter den Bedingungen der hohen Falllast, dem die Mitarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong> Mitarbeiter vor allem in den Jobcentern unterliegen, nicht immer leicht möglich sein wird. Auf<br />

das fehlende Verständnis <strong>für</strong> die „besondere Problematik von häuslicher Gewalt“ 260 wird in der Literatur<br />

hingewiesen. Schließlich müssen die entsprechend geeigneten Mitarbeiterinnen auch zügig erreichbar<br />

sein, 261 weil die Flucht ins <strong>Frauen</strong>haus in der Regel unter Akutbedingungen erfolgt. Die<br />

Kommunikation mit der Frau muss zudem so erfolgen, dass keine Daten bekannt werden, die den<br />

gegenwärtigen Aufenthaltsort der Frau ggf. nur indirekt bekannt machen. 262<br />

(2) Reformoptionen<br />

Um den Sinn der Behörden <strong>für</strong> eine administrative Vorgehensweise zu schärfen, die der besonderen<br />

Lage gewaltbetroffener <strong>Frauen</strong> gerecht wird, empfehlen sich Gesetzesänderungen, die in Form eines<br />

auch verfahrensleitenden Programmsatzes (z.B. zu Beginn des SGB II) den Leistungsträgern aufgeben,<br />

die besonderen Belange von <strong>Frauen</strong> in <strong>Frauen</strong>häusern oder von Opfern häuslicher Gewalt zu berücksichtigen.<br />

Solche Programmsätze sind im Sozialrecht nichts Ungewöhnliches; sie gibt es z.B. auch im<br />

SGB II, etwa in § 1 Abs. 2 S. 3 SGB II, wonach die Gleichstellung von Männern <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong> als „durchgängiges<br />

Prinzip zu verfolgen“ ist. 263 Ein solcher Programmsatz würde bei der systematischen Auslegung<br />

auch den Gr<strong>und</strong>satz der Nichtförmlichkeit des Verfahrens (§ 9 SGB X) beeinflussen.<br />

Der Gr<strong>und</strong>satz der Nichtförmlichkeit des Verfahrens lässt zudem schon jetzt Vorgehensweisen zu, die<br />

den gewaltbetroffenen <strong>Frauen</strong> entgegenkommen. Sie sollten in internen Richtlinien bzw. Dienst-<br />

bzw. Geschäftsanweisungen <strong>für</strong> die Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter der Behörde verbindlich gemacht<br />

<strong>und</strong> mit den <strong>Frauen</strong>häusern im Sinne von good practice-Modellen 264 abgestimmt werden. Das<br />

258 Deutscher Verein <strong>für</strong> öffentliche <strong>und</strong> private Fürsorge, Empfehlungen zu Hilfeleistungen an von häuslicher<br />

Gewalt betroffene <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> ihre Kinder insbesondere im Rechtskreis des SGB II, Nachrichtendienst des Deutschen<br />

Vereins <strong>für</strong> öffentliche <strong>und</strong> private Fürsorge (NDV) 2008, S. 365 (366).<br />

259 Vgl. Deutscher Verein <strong>für</strong> öffentliche <strong>und</strong> private Fürsorge, Empfehlungen zu Hilfeleistungen an von häuslicher<br />

Gewalt betroffene <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> ihre Kinder insbesondere im Rechtskreis des SGB II, Nachrichtendienst des<br />

Deutschen Vereins <strong>für</strong> öffentliche <strong>und</strong> private Fürsorge (NDV) 2008, S. 365 (366).<br />

260 Sellach, Monitoring zu den Wirkungen von SGB II auf <strong>Frauen</strong>hausbewohnerinnen <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong>häuser, in:<br />

Klute/Kotlenga (Hrsg.), Sozial- <strong>und</strong> Arbeitsmarktpolitik nach Hartz. Fünf Jahre Hartzreformen: Bestandsaufnahme<br />

– Analysen – Perspektiven, 2008, S. 74 (76).<br />

261 Deutscher Verein <strong>für</strong> öffentliche <strong>und</strong> private Fürsorge, Empfehlungen zu Hilfeleistungen an von häuslicher<br />

Gewalt betroffene <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> ihre Kinder insbesondere im Rechtskreis des SGB II, Nachrichtendienst des Deutschen<br />

Vereins <strong>für</strong> öffentliche <strong>und</strong> private Fürsorge (NDV) 2008, S. 365 (366).<br />

262 Dazu Deutscher Verein <strong>für</strong> öffentliche <strong>und</strong> private Fürsorge, Empfehlungen zu Hilfeleistungen an von häuslicher<br />

Gewalt betroffene <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> ihre Kinder insbesondere im Rechtskreis des SGB II, Nachrichtendienst des<br />

Deutschen Vereins <strong>für</strong> öffentliche <strong>und</strong> private Fürsorge (NDV) 2008, S. 365 (366 f.).<br />

263 Vorbild <strong>für</strong> diese Regelung ist § 1 Abs. 1 S. 3 SGB III – Arbeitsförderung –.<br />

264 Dazu BMFSFJ, Models of good practice bei der Beantragung von Anträgen nach dem SGB II <strong>für</strong> von häuslicher<br />

Gewalt betroffene <strong>Frauen</strong> (Materialien zur Gleichstellungspolitik Nr. 108/2007), Berlin, Dezember 2007.<br />

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