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Bericht - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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Abgrenzungen sehr unscharf. 247 Dass anstelle der Formulierung „erzieherischer Bedarf“ auch von „Erziehungsdefiziten“<br />

gesprochen wird, klingt missverständlich, weil der Eindruck entstehen könnte, als<br />

seien die <strong>Frauen</strong> <strong>für</strong> diese Defizite (mit)verantwortlich; gemeint ist allerdings nur eine Umschreibung<br />

<strong>für</strong> eine objektive Lage, die den Erziehungsprozess der Kinder mehr als üblich beeinträchtigt <strong>und</strong> nur<br />

insofern Defizite aufweist.<br />

Dass das Problem möglicherweise schon jetzt nach SGB II oder SGB XII gelöst werden könnte, wird<br />

bislang kaum angenommen, obgleich der Wortlaut der einschlägigen Regelungen dies nicht von<br />

vornherein ausschließt. So ist die „Betreuung minderjähriger […] Kinder“ eine kommunale Eingliederungsleistung<br />

(§ 16a Nr. 1 SGB II), <strong>und</strong> diese Betreuung könnte partiell auch in <strong>Frauen</strong>häusern erfolgen.<br />

Da<strong>für</strong> spricht auch der Sinn <strong>und</strong> Zweck des § 16a SGB II, der, wie es in der Vorschrift selbst heißt,<br />

zur „Verwirklichung einer ganzheitlichen <strong>und</strong> umfassenden Betreuung <strong>und</strong> Unterstützung bei der<br />

Eingliederung in Arbeit“ beitragen will. Angestrebt werden damit „flexible, bedarfsgerechte <strong>und</strong> unbürokratische<br />

Einzelfallhilfen“. 248 Meistens werden darunter Unterstützungsangebote zu verstehen<br />

sein, wie sie üblicherweise in Kindertagesstätten erfolgen. Ausgeschlossen sind – als spezifische Angebote<br />

der „Betreuung“ – allerdings auch nicht qualifizierte Hilfen <strong>für</strong> Kinder zur Bewältigung der<br />

Folgen von (Mit-)Betroffenheit von Gewalt. Unterstützungsangebote von Kindern, die mit ihren Müttern<br />

in <strong>Frauen</strong>häusern Aufnahme gef<strong>und</strong>en haben, könnten danach bei hinreichend problemorientierter<br />

Auslegung von der Vorschrift erfasst sein. Das bestätigt die neuere Rechtsprechung. 249 In entsprechender<br />

Weise – nämlich weit – ließe sich § 67 S. 1 SGB XII auslegen.<br />

Allerdings stellt sich ein weiteres Abgrenzungsproblem, weil Leistungen nach anderen Vorschriften,<br />

z.B. solchen des Kinder- <strong>und</strong> <strong>Jugend</strong>hilferechts (SGB VIII) vorrangig sind (§ 67 S. 2 SGB VIII). Die Sorge<br />

<strong>für</strong> Kinder <strong>und</strong> <strong>Jugend</strong>liche passt ohnehin besser zum spezifischen Sozialsicherungssystem der Kinder-<br />

<strong>und</strong> <strong>Jugend</strong>hilfe. Die sozialwissenschaftliche Bestandsaufnahme verdeutlicht, wie ungenügend<br />

gerade hier die Finanzierung fachlich f<strong>und</strong>ierter Arbeit ausfällt. 250<br />

Allerdings setzt, wie erwähnt, die Anwendbarkeit des SGB VIII – einerseits – voraus, dass sich die Lage<br />

von Kindern in <strong>Frauen</strong>häusern objektiv als erzieherisch erschwert (spezifisch erzieherischer Bedarf)<br />

bewerten lässt, <strong>und</strong> andererseits müsste der Aufenthalt als Hilfe zur Erziehung gelten. Das ist zwar<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich möglich, weil die in den §§ 27 ff. SGB VIII aufgeführten Hilfen zur Erziehung keine abschließende<br />

Aufzählung darstellen, 251 was aber die Folgefrage nach den fachlich-pädagogischen Anforderungen<br />

aufwirft, denen die <strong>Frauen</strong>häuser in Bezug auf die Kinder gerecht werden müssten,<br />

wenn die Finanzierungsregelungen des SGB VIII Anwendung finden sollen. 252<br />

Kurz gesagt überlappen sich bei der Unterbringung von Kindern in <strong>Frauen</strong>häusern mindestens drei<br />

Gesetze (SGB II, VIII, XII) <strong>und</strong> ihre Anwendungsunschärfen. Ob sich schließlich der Wortlaut <strong>und</strong> der<br />

Sinn <strong>und</strong> Zweck des § 6 Abs. 1 AsylbLG so weit strapazieren lassen, dass die Betreuung von Kindern in<br />

247<br />

Vgl. mit Blick auf Abgrenzungsprobleme bei Mehrfachbehinderungen Greß/Rixen/Wasem, Eingliederungshilfe<br />

<strong>für</strong> seelisch behinderte Kinder <strong>und</strong> <strong>Jugend</strong>liche: Abgrenzungsprobleme <strong>und</strong> Reformszenarien, Vierteljahresschrift<br />

<strong>für</strong> Sozialrecht (VSSR) 2009, S. 43 – 60, hier: S. 50 f.<br />

248<br />

Breitkreuz, in: Löns/Herold-Tews (Hrsg.), SGB II, Kommentar, 3. Aufl. 2011, § 16a Rn. 3.<br />

249<br />

Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2011 – L 12 AS 3169/10 –, juris, Rn. 21 ff.,<br />

insb. Rn. 23, 25; s. auch Rn. 7.<br />

250<br />

Sozialwissenschaftliches Gutachten, B 3.1.7.<br />

251<br />

Vgl. § 27 Abs. 2 S. 1 SGB VIII: „insbesondere“.<br />

252<br />

§ 78c Abs. 1 S. 1 SGB VIII verlangt dazu in den Leistungsvereinbarungen Regelungen. Sollen die Regelungen<br />

der §§ 78a ff. SGB VIII Anwendung finden, setzt dies voraus, dass die Unterbringung von Kindern in einem<br />

<strong>Frauen</strong>haus als Hilfe zur Erziehung in stationärer Form (§ 78a Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d SGB VIII) qualifiziert wird.<br />

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