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Bericht - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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ist damit ein Ordnungsinstrument, dessen in den Gesetzen angelegte Steuerungskraft beobachtet,<br />

kritisch bewertet <strong>und</strong> verbessert werden kann.<br />

Nach den Veränderungspotenzialen des geltenden Rechts zu fragen, ist genuine Aufgabe der<br />

Rechtswissenschaft. Rechtswissenschaft darf nicht auf die Interpretation von Normtexten reduziert<br />

werden, so wichtig diese sog. Rechtsdogmatik 69 <strong>für</strong> den Rechtsalltag fraglos ist. Rechtswissenschaft<br />

ist nach einem bekannten Wort Hugo Sinzheimers immer auch „legislative Rechtswissenschaft“ 70 , sie<br />

muss also die Reformperspektive immer mit bedenken. Diese gehört zum positiven Recht, das durch<br />

seine Änderbarkeit charakterisiert ist, weil es „nur auf Widerruf existiert“ 71 <strong>und</strong> „die eigene Veränderlichkeit<br />

<strong>für</strong> Regelungsaufgaben zur Verfügung stellt.“ 72<br />

Mit Andreas Voßkuhle, dem Präsidenten des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts, lässt sich sogar feststellen,<br />

dass die gegenwärtige Aufgabe von Rechtswissenschaftlerinnen <strong>und</strong> Rechtswissenschaftlern „immer<br />

häufiger darin [besteht], innerhalb eines veränderbaren <strong>und</strong> sich stetig verändernden rechtlichen<br />

Rahmens mögliche Handlungsalternativen aufzuzeigen, ihre Folgen abzuschätzen, Interessengegensätze<br />

offen zu legen <strong>und</strong> rational begründete, praktische Entscheidungsvorschläge zu erarbeiten, die<br />

je nach Brauchbarkeit dann ihrerseits wieder an den dogmatischen Diskurs rückgekoppelt werden<br />

können.“ 73 Diese Aufgabe, so Andreas Voßkuhle weiter, ist „nicht völlig neu, denn Rechtsfortbildung<br />

<strong>und</strong> Rechtspolitik besaßen ebenso wie die Rechtsvergleichung immer schon einen wichtigen Stellenwert<br />

innerhalb der Rechtswissenschaft.“ 74<br />

Gerade bei sozialpolitisch drängenden Fragestellungen wie der nach der Situation der <strong>Frauen</strong>häuser<br />

<strong>und</strong> anderer Unterstützungsangebote, die über parteipolitische Grenzen hinweg als hochproblematisch<br />

wahr genommen werden, 75 ist es wichtig, die Aufgabe, Alternativen zum nicht als problemadäquat<br />

wahrgenommenen geltenden Recht zu formulieren, als zentrale Herausforderung der Rechtswissenschaft<br />

ernst zu nehmen. Dass (Rechts-)Wissenschaft hierbei nur Anregungen geben <strong>und</strong> Vorschläge<br />

unterbreiten kann, über deren Nützlichkeit letztlich allein die politisch Verantwortlichen entscheiden<br />

müssen, versteht sich im demokratischen Gemeinwesen des Gr<strong>und</strong>gesetzes von selbst.<br />

69<br />

„Dogmatik“ bzw. „dogmatisch“ bezeichnen nach herkömmlichem juristischen Sprachgebrauch auf den Inhalt<br />

des geltenden Rechts bezogene Ausführungen, die durch Auslegung (Interpretation) von Normtexten gewonnen<br />

werden. Davon zu unterscheiden ist die umgangssprachliche Bedeutung von „dogmatisch“ im Sinne<br />

von engstirnig oder geistig unbeweglich.<br />

70<br />

Sinzheimer, Die Aufgabe der Rechtssoziologie, in: ders., Arbeitsrecht <strong>und</strong> Rechtssoziologie. Gesammelte<br />

Aufsätze <strong>und</strong> Reden, hrsg. von Kahn-Fre<strong>und</strong>/Ramm, Bd. 2, 1976, S. 85 (145).<br />

71<br />

Habermas, Faktizität <strong>und</strong> Geltung, 1992, S. 57.<br />

72<br />

Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 39.<br />

73<br />

Voßkuhle, Europa als Gegenstand wissenschaftlicher Reflexion – eine thematische Annäherung in 12 Thesen,<br />

in: Franzius/Mayer/Neyer (Hrsg.), Strukturfragen der Europäischen Union, 2010, S. 37 (44).<br />

74<br />

Voßkuhle, Europa als Gegenstand wissenschaftlicher Reflexion – eine thematische Annäherung in 12 Thesen,<br />

in: Franzius/Mayer/Neyer (Hrsg.), Strukturfragen der Europäischen Union, 2010, S. 37 (44).<br />

75<br />

Noll, BT-Plenarprotokoll 16/172 von 26.6.2008, S. 18325 (D) spricht mit Blick auf „die sichere Finanzierung<br />

von <strong>Frauen</strong>häusern“ von „eine[r] unserer Baustellen“ <strong>und</strong> bezieht sich hierbei auf im zuständigen Ausschuss<br />

parteiübergreifend („auf <strong>Bericht</strong>erstatterebene“) unternommene Versuche, „eine Lösung <strong>für</strong> dieses Problem zu<br />

finden“. Dazu der Beschluss (BT-Plenarprotokoll 16/172, S. 18332 [A]) zum Antrag BT-Drucks. 16/6429 vom<br />

19.9.2007 („Häusliche Gewalt gegen <strong>Frauen</strong> konsequent weiter bekämpfen“) mit Beschlussempfehlung BT-<br />

Drucks. 16/9367 vom 29.5.2008.<br />

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