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• M B - Brasiliana USP

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- i78 -<br />

Am merkwürdigsten, gewiss auch kein Zeitvertreib, ist das Ausrupfen der<br />

Wimpern, weil diese, man darf wohl sagen, Operation ganz allgemein und schon<br />

bei den kleinen Kindern beiderlei Geschlechts ausgeübt wird und mit Stammesund<br />

Geschlechtsunterschieden nicht in Zusammenhang gebracht werden kann.*)<br />

Ist das Auge aller Menschen wertvollstes Organ, so sind diese nach Tieren<br />

und Früchten spürenden Waldbewohner darauf im denkbar hõchsten Grade angewiesen.<br />

Nie habe ich einen Indianer jammern und winseln hõren wie den<br />

seine Blindheit beklagenden Háuptling der Yaulapiti. Darum braucht man aber<br />

in der Behandlung nicht die uns richtig erscheinende Einsicht zu entwickeln.<br />

Weil Tabakrauch das beste árztliche Mittel ist, wird eine stark entzündete Bindehaut<br />

nach Kráften voller Rauch geblasen. So liegt auch der Gedanke, dass die<br />

Wimpern das Auge schützen, den Indianern ganz fern. Sie erkláren, das Auge werde<br />

durch die Wimpern am Sehen behindert, namentlich, wenn sie scharf in die Ferne<br />

sehen wollten. Dass sie bemüht sind, nach ihrem besten Wissen für das edle Organ<br />

zu sorgen, geht daraus hervor, dass dem Knaben, der ein sicherer Bogenschütze<br />

werden soll, die Umgebung des Auges mit dem Wundkratzer blutig geritzt wird —<br />

natürlich, weil man an diese »Medizin« glaubt und nicht, weil man ihn abhãrten<br />

will. Gerade bei den Wimpern ist das grausam erscheinende Ausrupfen, weil<br />

radikal, ein noch relativ mildes Verfahren. Denn Schneiden und Rasieren am<br />

Lidrand mit Fischzáhnen und Muscheln zu ertragen wãre in der That ein<br />

Heroismus.<br />

Die Haut. Die Haut wird durchbohrt, um Schmuck aufzunehmen, sie wird<br />

mit Farbe bestrichen und wird mit Stacheln oder Záhnen geritzt. Die beiden<br />

letzteren Methoden entwickeln sich zu künstlerischer Behandlung, zur Kõrperbemalung<br />

oder zur Tátowirung — wissen mõchte man nur, welche ursprünglichen<br />

Zwecke zu Grunde liegen.<br />

Wenn wir bei uns verweichlichten zivilisierten Menschen im Groben und<br />

Feinen noch an tausend Beispielen beobachten, bis zu welchem Grade Gefallsucht<br />

und Eitelkeit den Sieg über kõrperliches Unbehagen davonzutràgen pflegen, so<br />

werden wir uns nicht wundern, dass die Eitelkeit der Naturvõlker noch etwas<br />

rücksichtsloser verfáhrt. Der Hauptunterschied zwischen uns und ihnen ist nur<br />

der, dass sie an der Haut thun müssen, was wir an den Kleidern thun kõnnen.<br />

Dann aber ist es bei ihnen überall zunáchst der Mann gewesen, der sich geschmückt<br />

hat. Er hat damit ais Jãger angefangen und, da es die Jáger-Eitelkeit<br />

zu erkláren gilt, dürfen wir schliessen, dass der Mensch zuerst den Begriff der<br />

Trophãe entwickelte, indem er sich von den Teilen der Beute, die ungeniessbar<br />

*) Den Naturvõlkern wird etwas gar zu háufig das Bedürfnis der Abhártung zugeschrieben, aber<br />

ch habe nicht gesehen, das s man die Kinder abhârtete. Die Herren Váter, von den Müttern nicht zu<br />

reden, neigten eher zur Sentimentalitát ais zur Strenge ihren sehr eigenwilligen Sprõsslingen gegenüber,<br />

die nicht schreien durften, ohne dass es auch den Eltern bitter wehthat. Man fügte ihnen mit<br />

Bestimmtheit nur Schmerzen zu, wenn man es zu ihrem Besten zu thun glaubte, man war immer um<br />

ihre Gesundheit aufs Aeusserste besorgt und behing sie mit Amuletten.

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