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• M B - Brasiliana USP

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— 3o —<br />

schwàcher oder man hõrt es nicht mehr, man stiert in die sonnendurchglühte<br />

Landschaft und sieht sie nicht mehr. Man spricht leise vor sich hin und rafft<br />

sich vielleicht noch einmal auf, den trockenen Mund weiter zu õffnen und dem<br />

Nãchsten wehmütig zuzurufen: «wenn Sie jetzt in Berlin waren, etc.?« und<br />

lãchelt schmerzlich über die matte Antwort, aus der etwas wie «Spatenbràu*<br />

oder »eine Weisse« hervorklingt. Doch an solchem Traumbild trinkt und schluckt<br />

man und an dem Staubteig kaut man und verdrossen stapft man weiter, tiefinnerlich,<br />

aber ohne sich zur Abwehr aufzuschwingen, einen der Hunde verwünschend,<br />

der ebenso verdrossen hinterher wandert und uns bei jedem zweiten<br />

Schritt auf die Fersen tritt; man torkelt über den Weg oder die Graskuppen,<br />

die Koordinationsstõrungen nehmen im Gehen oder Denken mehr und mehr zu,<br />

schliesslich schlàft man, die Andern schlafen, die Tiere schlafen wie die Natur<br />

ringsum schláft, nur dass sie unbeweglich daliegt und wir mechanisch weiter<br />

rücken.<br />

Gabe es noch etwas Lebendiges! Doch man wundert sich schon über<br />

einen einsamen Schmetterling. Das Tierleben beschrãnkte sich auf die Cabeceiras<br />

und die kleinen Capão-Wáldchen; dort erhob sich stets wütendes Gebell, wenn<br />

die Hunde eindrangen und diesen oder jenen die heisse Tageszeit verschlafenden<br />

Vierfússler aufstõrten. Aber die Hochebene war tot. Selbst nach Sonnenaufgang<br />

nichts von Vogelgezwitscher, sondem die Ruhe eines Kirchhofes oder so<br />

etwas wie eine Landschaft auf dem Monde. Gegen Mittag erbarmungslose Glutund<br />

Bruthitze, die grauschwarzen Bàumchen im Campo cerrado, reine Gerippe,<br />

warfen nur dünne Schattenmaschen: zeigte sich in der Ferne einmal ein wirklicher<br />

Baum, so liefen die Hunde, was ein merkwürdiges Zeugnis für ihr Schlussvermõgen<br />

abgiebt, ob er nun am Wege oder seitab stand, gerade auf ihn zu<br />

und pflanzten sich in seinem Schatten, die Zunge heraushàngend und keuchend,<br />

auf, bis der Zug vorbeikam. Auf dem hohen Chapadão hõrte zeitweilig aller<br />

Baumwuchs auf, .den Boden deckten scharfes Massega-Gras oder die schauderhaften<br />

Pinselquasten des Bocksbarts, barba de bode, von denen der Fuss immer<br />

abgleitet, oder Cangaschlacken, die ihn immer hemmen. Dankbar begrüsste man<br />

es wie eine Erlõsung, wenn wenigstens einmal ein flüchtiger Wolkenschatten gespendet<br />

wurde.<br />

Das Tagesgestirn gewõhnten wir uns bald wie die brasilischen Waldlàufer<br />

nicht nur ais Kompass, sondem auch ais Zeitmesser zu verwerten. Ich brachte<br />

es dahin, die Zeit nach dem Sonnenstand bis auf eine Viertelstunde richtig zu<br />

schàtzen. Perrot behauptete, dass die Leute den Stand der Sonne oder eines<br />

Sternes, z. B. der Venus nach Braças (à 2,2 m) bestimmten, etwa: »Die Venus<br />

geht morgen um 4 Uhr auf, treffen wir uns bei 3 Braças«. Dem aufgehenden<br />

Mond wurde ein Durchmesser von ungefáhr 1 m, dem Mond im Zenith von */, m<br />

zugeschrieben. Ich lernte auch bald, wenn ich nur wusste, wieviel Uhr es ungefáhr<br />

war, über die Himmelsrichtung unseres Weges im Klaren zu bleiben, ohne besonders<br />

zur Sonne aufzuschauen: der Schatten des Vordermannes, der eines Grashalms oder

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